Weniger wird mehr bei Procter & Gamble

Der Konsumgüterriese Procter & Gamble will sich von der Hälfte seiner Marken trennen. Ein radikaler Schritt, der dem Unternehmen das Wachstum sichern soll. Über 20 P&G-Marken erzielen mehr als eine Milliarde US-Dollar an Jahresumsatz. Die Windelmarke Pampers durchbrach 2012 sogar die Zehn-Milliarden-Dollar-Hürde.

Weniger wird mehr bei Procter & Gamble

Am Anfang standen William Procter, der Kerzen zog, und James Gamble, der Seifen herstellte. Und weil sie zwei Schwestern heirateten, beschlossen sie, auch gemeinsam ein Geschäft aufzubauen: Procter & Gamble. Seit der Gründung im Jahr 1837 ist P&G zum größten Konsumgüterhersteller der Welt geworden. Ins Sortiment kamen über die Jahre Windeln und Hygieneprodukte, Taschentücher, Tierfutter, Kaffee, Wasch-und Putzmittel, Haarprodukte, Kosmetika und Parfums. So wie die Kerzen, die ganz am Anfang standen, wurden immer wieder Produkte und Marken eingestellt oder verkauft.

Nun hat P&G angekündigt, gleich rund die Hälfte des Portfolios abzugeben. Statt um bisher 170 Marken will sich der Weltkonzern in Zukunft nur mehr um maximal 80 Marken kümmern.

Ein Unternehmen, das im vergangenen Geschäftsjahr mit rund 63 Milliarden Euro an Umsatz 8,5 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftete, stößt seine halbe Markenwelt ab? Verzichtet freiwillig auf acht Milliarden Umsatz pro Jahr? Mit der Begründung, in Zukunft gerade deshalb noch schneller und nachhaltiger zu wachsen?

Neue Spielregeln

Auf den ersten Blick mag das absurd wirken. Doch positive Reaktion an der Börse zeigt: Der Strategiewechsel könnte sich für Procter & Gamble (WKN 852062, ISIN US7427181091) mittelfristig auszahlen. Laut Unternehmen stehen die Marken, die von der radikalen Schlankheitskur betroffen sein sollen, für weniger als fünf Prozent des Gewinns und für rund zehn Prozent des Umsatzes. Alles, was zu klein ist, muss raus: entweder weil es nur ganz spezielle Kundenbedürfnisse deckt, oder weil es nur in bestimmten Märkten erhältlich ist und demnach nicht zur Weltmarke taugt. P&G will sich durch das Ausmisten auf umsatzstarke Produktgruppen konzentrieren, die hohe Margen bringen. Auch die starke Position im Handel wird dadurch kaum geschwächt, denn nach wie vor zählt P&G mit seinen Topsellern zu den wichtigsten Herstellern.

Verkaufskandidaten sind unter anderem die Batteriemarke Duracell, Ivory-Seifen oder die Waschmittel Era and Cheer . Das Ziel der Übung ist: P&G, das weltweit 121.000 Mitarbeiter beschäftigt, soll wieder wendiger werden. Schon in den vergangenen Monaten wurden verschiedene Sparten verkauft, ein Zehn-Milliarden-Dollar-Sparprogramm aufgesetzt, Mitarbeiter abgebaut. Jetzt folgt der nächste Schritt. Die Terminologie internationaler Konzerne kennt dafür ein Schlagwort: "The Wisdom of less", auf Deutsch: "die Weisheit des Weniger".

Wachstum um jeden Preis könne, so die Theorie, dazu führen, dass Prozesse ineffi zient werden und die Führung solcher Riesengebilde komplexer und unübersichtlicher, als sie sein müsste. Die weitere Folge: zu viele wegen der Ablenkung nicht entdeckte Möglichkeiten, die wesentlich profitabler wären.

Sich auf weniger Bereiche zu fokussieren , könne sich auszahlen, kommentiert zum Beispiel Sanja Khosla von der Kellogg School of Management in den USA. Unternehmen wie Apple oder auch Red Bull machen es vor. Andere wie etwa Kraft Foods haben einen ähnlichen Prozess, wie er P&G nun bevorsteht, schon hinter sich: Der Lebensmittelkonzern - der inzwischen in Mondelez International umbenannt und aufgespalten wurde - begann ab 2007 damit, unter seinen 150 Marken und 60 Märkten jeweils jene zehn zu identifizieren, in die er überproportional investieren will. Innerhalb von sechs Jahren erhöhte sich die Profitabilität in Fokusmärkten dadurch um 50 Prozent. Microsoft kündigte gerade Ähnliches an. "Konsumgüpterhersteller wie P&G stehen vor der Herausforderung, auch in reifen Märkten weiterhin Wachstum zu generieren", sagt Antonella Mei-Pochtler, Seniorpartnerin bei der Boston Consulting Group. Das Schwierige daran: Die Umsätze müssen natürlich stärker steigen als die Kosten -klarer Fokus und eine effi ziente Organisation werden umso wichtiger. Genau dafür soll der Strategiewechsel bei P&G in Zukunft sorgen. "Das wird ein viel simpleres, viel weniger komplexes Unternehmen mit führenden Marken, das einfacher zu managen und zu leiten sein wird", sagte CEO A. G. Lafley, als er seine Pläne präsentierte.

Pensionist rührt um

Dabei war es Lafley, heute 67 Jahre alt, der in seiner ersten Periode als CEO zwischen 2000 und 2010 für eine große Expansionswelle sorgte: In dieser Zeit verleibte sich P&G etwa den deutschen Beautykonzern Wella, die Raumpflegemarke Swiffer und den Weichmacher Febreze ein. 2005 erfolgte mit Gillette der größte Zukauf der Unternehmensgeschichte: Um 57 Milliarden US-Dollar kamen damit nicht nur die Rasierer (Gillette, Venus, Mach3, Fusion) zu P&G, sondern auch die Batterienmarke Duracell, die Oral-B-Zahnpflege und der angesehene Haushaltsartikelhersteller Braun.

Wieso Lafley aus der Pension zurückgeholt wurde, liegt an Verbesserungen, die er in Runde eins erzielt hatte: All die Zukäufe wurden erstaunlich schnell in die Unternehmensorganisation integriert und unter das Motto "Der Konsument ist der Boss" gestellt. Statt zuvor nur 15 Prozent wurden 50 Prozent der Produktinnovationen am Markt erfolgreich -bei gleichzeitig sinkenden Budgets für Forschung und Entwicklung. Bis 2008 wuchsen die Umsätze jährlich um durchschnittlich rund fünf Prozent.

In Runde zwei hat sich der Erfolg noch nicht wie erhofft eingestellt: Seit Lafleys Comeback im Vorjahr legte der S&P-500-Index um zwölf Prozent zu, die P&G- Aktie nur um vier. Doch einige positive Anzeichen wie bessere Produktivitätszahlen gibt es bereits. Der Strategiewechsel soll das Werk nun vollenden. In amerikanischen Marketingforen liest sich das so: Statt den Fokus auf Innovation zu legen, liegt Lafleys Innovation nun im Fokussieren. Die kommenden 24 Monate werden zeigen, ob sich das ausgeht.

Der Marken-Exodus

Schon im April hat sich P&G von seinem Tiernahrungsgeschäft getrennt, die Marken Iams, Eukanuba und Natura Brands gingen um 2,2 Milliarden Euro an den Konzern Mars. Welche weiteren 90 bis 100 Marken P&G in den kommenden 24 Monaten loswerden will, steht nicht endgültig fest. Folgende werden wohl darunter sein:

Ivory
Die 1879 erstmals verkaufte Seife war in den USA lange Zeit fixer Bestandteil jedes Haushalts. Zuletzt gingen die Umsätze aber zurück.

The Art of Shaving
Eine Marke, die in der Nische von Qualitätsbartpflege relativ stark ist -aber im P&G-Durchschnitt eher klein.

Era und Cheer
Spekulationen darüber, dass P&G diese beiden US-Waschmittel verkauft, gibt es schon lange. Sie kannibalisieren zum Teil den US-Topseller Tide.

Duracell
Die Batterienmarke zählte für Marktexperten lange zu einem Abstoßkandidaten. Exklusivdeals mit Händlern könnten das noch verhindern.

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