Susanne Riess: "Quoten werten Frauen nur ab
Susanne Riess, frühere Politikerin und heutige Chefin von Wüstenrot, im Interview. Zur Frage nach Frauen in Führungspositionen sagt sie: "Frauen sind noch immer zu bescheiden. Von Quoten in Aufsichtsräten halte ich jedenfalls nichts, Quoten werten Frauen nur ab."

FORMAT: Vor zehn Jahren haben Sie der Politik den Rücken gekehrt. Würden Sie rückblickend als Politikerin etwas anders machen?
Susanne Riess: Abgesehen von Dingen, die ich natürlich besser oder anders hätte machen können wäre ich weniger großzügig dahingehend, wem ich mein Vertrauen schenke.
Ist Ihnen der Umstieg schwer gefallen?
Riess: Nein, ich habe immer viel gearbeitet, das tue ich auch heute. Was ich jedoch sehr positiv empfinde, ist die Tatsache, dass ich mich heute medial sehr zurück nehmen kann.
Wurden Sie nach Ihrem Ausstieg aus der Politik angefeindet?
Riess: Ach ja, aber wer - wo auch immer - Entscheidungen trifft, muss damit rechnen, dass er nicht nur Freunde haben kann. Was mich in Österreich wirklich stört, ist das einfältige Schubladendenken. Leute fragen mich heute noch oft, zu welcher Partei ich gehöre und sind dann ganz irritiert, wenn ich sage : Zu keiner!
Funktioniert Wirtschaft anders als die Politik?
Riess: Ja, Leistung ist in der Wirtschaft ganz klar messbar, ich habe ein Jahresergebnis das eindeutig ist. Das ist ein Faktum und nicht Ergebnis von geschickter Rhetorik.
Immer mehr Menschen legen ihr Geld bei den geringen Prämien lieber unter die Matratze. Warum sollten sie überhaupt noch bausparen?
Riess: Es ist richtig, dass die Renditen gering sind, aber Bausparen ist berechenbar, verlässlich und hat fixe Regeln für die Auszahlung. Und man darf nicht vergessen: Der Kernzweck des Bausparens ist das Finanzieren von Wohnraum. Und das ist und bleibt sehr sinnvoll.
Sollte Bausparen stärker gefördert werden (Prämie aktuell: 1,5 Prozent)?
Riess: Auf jeden Fall. Immerhin ist das geringe Wirtschaftswachstum in unserem Land hauptsächlich von der Bauwirtschaft getragen.
Wie sehen Sie die Chancen für eine höhere Förderung?
Riess: Die sind zur Zeit sehr gering. Wir alle wissen ja, dass das Budget nicht viel hergibt.
Ärgert es Sie, dass Milliarden in die Rettung von maroden Banken fließt und für Bausparen fehlt das Geld?
Riess: Das ist die wirkliche Krux. Die Politik sollte sich überlegen, wie sie Investitionen in die Wirtschaft vorantreibt statt Aber-Milliarden in nicht zukunftsträchtige Banken zu zahlen. Das Traurige ist ja, dass es gar kein Konzept gibt, was mit dem Steuergeld dort überhaupt passieren soll.
Nennen wir das Kind doch beim Namen: Sollte man die Hypo Kärnten pleite gehen lassen?
Riess: Nein, aber man hätte sich viel früher schon ein Konzept für eine Bad Bank überlegen müssen. Warum das nicht passiert ist, ist mir rätselhaft.
Würde sich Wüstenrot denn an einem Bad-Bank-Modell beteiligen?
Riess: Dafür sind wir eine viel zu kleine Nummer und wir sind auch in einem ganz anderen Geschäftsfeld tätig.
Versteht die Politik zu wenig vom Finanzgeschäft?
Riess: Die Politik ist darauf fokussiert, plakative gute Nachrichten zu propagieren. Die Finanzwirtschaft ist sehr komplex. Die bedarf klarer Regeln, aber sie ist für das Funktionieren von Märkten extrem wichtig und darf nicht als pauschaler Sündenbock von der Politik missbraucht werden.
Wie ist das Jahr 2013 für Wüstenrot gelaufen?
Riess: Sehr gut, wir liegen fast überall über den Planzielen. Überhaupt hat uns die Finanzkrise eher geholfen. Bieder und konservativ hat wieder einen höheren Stellenwert. Das kommt uns zugute. Die Leute nehmen in Kauf, dass die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen. Besonders gut läuft es bei unseren osteuropäischen Töchtern, vor allem in Ungarn.
Wüstenrot ist Nummer Drei am Markt für Bausparen in Österreich. Ist die Nummer Eins ein Ziel für Sie?
Riess: Marketingmäßig wäre das schon interessant, ökonomisch ist es nicht so wichtig, wir sind ohnehin fast gleich auf. De facto verbindet die Mehrheit der Österreicher ohnehin Bausparen mit Wüstenrot.
Ihr Vertrag läuft noch bis 2016. Wollen Sie weitermachen?
Riess: Auf jeden Fall. Ich habe von Anfang an gesagt: Ich bleibe hier.
Warum lehnen Sie eine Rückkehr in die Politik eigentlich so kategorisch ab?
Riess: Ich habe eine Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Mitarbeitern und die Politik ist für mich nicht attraktiv.
Warum nicht?
Riess: Jeder, der in die Politik geht, sollte einen gewissen Gestaltungswillen haben. Das vermisse ich heute bei den meisten. Große Linien kann ich nicht erkennen. In einem Unternehmen genügt es nicht, immer nur fünf Jahre weit zu denken.
Was ist anders als noch vor zehn Jahren?
Riess: Was mir heute an der Politik fehlt ist, dass man auch über eine Legislaturperiode hinaus denkt. Es erfordert Mut und Überzeugungskraft von der Politik, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen, aber es braucht auch Wähler, die Politiker belohnen, die diesen Mut haben.
Was vermissen Sie am meisten?
Riess: Österreich steht zwar nach wie vor gut da, aber man darf sich nicht darauf ausruhen. Ich verstehe nicht, warum man nicht endlich eine große Verwaltungsreform angeht.
Ist das Regierungsprogramm der neuen Regierung wirtschaftsfreundlich?
Riess: Es sind einige ganz gute Punkte drinnen, der große Wurf ist es aber sicher nicht. Die Strategie fehlt.
Wie oft hat man Sie in den letzten Jahren gefragt, ob Sie in die Politik zurückkehren ?
Riess: Jetzt schon länger nicht mehr. Offenbar hat man erkannt, dass es ein sinnloses Unterfangen ist.
Aber Vizekanzler Spindelegger haben Sie vor der letzten Wahl schon beraten
Riess: Nein, sicher nicht. Ich bin bei einer Wohnbauenquete der ÖVP als Expertin dabei gewesen. Das ist alles. Ich war auch bei einer Veranstaltung der Grünen und bin deshalb keine Beraterin der Grünen.
Viele Ihrer Kollegen aus dem Finanzsektor beklagen falsche Schwerpunktsetzungen der FMA. Wie geht es Ihnen mit der Behörde?
Riess: Es wird manchmal übers Ziel hinausgeschossen. Die Proportionalität fehlt. Aber das ist nicht nur ein Problem der FMA, sondern vor allem auch der Gesetzgeber in Wien und Brüssel. Ich verbringe sicher 50 Prozent meiner Arbeitszeit mit regulatorischen Angelegenheiten. Man sollte sich primär auf wirklich risikorelevante Bereiche konzentrieren, dazu gehört das Bausparen sicher nicht.
Sie standen ja selbst auch einmal im Fokus von Ermittlungen wegen Untreue.
Riess: Es gab fünf oder sechs anonyme Anzeigen, die alle eingestellt wurden. Es wurde dazu sogar ein umfangreiches Gutachten erstellt. Ein Gutachten, das übrigens der Steuerzahler zahlen muss.
Hätte man gar nicht erst ermitteln sollen?
Riess: Das hat man ja, aber man sollte sich schon überlegen, wie man grundsätzlich mit anonymen Anzeigen umgeht.
Wissen Sie, wer sie angezeigt hat?
Riess: Ich glaube zu wissen, wer das war. Das hatte aber nichts mit meiner politischen Vergangenheit zu tun. Aber wenn man einmal in der Politik war, ist man schmerzerprobter.
Denken Sie, hat der Salzburger Finanzskandal Ihrem Unternehmen geschadet?
Riess: Nein, aber er hat sicher der Reputation des Landes Salzburg geschadet.
Sind Sie mit den Aufräumarbeiten zufrieden?
Riess: Ich denke, ein Spekulationsverbot und klare Regeln für die öffentliche Hand wären sinnvoll gewesen. Ich verstehe auch nicht, warum die Politik diesen Weg nicht gehen wollte. So wäre man auf der sicheren Seite. Mit Steuergeld sollte man immer die sicherste Variante wählen.
Warum sind Sie als erfolgreiche Unternehmerin in so wenigen Aufsichtsräten?
Riess: Ich konzentriere mich auf das eigene Unternehmen. Ich wurde schon gelegentlich gefragt, aber das müsste schon etwas sein, das mich reizt.
Warum gibt es eigentlich so wenige Frauen in Führungspositionen?
Riess: Es wird schon etwas besser, aber Frauen sind noch immer zu bescheiden. Von Quoten in Aufsichtsräten halte ich jedenfalls nichts, Quoten werten Frauen nur ab.
Wie halten Sie das bei Wüstenrot?
Riess: Wir haben viele Frauen in Führungspositionen, aber keine im Aufsichtsrat. Aber dafür werden sie wenig Finanzunternehmen mit einer Frau als CEO finden.
Anders als Sie tun sich viele Ihrer Ex-Kollegen schwer, nach der Politik in der Wirtschaft unterzukommen. Warum?
Riess: Das Image der Politik ist desaströs. Ob man Angebote bekommt, hängt daher sehr mit der persönlichen Performance zusammen. Mein Ruf war dahingehend über die Parteigrenzen hinweg sehr gut. Zudem verstehen viele Politiker nicht, dass es in der Wirtschaft nicht ausreicht, nur Gesicht und Namen herzugeben. Es hätte mir gar nichts genützt, Vizekanzlerin gewesen zu sein, wenn ich hier keine guten Ergebnisse erzielt hätte.
Sie sitzen im Beirat von Rene Benkos Signa-Holding. Wie kam es dazu?
Riess: Ich kenne Benko seit er 17 Jahre alt ist. Er ist für mich ein Phänomen: eine Kombination aus harter Arbeit und viel Talent. Er hat immer mehr gearbeitet als andere.
Was sagen Sie zu seiner Verurteilung?
Riess: Ich war davon überrascht und kann sie nicht nachvollziehen.
Als Sportministerin haben Sie auch Russlands Präsident Putin bei der WM in St. Anton kennengelernt. Ihr Eindruck?
Riess: Er ist ein interessanter Mann und auch für kontroversielle Diskussionen offen. Ich verfolge die Debatte über die Olympischen Spiele mit Erstaunen. All die Fragen hätte man sich vor der Vergabe stellen müssen, aber nicht jetzt. Die hätte man aber auch in Peking stellen können. Ich halte die Diskussion für scheinheilig: Einerseits will man in Russland Geld machen, andererseits rümpft man die Nase.
Anmerkung: Das Interview wurde zur Zeit der Olympischen Winterspiele Sotschi 2014 geführt, also noch vor dem Ausbruch der Krim-Krise
Zur Person
Susanne Riess, 53, ist seit 2004 Generaldirektorin der Bausparkasse Wüstenrot. Die Juristin war unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von 2000 bis 2002 Vizekanzlerin (FPÖ). 2002 folgte der Bruch mit ihrem langjährigen Vertrauten Jörg Haider ("Knittelfelder Putsch), der in Riess Austritt aus sämtlichen politischen Funktionen resultierte. Sie ist im Verwaltungsrat der Schweizer Privatbank IHAG und im Beirat von Rene Benkos Signa Holding.