"Null Risiko, dass Österreich pleitegeht": IHS-Direktor Bernhard Felderer im Interview
Der Chef des Staatsschuldenausschusses über die Gefahr eines möglichen Staatsbankrotts.
FORMAT:
Es heißt, jetzt könnten bald Staaten bankrott gehen. Wirklich?
Felderer:
Wir erleben derzeit, dass die Nachfrage der Staaten nach Krediten sprunghaft steigt. Nicht nur durch die Konjunkturpakete, die für sich genommen keine so große Gefahr darstellen. Das Problem sind eher die Staatsgarantien für Banken und Unternehmen.
FORMAT:
Was kann passieren?
Felderer:
Die so gewachsene Kreditnachfrage der Staaten wird zu einem höheren Zinssatz führen. Es stellt sich die Frage, ob Staaten, die jetzt schon eine hohe Schuldenquote haben, dann die Mittel für den stark gestiegenen Zinsendienst noch aufbringen können.
"Ukraine und Rumänien gefährdet"
FORMAT:
Wie bewerten Sie das Risiko, dass Österreich pleitegeht?
Felderer:
Mit null.
FORMAT:
Offenbar sind aber einzelne Oststaaten gefährdet und auch das eine oder andere EU- und Euro-Land.
Felderer:
In Europa gibt es in der Tat gefährdete Länder. Jetzt kommt ja noch Osteuropa. Die Ukraine und Rumänien dürften ernsthaft gefährdet sein. Für alle Länder gilt aber, dass es darauf ankommen wird, wie lange sich die Krise und damit die teuren zusätzlichen Staatsausgaben hinziehen werden.
FORMAT:
Stimmt es, dass Griechenland und Italien ernsthaft straucheln?
Felderer:
Beide sind Problemfälle, die schon jetzt hoch verschuldet sind.
FORMAT:
Was passiert, wenn die Ukraine pleitegeht? Und Griechenland?
Felderer:
Die Frage, ob dem jeweiligen Land geholfen wird, stellt sich eigentlich nicht, denn wenn ein Land zahlungsunfähig wird und man hilft ihm nicht, dann würde es vom internationalen Handel und den internationalen Finanzströmen völlig abgeschnitten. Einen solchen Austausch braucht aber jedes Land, niemand kann mit Bar-Vorauszahlungen das Auslangen finden. Man muss also einem solchen Land helfen, ihm ermöglichen, weiterzuwirtschaften. Es ist davon auszugehen, und die bisherigen Beispiele Island und Ungarn weisen auch in diese Richtung, dass es zu dieser Politik auch in Zukunft keine Alternative geben wird.
"Märkte gehen von Hilfspaketen aus"
FORMAT:
Wer rettet Bankrotteure?
Felderer:
Prinzipiell der IWF. Im Fall von EU-Ländern zusammen mit Brüssel. Die EU hat erklärt, dass sie im Pleitefall nur Mitgliedsländern unter die Arme greift. Im EU-Stabilitätspakt steht zwar ausdrücklich, dass kein Rettungsschirm für bankrotte Mitglieder aufgespannt werden darf, d. h. der sogenannte Bail-out ausgeschlossen wird. Aber die Märkte glauben das nicht wirklich, sie gehen doch von Hilfspaketen aus.
FORMAT:
Griechenland, Rumänien oder Italien würden also von der EU aufgefangen, die Ukraine vom IWF?
Felderer:
EU und Europäische Zentralbank würden im Fall der Pleite eines EU- beziehungsweise Euro-Mitglieds den IWF nur einschalten, wenn wirklich alle Stricke reißen. Da der IWF aber in anderen Teilen der Welt mit der Möglichkeit von Staatspleiten rechnen muss, sollte er auf jeden Fall mit mehr Mitteln ausgestattet werden.
Interview: Liselotte Palme