"Wir haben jahrelang in Ungarn sehr gut verdient"

FORMAT: Sie sagten, Ungarn sei für Raiffeisen und die Banken ein Problemfall. Warum ist das so?
Herbert Stepic: Das hat zwei Gründe. Die Regierung Orbán stellt sich mit ihren überzogenen Vorstellungen und Maßnahmen politisch derart weit ins wirtschaftspolitische und europäische Abseits, dass es schwer sein wird, von dort wieder zurückzufinden. Ich nenne beispielsweise nur die Kreativität der Regierung beim Erfinden neuer Steuern. Aber wir haben natürlich - wie praktisch alle dort tätigen Banken auch - eigene Fehler gemacht, etwa die Vergabe von Fremdwährungskrediten an Privatpersonen. Das ist zur Genüge diskutiert worden, und wir haben unsere Schlüsse daraus gezogen.
Welche Steuer ist denn aus Ihrer Sicht besonders unvernünftig und warum?
Stepic: Aus unserer Sicht die Bankenabgabe und die Transaktionssteuer. Wir zahlen in Ungarn momentan - und wohl auf absehbare Zeit - rund 40 Millionen Euro an Bankenabgabe pro Jahr. Unabhängig davon, ob oder wie viel Gewinn wir machen. Dass so eine Maßnahme die Verbesserung der Eigenkapitalquote nicht gerade fördert, liegt auf der Hand, das gilt aber nicht nur für Ungarn. Und während die Regierung die Zusage, die Abgabe 2013 zu halbieren, vor kurzem einfach zurückzog, wird sie die Transaktionssteuer von 0,1 auf 0,2 Prozent verdoppeln. Zur Veranschaulichung: Die Steuer inkludiert auch Bankomatbehebungen und alle Arten von Kundenüberweisungen.
Glauben Sie daran, dass die Halbierung der Bankenabgabe nun 2014 kommt?
Stepic: Das fällt mir einigermaßen schwer. Anzeichen dafür sehen wir jedenfalls bisher keine.
Was hält Raiffeisen noch in Ungarn?
Stepic: Wir haben generell unsere lokalen Netzwerke nicht aufgebaut, um sie in Krisensituationen wieder zu verlassen. Das haben wir auch in Russland 1998 und in der Ukraine nicht gemacht. Wir haben jahrelang in Ungarn sehr gut verdient, und nicht nur mit Fremdwährungskrediten, wohlgemerkt. Als Nummer 5 nach Kundenkrediten haben wir uns eine sehr gute Marktposition in allen Kundensegmenten erarbeitet. Das ist eine stabile Ausgangsbasis für bessere Zeiten, und die werden kommen.
Kann man überhaupt noch seriös planen, wenn die Politik so sprunghaft ist?
Stepic: Es macht die Sache natürlich nicht leichter. Aber das meine ich ganz allgemein, jeder Wirtschaftstreibende, jede Branche braucht verlässliche politische Rahmenbedingungen. In Krisenzeiten natürlich mehr denn je, denn da ist die Gefahr groß, dass populistische Maßnahmen der Politik negativ verstärkend wirken.
Wird Ungarns Weg erfolgreich sein?
Stepic: Wenn Sie den Weg der aktuellen Regierung meinen, dann bin ich mir sicher, dass er nicht erfolgreich sein kann, solange die Regierung keine Strukturreformen in Angriff nimmt und das Budget zu sanieren versucht, indem sie den Banken mit diversen Sondersteuern Eigenkapital entzieht. Die Frage ist nur, wann das die Menschen in Ungarn erkennen werden.