FORMAT-Krisenbilanz: Sechs Monate nach Lehman ist die Welt nicht mehr dieselbe

11,3 Billionen $ US-Staatshilfe: Verstaatlichungen, Bankenhilfe, Garantien, Hilfe für die Autoindustrie – und ein Mega-Konjunkturpaket: Die Hilfszusagen der USA summieren sich auf 11.300 Milliarden Dollar. 11,7 Billionen $ Börsenverluste: Seit Lehman haben die Weltbörsen im Schnitt die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Schlimmer war das Gemetzel nur noch in Osteuropa, dort verschwanden 60 bis 70 Prozent. 50 Millionen weniger Jobs weltweit: Alleine in China haben durch die Krise 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Job verloren. Bis Ende 2009 wird es weltweit 50 Millionen Arbeitslose mehr geben: ein Plus von 25 Prozent.

Der Tag, der die Grundfesten der Finanzwelt erschütterte, war ein sonniger Spätsommertag vor einem halben Jahr. Die Subprime-Krise hatte zuvor schon etliche Banken in den Abgrund gerissen, doch nun wurde gute Stimmung verbreitet. Am 10. September verkündete Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, das Ende der Finanzkrise sei absehbar. Am 12. September beschlossen die Minister der Eurozone, dass keine Rezession zu erwarten sei. Doch dann kam der 15. September: Eine der fünf großen Investmentbanken der Welt, Lehman Brothers, meldete Insolvenz an. Der schwarze Montag markierte das Ende der Wirtschaftswelt, wie wir sie kannten: Es gibt ein „vor Lehman“ und ein „nach Lehman“.

Finanzhai wird Gärtner
In der Welt nach Lehman gibt es keine Investmentbanken mehr, Verstaatlichungen werden zur Regel, und Finanzhaie schulen auf Gärtner, Lehrer oder Bäcker um. „Nach Lehman“ haben allein die USA schon 11.300 Milliarden Dollar für die Rettung von Banken und Konjunktur bereitgestellt, weltweit werden die staatlichen Budgets überstrapaziert, um die Wirtschaft vor den Auswirkungen der Finanzkrise zu retten. Prognostizierte der IWF vor zwei Jahren für 2009 noch ein schwunghaftes Wachstum von über fünf Prozent, liegt die Prognose global nun bei düsteren 0,9 Prozent.

Neuer Tiefpunkt
Die letzte Woche, knapp sechs Monate nach Lehman, markierte einen neuen Tiefpunkt. Der Dow Jones stand auf knapp über 6.700 Punkten – dem Stand von 1997. Auslöser waren auch diesmal Nachrichten aus der Finanzwelt: Die Citibank wurde teilweise verstaatlicht, 36 Prozent der größten Bank der Welt gehören nun den US-Steuerzahlern. AIG meldete einen Verlust von hundert Milliarden Dollar und bekam wieder eine Staatshilfe in Höhe von 30 Milliarden. Damit ist auch die größte Versicherung der Welt quasi verstaatlicht. Die Royal Bank of Scotland wiederum meldete einen Verlust von 27 Milliarden Euro und gehört nun zu 96 Prozent den britischen Steuerzahlern (was die Bank nicht daran hinderte, ihrem Chef Sir Philip Hampton einen Bonus von 1,5 Millionen Pfund auszuzahlen).

Leichen bleiben im Keller
Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt dort, wo sie begonnen hat: im Bankensystem. Die Banken haben seit Beginn der Krise schon die Hälfte ihres Wertes verloren – ihr Börsenwert ist laut Ernst & Young um 5.500 Milliarden Dollar gefallen. Wurde noch im Frühjahr gefordert, die „Leichen im Keller“ offenzulegen, ist davon nun keine Rede mehr – im Gegenteil: Um weitere Pleiten zu verhindern, wurden die Bilanzregeln gelockert. Der Pferdefuß: Das Misstrauen bleibt. Allein das Volumen der undurchsichtig weiterverkauften Kreditderivate ist höher als das Welt-BIP. Jede größere Firmenpleite kann eine Kettenreaktion auslösen. Die Folge: Die Kredite klemmen weiter, die Realwirtschaft leidet. Erst diese Woche meldete General Motors, dass in Europa 300.000 Arbeitsplätze gefährdet seien, und fordert Staatshilfe – von den Europäern.

Komplettverstaatlichung gefordert
Die Reihe von Ökonomen, die eine komplette Verstaatlichung der Banken fordern, wird immer länger. Nun meint Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: „Die Regierungen haben den Banken Hunderte Milliarden Dollar hinterhergeworfen – ohne nennenswerten Effekt.“ Heute seien die Bürger die Besitzer von einigen der größten Banken, aber sie hätten keine Kontrolle über sie bekommen. „Eine Verstaatlichung ist die einzige Antwort“, meint Stiglitz. Der Ball liegt nun – nach Jahren, in denen der Markt regierte – bei der Politik. „Das ist nicht die Rezession Ihres Vaters oder Großvaters, sondern die Ihres Ururgroßvaters“, meint Nobelpreisträger Paul Krugman. Denn inzwischen vergleicht er die Krise nicht mit der Weltwirtschaftskrise von 1929, sondern mit dem Tiefpunkt nach 1873, der über ein Jahrzehnt anhielt. Und fragt: „Wer soll diesem Abschwung ein Ende setzen?“

Trümmerhaufen Weltwirtschaft
Die Nächsten, die es versuchen, sind die größten 20 Volkswirtschaften der Welt: Am 2. April treffen sich die G-20, erstmals mit Barack Obama, in London. Sie haben die schwere Aufgabe, wieder Vertrauen herzustellen. Sonst bekommen die Apokalyptiker weiter Aufwind – darunter Investoren, denen man so viel Pessimismus gar nicht zutrauen würde. Wie Warren Buffett, der sagt: „Wir sind sicher, dass die Wirtschaft 2009 ein Trümmerhaufen sein wird – und ehrlich gesagt weit darüber hinaus.“

Von Corinna Milborn, Arndt Müller, Silke Pixner

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