Daten avancieren zur Losgröße eins im Spital
„Daten werden so wichtig wie Blutspenden“, so Peter Lehner, Chef der Sozialversicherungen. Deshalb denkt er insgeheim über eine zentrale Plattform für Gesundheitsdaten nach.
Antreiber. Sozialversicherungs-Manager Peter Lehner will Gesundheitsdaten für die Forschung zugänglich machen - wichtig für eine individualisierte Medizin.
Das Projekt trägt den klingenden Namen „Health Data Space“. Das klingt nach Mars-Mission - und kann es hinsichtlich der Komplexität durchaus damit aufnehmen. Denn was Peter Lehner, Chef des Dachverbandes der Sozialversicherungen, hinter den Kulissen ganz behutsam anschiebt, entspricht dem Betreten eines fremden Planeten, zumindest für österreichische Verhältnisse: Lehner möchte die zahlreiche Gesundheitsdaten, die im Land vorhanden und über das Land verstreut sind, auf einer zentralen Plattform sammeln und für die medizinische Forschung nutzen. „Die Zusammenführung solcher Daten, natürlich anonymisiert und unter höchster Datensicherheit, wäre ein wichtiger Schritt Richtung medizinischer Fortschritt“, ist Lehner überzeugt, „und für uns als Sozialversicherung die Chance, von einer Reparaturmedizin zu verstärkter Prävention zu kommen.“ Vorsorgen ist besser als Nachheilen, lautet das Motto.
Wie das funktionieren kann, demonstriert gerade die SVS, die Sozialversicherung der Selbstständigen, deren Obmann Lehner ist. Aufgrund der vorhandenen Medikationslisten weiß die SVS, wer welche Medikamente nimmt – und daher auch, wer ein Corona-Risikopatient ist. Diese Personen wurden jetzt gezielt angeschrieben, um sie zur Corona-Impfung zu motivieren.
Mit seinem Vorstoß reagiert Lehner auch auf den Veränderungsdruck, der dem Gesundheitssystem bevorsteht. Steigende Kosten, eine älter werdende Bevölkerung sowie ein drohender Pflege- und Ärztemangel geben wenig Anlass, sich bequem zurückzulehnen. Zudem öffnet die Medizin immer neue Fenster für eine individualisierte, auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlung – „Losgröße eins in der Medizin“, wie Lehner das smart formuliert.
Stolperstein Bundesländer
Doch das Geheimnis hinter Kosteneinsparung, Effizienzsteigerung und personalisierter Therapie heißt Daten. Nur wenn Befunde, Laborergebnisse, Röntgenbilder und Therapieverläufe zentral gesammelt werden, lassen sich doppelte und dreifache Untersuchungen vermeiden und Behandlungen individuell je nach Geschlecht, Alter, Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten anpassen. Lehner: „Daten werden so wichtig wie Blutspenden.“
Eine einfache Übung ist das nicht. Die Spitäler fallen in die Kompetenz der Bundesländer, auch finanziell. Und wer zahlt, dem gehören die Daten. Und die gibt nicht jeder gerne her, weil sich daraus auch Rückschlüsse auf Effizienz und Behandlungserfolge ziehen lassen. Eine solche Transparenz stößt auf Widerstände.
Zudem haben die Österreicher eine überaus heikles Verhältnis zur Sammlung und Speicherung ihrer Daten, auch wenn es für die medizinische Forschung ist. Peter Lehner ist dennoch zuversichtlich. „Das E-Rezept und der E-Impfpass haben eine Dynamik in Richtung Digitalisierung ausgelöst. Und Beharrlichkeit gehört zu meinem Jobprofil bei der Sozialversicherung.“