"Wien bleibt unsere Ost-Zentrale": Heineken-Chef Nico Nusmeier im Interview

Nico Nusmeier, Chef von Heineken CEE, über Bier und Krise, über den Vorteil des Standorts Wien, die Freiheiten für seine Manager in Österreich und die Gage des holländischen Regierungschefs.

FORMAT: Herr Nusmeier, die Bierbranche steht viel besser da als andere Industriezweige. Trinken die Leute wirklich mehr Bier, wenn die Wirtschaft krank ist?
Nusmeier: Nein, die Vermutung, dass steigende Arbeitslosigkeit einen steigenden Bierkonsum mit sich bringt, ist falsch. Und darüber bin ich froh, denn es wäre nicht gut für den Ruf unserer Produkte. Das wäre der falsche Grundstein für unsere Industrie: Bier muss mit Genuss, nicht mit dem Kummer der Menschen in Verbindung gebracht werden.

"In Österreich ist Krise kaum spürbar"
FORMAT: Aber das Geschäft von Heineken CEE samt der Österreich-Tochter Brau Union läuft trotz Krise?
Nusmeier: Es läuft ein bisschen schlechter, als es ohne Krise der Fall wäre, wobei wir manche Überraschung erleben. In Polen haben wir starke Rückgänge, obwohl die Fundamentaldaten der Wirtschaft nicht schlecht sind. In Ungarn ist der Bierkonsum stabil, obwohl die Wirtschaft große Probleme hat. In Österreich ist die Krise in unserer Branche bis jetzt fast nicht spürbar.
FORMAT: Gilt das nur für die Mengen oder auch für die Margen? Wir hören, dass sich der Konsum von der Gastronomie hin zum billigen Einkauf im Supermarkt verschiebt.
Nusmeier: Dieser Trend zum Heimkonsum ist vorhanden, war allerdings auch schon in Zeiten der Hochkonjunktur spürbar. Das hat auch mit den Preisen zu tun: Restaurants und Bars sind sehr teuer geworden. Durch die Auswirkungen der Krise wird der Trend noch leicht verstärkt.

"Wir sind ganz bewusst in Wien"
FORMAT: Der Heineken-Konzern hat 2003 die österreichische Brau Union übernommen und daraus seine Zentral- und Osteuropa-Einheit mit Sitz in Wien geformt. Hat sich der Kauf ausgezahlt?
Nusmeier: Unbedingt. Die Entwicklung ist besser als erwartet. Das Geschäftsmodell funktioniert. Die Finanzergebnisse sind gut, natürlich das Erste, was eine börsennotierte Gesellschaft wie Heineken interessiert.
FORMAT: Das heißt, das Headquarter in Wien ist abgesichert? Viele internationale Unternehmen siedeln ihre Ost-Zentralen ja leider ab.
Nusmeier: Der Standort ist gut. Bulgaren, Russen und andere Leute aus unseren Töchtern kommen gerne für ein paar Jahre hierher. Wir müssten nicht mehr bleiben, weil die beim Kauf ausverhandelte Pönale ausgelaufen ist. Wir könnten auch nach Budapest oder Warschau gehen, sind aber ganz bewusst in Wien.

"Unsere Manager haben größere Spielräume"
FORMAT: Und das bleibt auch so?
Nusmeier: Ja. Auch wenn man niemals sagen darf: für immer. In der Führung haben wir drei Österreicher, zwei Holländer und einen Franzosen: Das ist doch ein guter Marktanteil für euch.
FORMAT: Sie machen sich sehr rar. Fühlen Sie sich in Wien nicht so wohl?
Nusmeier: Doch, sehr. Aber meine Familie ist in Holland geblieben. Deswegen bin ich am Wochenende kaum hier. Sonst bin ich ständig zwischen Moskau und Athen unterwegs. In Wien schaffe ich gerade eineinhalb Nächte. Es gäbe hier ein nettes soziales Leben, und als Brauer könnte ich jede Nacht unterwegs sein. Leider fehlt mir die Zeit.
FORMAT: Wie stark ist der Druck aus Amsterdam auf Österreich?
Nusmeier: Es gibt immer Druck, natürlich. Aber wir erhöhen die Ziele nicht einfach um 50 Prozent, weil es gerade lustig ist. Die Struktur von Heineken berücksichtigt, dass Bier ein lokales Geschäft ist. Im Vergleich zu anderen Markenartiklern wie Procter & Gamble oder Unilever haben unsere Manager viel größere Spielräume. Ich kümmere mich nicht um die neue Gösser-Werbung. Bei Coca-Cola hingegen kann der Österreich-Chef bestenfalls die Werbezeiten für einen Spot buchen.

"Für Österreicher wäre noch mehr drinnen"
FORMAT: Wenn ein Unternehmen ausländische Eigentümer bekommt, besteht zu Recht die Angst, dass auch industrienahe Dienstleistungen abwandern: Darunter leiden Werbeagenturen, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer etc. Wie sieht das bei Heineken in Österreich aus?
Nusmeier: Die Beratungsleistungen, die wir hier beauftragen, sind ungefähr gleich geblieben. Einen Teil der Funktionen beziehen wir aus Amsterdam, etwa die Rechtsberatung. Andererseits macht zum Beispiel die hiesige Niederlassung des Personalberaters Korn Ferry heute vieles für den gesamten Konzern. Auch Wiener Unternehmensberater werden beschäftigt. Ich meine, dass für die Österreicher sogar noch mehr drinnen wäre, wenn sie sich konsequent bemühen.
FORMAT: Wie sieht es im Bereich Finanzierung aus?
Nusmeier: Der ist schon zentral gelenkt. Aber nicht nach der Methode: Raiffeisen raus, die holländische ING rein. Manche österreichische Banken haben heute Zugriff auf das größere Heineken-Geschäft.

"Politikergagen sind viel zu niedrig"
FORMAT: Her Nusmeier, zu einem ganz anderen Thema. Es wird heute viel über zu hohe Managergehälter geredet, vor allem in Bezug auf internationale Konzerne. Fühlen Sie sich betroffen?
Nusmeier: Holland ist ein egalitäres Land. Da haben wir diese Diskussion schon seit Jahren, auch ohne Finanzkrise. Ich verstehe, dass sich die Stimmung in Richtung Beschränkung der Gehälter entwickelt, und halte den Wandel im Denken für wichtig. Wenn jemand 50 Millionen Euro Bonus erhält, ist das nicht gesund. Persönlich erwarte ich mir für meinen Job eine bestimmte Lebensqualität. Ich will mir einiges leisten können, brauche aber weder eine Yacht noch vier Ferraris. Heineken liegt in den Gagen-Rankings aber sowieso nicht weit vorne.
FORMAT: Also sind Sie dafür, Managern tendenziell weniger zu zahlen?
Nusmeier: Wenn gemeint ist, die Extreme zu kappen, dann ja. Aber wir dürfen das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten. Wenn in den USA kein Bank-Manager mehr über 500.000 Dollar verdienen darf, wird man in drei Jahren keine Talente mehr für diesen Job kriegen, auch wenn das ein Haufen Geld ist. Und ich halte auch den Vergleich mit den Politiker-Gagen für falsch. Denn die sind viel zu niedrig. Der holländische Ministerpräsident verdient 130.000 Euro pro Jahr. Dafür bekomme ich in Russland gerade einen jungen Brand-Manager.

Interview: Andreas Lampl

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