Deutschland mit neuem Kassengesetz gegen Steuerbetrug
Deutschland hat dem Steuerbetrug im Handel und Gewerbe den Kampf angesagt. 2020 wird die Bonpflicht eingeführt und Kassen müssen mit neuen Sicherungseinrichtungen ausgestattet werden. Die neuen Bestimmungen sorgen im Vorfeld erheblichen Unmut.
Per 1. 1. 2020 Jänner tritt in Deutschland das neue "Kassengesetz" und damit einhergehend die Bonpflicht in Kraft. Im Kampf gegen den Steuerbetrug am Ladentisch sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben - ob beim Bäcker oder an der Schank im Club.
Hintergrund: Dem Staat entgehen jährlich Steuereinnahmen von geschätzt bis zu zehn Milliarden Euro, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen. Schwarze Schafe sind vor allem in der Gastronomie und in Branchen mit hohem Bargeldanteil beheimatet.
Das soll mit der Kassensicherungsverordnung - kurz: dem Kassengesetz verhindert werden. Deutschlands Registrierkassen sollen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bereits zu Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bonpflicht gilt trotzdem schon ab Jänner.
"Unverhältnismäßig hohe Kosten"
Der Handel läuft dennoch gegen die neuen Bestimmungen Sturm und kritisiert hohe Kosten, unnötigen bürokratischen Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit.
Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI schätzt, dass die neue Regelung "unverhältnismäßige Kosten" verursachen wird. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) geht von erheblichen Belastungen für Betriebe aus. "Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse", sagt HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann.
In einzelnen Branchen können die Kosten aber noch weiter in die Höhe schießen - etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden, wie Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband sagt. Der Umbau sei deshalb komplizierter. Pro Laden geht er von Kosten um 4000 Euro aus. Schlimmer noch: Nur etwa die Hälfte aller Systeme in Metzgereien könne überhaupt technisch nachgebessert werden. In den anderen Geschäften müssten neue Kassen-Waagen-Verbunde angeschafft werden, sagt Jentzsch. Kostenpunkt: 30.000 Euro. "Gerade für einen kleinen Handwerksbetrieb ist das eine Investition, die in die Existenzbedrohung gehen kann."
Neue Kassensysteme
Die Aufrüstung bestehender Kassen ist schwierig. Von den etwa 1,85 Millionen in Deutschland im Einsatz befindlichen Kassen können geschätzt nur zwischen 400.000 und 500.000 umgerüstet werden.
Problematisch ist zudem dass neue Kassen mit integrierter TSE noch nicht verfügbar sind. Jürgen Benad, Experte für Kassensysteme beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, spricht von einer "großen Misere" für die Branche. Der Ball liege bei den Kassenherstellern. Diese spielen ihn aber zurück zum Finanzministerium. Lange sei es schwierig gewesen, gemeinsam eine Technik für die Kassen zu entwerfen, sagt Roland Ketel, Vorstand des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik. Eine Kasse sei eben kein Computer, nur sei es schwierig gewesen, dies dem Finanzministerium zu verdeutlichen. Erst im zweiten Halbjahr sei man praktische Schritte gegangen.
"Es gibt noch keine Kasse, wir haben lediglich Feldtests gemacht", sagt Ketel. Die Produktion der Technischen Sicherheitseinrichtung TSE solle bald ins Laufen kommen. Es gebe allerdings nur zwei Hersteller, die diese derzeit für die normale Kasse anfertigten. "Wir müssen natürlich auch sehen, ob die beiden Hersteller in der Lage sind, in ausreichender Zahl zu produzieren."
Kritik an Bon-Pflicht
Neben der technischen Umstellung sorgt aber auch die Bon-Pflicht für Unmut. "Wer im Einzelhandel einkauft, der hat selten Interesse an einem Kassenzettel", sagt Benad von der Dehoga. Bei Bäckereien sollen etwa laut Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks nur weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg wollen.
Wenn der Kunde den Kassenzettel nicht wolle, müsse er ihn auch gar nicht mitnehmen, erklärt das Finanzministerium dazu. Nur der Händler müsse ihn aufheben. Die Belegpflicht stärke Transparenz und helfe gegen Steuerbetrug, etwa weil das Kassensystem und die Bons miteinander abgeglichen werden könnten.
Kritisiert wird auch der erwartete zusätzliche Papierverbrauch und Müll aus der Bon-Pflicht. Besonders kritisch werden auf Thermopapier gedruckte Kassenbons gesehen. Das bisher weit verbreitete, hormonell wirksame Bisphenol A darf ab Jänner nicht mehr zum Beschichten des Papiers verwendet werden. Zur der Beurteilung der Alternativstoffe gibt es keine Daten.
Betrug nicht ganz vermeidbar
Und es gibt auch generelle Zweifel an der Wirksamkeit des Kassengesetzes. Schließlich kann Betrug kann nicht ganz vermieden werden, denn können Händler nach wie vor einen Vorgang einfach nicht in der Kasse registrieren.
Laut HDE-Experte Brügelmann wird die Umstellung der Kassen dennoch den Steuerbetrug eindämmen. "Denn mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine Transaktion eröffnet, die sich bei einer mit einer TSE ausgerüsteten Kasse nicht mehr ohne Spuren löschen lässt. Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich."