West-Manager im Dienste Putins
Die Nachricht, dass der ehemalige Siemens-Chef Peter Löscher nach Russland geht, ist so nicht ganz richtig. Löscher geht nach Zürich. Dort hat die Renova Management AG ihren Sitz, eine Beteiligungsgesellschaft, die zum Imperium des russischen Oligarchen Wiktor Wekselberg gehört.

Löscher wird ihr CEO, und mit Josef Ackermann zieht in den Verwaltungsrat ein weiterer bekannter europäischer Manager ein. Der Ex-Chef der Deutschen Bank hatte sich im Vorjahr aus der Zurich Insurance Group zurückgezogen.
Weder Löscher, der aus Villach stammt, noch der Schweizer Ackermann gingen ganz freiwillig - und Wekselberg griff zu. Die beiden Führungskräfte sind längst nicht die einzigen, deren Karriere direkt nach Russland oder zumindest in russische Unternehmen führt. Das kommt nicht aus dem Nichts: in dem Riesenstaat wird ganz gezielt nach internationalen Top-Leuten gesucht. Sie sollen die Expansion der Firmen vorantreiben, ihr Know-how einbringen und modernisieren, wo die Planwirtschaft noch allzu tief verankert ist.
Russland ist immer noch überproportional von seinen Rohstoffen abhängig. Seine Industrie braucht dringend Innovationen. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, viele russische Produkte sind weiter nicht weltmarktfähig. Um all die rasanten Veränderungen managen zu können, fehlen - wie oft in Schwellenländern - die richtigen Leute.
Die Drecksarbeit
Hinzu kommt, dass bekannte Manager gerade im Westen nicht nur für Entgegenkommen, sondern auch für gute Kontakte sorgen. Der bekannteste der bekannten Westler ist sicher Gerhard Schröder. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler steht dem Aktionärsausschuss von Nord Stream vor, das mehrheitlich zu Gazprom gehört. Der prompte Wechsel aus der Politik zum Lobbying für die Pipeline, die russisches Erdgas trotz vieler Widerstände direkt nach Deutschland führen soll, bringt Schröder bis heute Kritik ein. Nord Stream hat seinen Sitz übrigens nicht wie Gazprom in Moskau - sondern in der Schweiz.
Direkt in Russland vor Ort ist hingegen Siegfried Wolf. Der ehemalige Magna-CEO wechselte 2010 an die Aufsichtsratspitze von Russian Machines, dem Maschinenbaukonzern des Oligarchen Oleg Deripaska. Wolf, der außerdem auch im Aufsichtsrat der russischen Sberbank sitzt, ist dort nicht der einzige Westler. Vor wenigen Wochen wurde der Wiener Stephan Zöchling zum CEO von Transstroy, dem Infrastruktur-Bauunternehmen im Deripaska-Reich. Zöchling hatte schon Bauprojekte in Sotschi geleitet. Im Board of Directors des Autobauers GAZ sitzt mit Wolf schon lange Peter Koob, der bei Magna Vizepräsident für Unternehmensentwicklung war. Manfred Eibeck, der Magnas Russland Geschäft leitete, ist jetzt CEO von Russian Machines. Seit Jahresbeginn ist mit Günther Heiden ein weiterer Ex-Magna-Mann und Österreicher als Chief Operating Officer im GAZ-Führungsteam.
"In allen vier großen russischen Automobilkonzernen gibt es zumindest eine westliche Führungsperson, beobachtet Ewald Kreidl, Partner beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group. Die Westler sollen vor allem für den großen Umbruch sorgen, den Russland sich vorgenommen hat. Wenn es darum geht, Strukturen auf den neuesten Stand zu bringen, sind Rationalisten gefragt. Russischen Managern wird nachgesagt, sie seien in schwierigen Situationen zögerlich. Das Festhalten am Status quo verhindert auch, dass Junge nachrücken.
Im Bankensektor, bei den Öl- und Stahlunternehmen gibt es ebenfalls immer wieder Führungskräfte aus Europa. Dass Oligarchen aber im Westen nicht nur Unternehmen, sondern auch Manager aufkaufen - davon wollen Landeskenner nichts wissen. "Der Trend scheint eher in die Richtung zu gehen, dass russische Unternehmen wieder vermehrt auf Russen setzen, sagt Arthur Oberascher, der die Russland-Niederlassungen des Personalberater Hill International leitet. Westler würden gerade seit der Krise vor allem bewusst punktuell dort eingesetzt, wo es schnelle Entwicklungen braucht, sagt Dietmar Fellner, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Moskau. Sonst schotten sich russische Unternehmen ab, teilweise zu stark.
Kulturschock
Die Erfahrungen mit Leuten aus dem Westen waren nicht immer nur gut. Erst angelockt von Managementgehältern, die klar über dem europäischen Durchschnitt liegen, sind viele schnell wieder weg. "Die Sprachbarriere und der Kulturunterschied werden unterschätzt, sagt Fellner. Viele seien auch nur für ein paar Tage vor Ort, so Oberascher, "damit sind sie auf verlorenem Posten. Ihnen wird nicht vertraut.
Wie viele Beobachter ist auch Oberascher davon überzeugt, dass Russland Know-how aus dem Westen ebenso wie interne Reformen braucht, um seine Wirtschaft voranzubringen. Seit Jahren leidet das Land unter einem Brain Drain. Ingenieure und Wissenschafter zieht es in Scharen in den Westen. Bessere Einwanderungsgesetze sollen den Trend umkehren. Junge, im Westen ausgebildete Russen zogen zuletzt wieder öfter in die Heimat - die Wirtschaft brummte, die Aussichten waren gut.
Angesichts der aktuellen Krise ist es fraglich, ob das so bleibt.