"So tun, als ob man kein Krebsgeschwür, sondern eine Magenverstimmung hätte"

Der Wirtschaftsprofessor Max Otte hat den Crash vorausgesagt. Jetzt warnt er vor Leichen im Keller der Banken und der Unfähigkeit der Politik

FORMAT: Sähe die Welt heute anders aus, wenn die US-Regierung Lehman Brothers gerettet hätte?
Otte: Nein. Wenn das Bankensystem insolvent ist – und so ist es, denn das Eigenkapital unterschreitet dauerhaft die Verbindlichkeiten –, dann hat der Zusammenbruch von Lehman Brothers ja nur diese Tatsache aufgezeigt. Ich finde es gut, dass wenigstens Lehman in die Insolvenz gerutscht ist. Nur so kann man sehen, wie sehr überall sonst manipuliert wird. Sonst hätte das Kartell der Schweiger immer noch die Oberhand.

"Experten finden und schulen"
FORMAT: Sind die Milliarden für die Bankenrettungen denn nicht gut angelegt?
Otte: Wir mussten die Banken retten. Aber wir haben die Krise behandelt, als sei es eine der Liquidität. Dabei ist es eine Krise der Solvenz. Wir gießen immer neues Geld ins System und hoffen, dass so der Kreditkreislauf in Gang kommt. Aber die Sünden der Vergangenheit schlummern in den Bankbilanzen und schaffen Misstrauen. Richtig wäre gewesen: die insolventen Banken abwickeln, die Leichen im Keller entsorgen.
FORMAT: Experten sagen aber, dass niemand in der Lage ist, diese toxischen Papiere zu bewerten.
Otte: Aber man muss doch einmal damit beginnen! Wir haben die Experten noch nicht, weil auch die Wirtschaftsprüfer tief mit drin hängen. Aber man kann sie finden und schulen.

Instrumentalisierungsgefahren
FORMAT: Wie viel Abwertungsbedarf haben die Banken noch?
Otte: Ich halte mich da an Nuriel Roubini: Er geht von einem Abschreibungsbedarf von weiteren 3.000 Milliarden aus. Das Volumen der Derivate betrug 600.000 Milliarden Dollar – mehr als zehnmal das Welt-BIP. Wie viel diese Derivate nun wert sind, weiß niemand: weil keiner weiß, was wirklich drinsteckt. Man müsste einen radikalen Schnitt machen und einen Großteil dieser Papiere einfach abschaffen. Aber das ist politisch nicht möglich.
FORMAT: Ist die Politik für diese Krise gerüstet?
Otte: Nein, natürlich nicht. Aber sie könnte die richtigen Personen anheuern und Gegenkompetenz aufbauen. Es gibt ja Banker mit Sinn für das Gemeinwesen, die da mitmachen würden.
FORMAT: Ist eine Bad Bank, die faule Kredite aufkauft, die Lösung?
Otte: Wenn sie fair bewertet und die Banken nicht beschenkt, dann ja. Aber ich befürchte, dass eine Bad Bank von den Banken instrumentalisiert würde, um frisches Geld zu bekommen und die faulen Papiere loszuwerden.

"Kurze, scharfe Rezession wäre am besten"
FORMAT: Wie geht die Wirtschaftskrise nun weiter?
Otte: Der Crash war vorauszusagen – nun aber muss man in Szenarien denken. Das beste: eine kurze, scharfe Rezession. Das schlechteste: Protektionismus, Massenarbeitslosigkeit, Deflation, Staaten scheren aus dem Euro aus, Staatsbankrotte.
FORMAT: Wie schlimm steht es um Osteuropa?
Otte: Sehr schlimm. Die Osteuropäer haben den Kapitalmarkt voll gefördert, das rächt sich jetzt. Dass sich Leute in Ungarn in Fremdwährung verschulden durften, ist eigentlich ein Wahnsinn. Das trifft Österreich: Von den großen Banken werden wohl nicht alle übrig bleiben.
FORMAT: Was erwarten Sie sich vom G-20-Treffen mit Barack Obama im April?
Otte: Nichts. Man versucht, Beruhigungsmittel zu verabreichen und so zu tun, als ob man kein Krebsgeschwür, sondern eine Magenverstimmung hätte. Die Forderungen sind richtig, aber es wird nichts passieren: Die Umsetzung ist den Staaten überlassen, und damit hat das Rennen um die Deregulierung schon wieder begonnen.

Interview: Corinna Milborn

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