Stahlharte Zeiten: 11.000 Voest-Mitarbeiter könnten im Sommer bereits kurzarbeiten

Voest-Chef Wolfgang Eder kämpft mit gesunkener Nachfrage und hohen Schulden. Frisches Geld hat er jetzt, Personalabbau ist aber kaum zu verhindern.

Normal ist Wolfgang Eder ein relativ gelassener Mensch. Aber was ist im Moment noch normal in der Wirtschaft? Selbst für einen Paradekonzern wie die voestalpine ist es plötzlich eine Zitterpartie, eine verhältnismäßig kleine Anleihe zu platzieren. Voest-General Eder war dementsprechend angespannt, bis diese Woche feststand, dass die 350 Millionen Euro bei Investoren untergebracht wurden.

"Einen Schritt voraus"
Die Nachfrage nach dem Unternehmenspapier entwickelte sich sogar überraschend gut: Privatanleger bestürmten die Investor-Relations-Abteilung mit Fragen. Ein Anleger besuchte sogar die Konzernzentrale, um dort gleich die Voest-Anleihe zu zeichnen. Letztlich wurde das Volumen noch um 50 Millionen Euro aufgestockt. Eder ist ein Stein vom Herzen gefallen. Die voestalpine war der erste heimische Industriekonzern, der seit Ausbruch der Krise versucht hat, für Wertpapiere private Anleger zu finden – gemäß dem Slogan des Unternehmens „Einen Schritt voraus“. Der hat in guten Zeiten gestimmt: Binnen fünf Jahren wurde der Umsatz verdoppelt und ein Rekordergebnis nach dem anderen vermeldet. Noch im November 2008 präsentierte Eder das „erfolgreichste Halbjahr der Konzerngeschichte“. Die Voest plante das größte Einzelinvestment, das je in Osteuropa getätigt wurde: ein neues Stahlwerk. Es gab Vorzeigeprojekte zur Beschäftigung älterer Arbeitskräfte.

Produktion bricht ein
„Einen Schritt voraus“ ist der Stahlkocher aber auch in schlechten Zeiten: Während andere Unternehmer die Krise mehr im Kopf als real spüren, ist die voestalpine schon weiter – mitten im Schlamassel. Ohne die 400 Millionen aus der aktuellen Anleihe wäre in absehbarer Zeit möglicherweise sogar das Geld knapp geworden. Die Voest besaß zwar auch zuvor noch 600 Millionen Euro Cash. Aber die sind in Zeiten wie diesen rasch verbrannt.
Jetzt hat Wolfgang Eder wieder mehr Luft. Die Lage hält ihn dennoch weiterhin in Atem. Denn die Folgen des Einbruchs werden erst in diesem Jahr so richtig virulent. Knapp 3.000 Voestler sind derzeit auf Kurzarbeit gesetzt, weitere 2.200 dafür angemeldet. Für die österreichischen Standorte erwartet Eder „in den kommenden Monaten eine weitere Ausdehnung, die bis zu einer Verdoppelung der Kurzarbeit über den Sommer reichen kann“ (siehe Interview ). Auch Kündigungen bei der Stammbelegschaft kann der sozialdemokratische Konzernherr nicht mehr ausschließen, nachdem 1.400 Leiharbeiter bald vollständig abgebaut sind.

Das dicke Ende kommt erst
Nächste Woche (am 31. März) endet das Geschäftsjahr 2008/09. Mit durchaus herzeigbaren Zahlen: Der Umsatz stieg auf etwa zwölf Milliarden Euro. Der operative Gewinn beträgt rund eine Milliarde. Doch der Schein trügt, heuer erst kommt es so richtig dick. Die monatliche Stahlproduktion hat sich seit Oktober 2008 halbiert (siehe Grafik ). Und die Voest stöhnt nach der Übernahme des Edelstahlerzeugers Böhler-Uddeholm unter vier Milliarden Euro Schulden. Mit der eingebrochenen Nachfrage kämpfen alle Stahlhersteller. Im Februar wurden 84 Millionen Tonnen Stahl produziert – um 22 Prozent weniger als vor einem Jahr. In den USA betrug der Rückgang mehr als 50 Prozent, in der EU über 40 Prozent. Weltmarktführer ArcelorMittal braucht mehr als eine Milliarde Euro frisches Geld und hat den Abbau von 9.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Bei Thyssen-Krupp in Deutschland stehen rote Zahlen, ein Konzernumbau und die Streichung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen bevor. US Steel Kosice, größter Arbeitgeber in der Ostslowakei, hat um staatliche Hilfe gebeten.

Schuldenlast
Auch bei der voestalpine, nach OMV und Strabag das drittgrößte Unternehmen des Landes, geht es heiß her: Für den Kauf von Böhler-Uddeholm, im Jahr 2007 als österreichische Lösung gefeiert, bezahlte die Voest 3,6 Milliarden Euro. Zur Finanzierung des Megadeals nahm sie Kredite auf. Mittlerweile ist der Kurs der Voest-Aktie derart in den Keller gerutscht, dass der Linzer Stahlkocher – inklusive Böhler – nur mehr 1,7 Milliarden wert ist. Durch die Finanzkrise wurde die Umschichtung der Kredite teuer und schwierig. Gerüchte über Liquiditätsschwierigkeiten wiegelt Eder ab und verweist auf einen Polster von rund einer Milliarde Euro, „der sich aus Cash-Reserven und garantierten, nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien zusammensetzt“. Dennoch: Der Schuldenstand muss runter. Klaus Küng, Analyst der Raiffeisen Centrobank, zählt drei Wege auf: entweder Teile des Unternehmens verkaufen, die Dividende aussetzen oder Kosten senken. Beispielsweise könnte die Voest ihre zwei Prozent, die sie an der Wiener Börse hält, abstoßen. Auch ein paar Unternehmensbereiche kämen für einen Verkauf infrage. Allerdings sind die Zeiten nicht gerade günstig, um hohe Preise zu erzielen. Auf der Automotive-Beteiligung Polynorm blieb die Voest vor kurzem sitzen, obwohl ein Käufer bereits fixiert war.

Hoher Preis
Für die 400 Millionen Euro aus der Anleihe muss die Voest einen hohen Preis zahlen: 8,75 Prozent Zinsen im Jahr werden die Anleger erhalten. „Diese Rendite zu erwirtschaften wird alles andere als einfach“, sagt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Mit einer staatlichen Garantie wäre die Voest um rund fünf Prozentpunkte billiger davongekommen. Doch dafür gab es kein grünes Licht. Denn, so der Minister, auch andere europäische Staaten würden Industriekonzernen keine solchen Sicherungen bieten. „Außerdem hoffen wir, dass die Banken mehr Kredite bereitstellen, wenn die Verträge über das staatliche Partizipationskapital geschlossen sind.“ Es gibt aber auch Lichtblicke: Erst diese Woche erhielt eine US-Tochter der Voest einen Rekordauftrag über mehr als 120 Millionen Dollar für die Lieferung von Sitzschienen für den neuen Boeing-Langstrecken-Jet 787 Dreamliner. Die Bereiche Bahnsysteme und Energie sind stabil. „Prinzipiell gefällt das Geschäftsmodell der Voest den Anlegern“, sagt Küng. Gut für die Voest ist auch, dass der Preis für Kokskohle und Eisenerz nach unten geht – und zwar noch mehr als erwartet. Die Stahlproduktion wird günstiger.

Neue Megaaufträge
Dass im September in Oberösterreich gewählt wird, macht die Voest auch zu einem Politikum, obwohl das Unternehmen seit 2003 vollständig in privater Hand ist: Größter Eigentümer ist die Raiffeisenlandesbank OÖ mit 15 Prozent der Anteile. Schon vor fünf Jahren hat SPÖ-Landeschef Erich Haider seinen Wahlkampf mit der Voest geführt. Nun sichert er den Beschäftigten „volle Unterstützung“ zu. „Jetzt müssen im Land Oberösterreich alle zusammenstehen, um Folgen für die Arbeitsplätze zu vermeiden“, tönt Haider. „Arbeitsplatzsicherheit hat Vorrang vor Gewinninteressen.“ Aber: „Um einen Personalabbau wird die Voest nicht herumkommen“, meinen Experten. Im Sommer könnten bereits 11.000 Mitarbeiter kurzarbeiten, räumt selbst Eder ein. Und wenn auch noch der US-Autobauer GM pleitegeht, wird ein noch härterer Preiskampf am Stahlmarkt einsetzen. Es könnte Jahre dauern, bis die stahlharten Zeiten vorbei sind und wieder Normalität einkehrt.

Von Miriam Koch

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