Eine Powerfrau für Siemens
Eveline Steinberger-Kern übernimmt im Jänner den Energiesektor bei Siemens Österreich eine Sparte mit 3.500 Mitarbeitern. Porträt eines Energiebündels.
Frauen, die Karriere machen, haben entweder keine Kinder oder einen Mann, dessen Arbeit es erlaubt, auf Events wie Laternenumzüge oder Preisverleihungen beim Sportverein Rücksicht zu nehmen. Ganz selten nur gibt es Ausnahmen. Etwa in Deutschland die Familie Achleitner: Sie ist renommierte Unternehmensberaterin und Wirtschaftsprofessorin; er übernimmt 2012 den Aufsichtsratsvorsitz in der Deutschen Bank und gibt dafür seinen Posten als Allianz-Vorstand auf. Gemeinsam haben sie drei Kinder.
Die österreichische Variante der Achleitners sind wohl die Kerns, auch wenn sie noch deutlich jünger sind: Er ist Chef der ÖBB; sie leitet ab Jänner die Sparte Energie bei Siemens Österreich, gemeinsam haben sie eine Tochter im Kindergartenalter. Es geht sich alles aus, das ist Einteilungssache. Man muss diszipliniert sein, sagt Eveline Steinberger-Kern. Am 9. Jänner tritt die 39-Jährige die Nachfolge von Siemens-Vorstand Gunter Kappacher an. Sie wird im Industriekonzern für 3.500 Mitarbeiter in 19 Ländern und für Themen wie etwa Kraftwerke, erneuerbare Energiequellen und intelligente Netze zuständig sein. Im Verwaltungsrat des Immobilienunternehmens conwert wird sie bleiben, ihr eigenes Unternehmen, Green Minds, wird ruhen.
Offen und durchsetzungsstark
Steinbergers Werdegang ist beeindruckend: Ihr Vater war Facharbeiter bei den ÖBB, die Mutter Hausfrau und Bäuerin. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium in Graz begann sie als kleiner Trainee beim Verbund in Wien. Dort fiel sie nicht nur ihrem späteren Mann Christian Kern, sondern auch Verbund-Vorstand Johann Sereinig auf. Sie ist eine sehr offene, engagierte, willensstarke und durchsetzungsfähige Persönlichkeit. Zudem ist sie fachlich hervorragend qualifiziert, sodass sie bereits in jungen Jahren mit Managementaufgaben betraut werden konnte, erzählt Sereinig.
Besonders beeindruckt hat mich ihre Zielstrebigkeit und Konsequenz, ja oft auch Leidenschaft, mit der sie Projekte umgesetzt hat. 2005 wurde Steinberger Geschäftsführerin der Verbund Austrian Power Sales. Als Christian Kern 2007 in den Verbund-Vorstand aufstieg, verließ sie den Energiekonzern. Wir wollten kein Family Business, sagt Steinberger. Sie wurde Geschäftsführerin des Klimafonds der Bundesregierung. 2010 startete sie als Unternehmerin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Für Kunden wie Spar und Rewe hat sie ein E-Mobilitätskonzept erarbeitet, der Post hat sie geholfen, ein CO2-neutraler Zusteller zu werden.
Eveline Steinberger-Kern hat in ihrer bisherigen Karriere ihre Kompetenzen im Energie- und Umweltbereich klar unter Beweis gestellt. Siemens Österreich ist froh, eine derart hoch qualifizierte Managerin für einen strategisch so bedeutsamen Konzernsektor gewonnen zu haben, sagt Siemens-General Wolfgang Hesoun. Er selbst hat die gebürtige Steirerin angesprochen, ob sie Interesse an der Aufgabe habe. Lange überlegt hat sie nicht. Mein beruflicher Grundsatz ist, wenn man den Wandel liebt, muss man ihn leben. Oder wie es Steve Jobs gesagt hat: Stay hungry, stay foolish, erklärt sie. Die Biografie des 2011 verstorbenen Apple-Gründers ist eines der Bücher, die sie gerade liest. Das nächste wird Wer regiert die Welt? von Ian Morris sein.
Kein Karrierekampf
Lernen fällt mir leicht, auch weil ich gern lerne, sagt die perfekt gekleidete Frau. Auch ihre Diss hat mit Lernen zu tun, darin geht es um Lernpotenziale auf organisatorischer Ebene. Karrieren entstehen nicht am Reißbrett, sagt Steinberger. Erst im Nachhinein würden sich oft die verschiedenen Punkte verknüpfen lassen und das Bild ergeben. Ich muss mich also auf mein Gespür verlassen diese Haltung hat mich bisher nie enttäuscht, erklärt sie. Für ihren Mann war hingegen immer klar, dass Steinberger Karriere macht. Ich finde das gar nicht überraschend, sagt Christian Kern. Einen Wettkampf zwischen den beiden gebe es aber nicht. Wir sind ja keine Geschwister, sondern verheiratet.
Entspannung findet Steinberger beim Wassersport und Laufen. Sie ist eine sehr energetische Person, erzählt ihre Freundin, die Journalistin Barbara Tóth. Wenn man mit ihr Sport macht, merkt man, dass sie als Jugendliche Leistungssport betrieben hat: Da ist eine ganz andere Grundkondition. Das private Leben wird vom beruflichen getrennt, aber ganz geht das nicht immer: Die Tochter weiß schon, was Siemens ist, und freut sich aufs neue Büro der Mama. Aber wenn sie groß ist, will sie nicht Managerin werden, sondern Balletttänzerin.
Miriam Koch