DiTech – Von Hundert auf Null

Nächste Ausfahrt Handelsgericht: Warum die Erfolgsgeschichte des Elektronikhändlers DiTech ein jähes Ende gefunden hat. Und wie die Gründer, ein Vor­zeige-Ehepaar für Unternehmertum, noch einmal die Kurve kriegen wollen.

DiTech – Von Hundert auf Null

Es ist 15.10 Uhr am 10. März, als Damian Izdebski den Notruf absetzt. In einem ungewohnt offenen Brief bekennt der Gründer des Computerhändlers DiTech ein, dass „DiTech saniert werden muss“. Die Vollbremsung beendet eine 15-jährige Erfolgsgeschichte, am Pannenstreifen wartet schon Sanierungsberater Ewald Halbedl, der zuletzt auch bei Sport Eybl die Krisenfeuerwehr machte. Die angespannte finanzielle Lage war seit Herbst 2013 bekannt, ein maues Weihnachtsgeschäft spitzte sie weiter zu. Schwierigkeiten blieben auch den Kunden nicht verborgen, da der Lagerstand seit dem Sommer auf ein Drittel zurückgefahren werden musste, kam es zu Lieferverzögerungen und dementsprechendem Unmut.

„Ich habe Fehler gemacht“, räumt Izdebski in dem Brief ein, und er spricht davon, „dass er sich vom enormen Wachstum habe blenden lassen“. Die Verbindlichkeiten waren laut FirmenCompass von 17,2 auf 22,7 Millionen Euro (2011 auf 2012) gestiegen, davon allein 7,7 Millionen bei Banken. Das Geschäftsjahr 2013 endet erst im März.

Das Auflassen kleinerer Standorte, eine Verkleinerung des Zentrallagers und die Entlassung von 80 Mitarbeitern sollen die ersten Maßnahmen des geplanten Sanierungsverfahrens sein, kündigt Izdebski an. Detailkonzepte und Businesspläne werden dieser Tage erarbeitet, parallel laufen Verhandlungen mit den Erste Bank, Raiffeisen und Bank Austria. Izdebski verhandelt mit einem deutschen Investor mit polnischen Wurzeln über den Einstieg, konkret um einen 51-Prozent-Anteil. Am Freitag geht es zum Handelsgericht, Izdebski ist abgetaucht, um „hochkonzentriert an der Rettung seines Lebenswerks zu arbeiten“, wie man hört. Der passionierte Rennfahrer hat das Visier heruntergeklappt. In der DiTech-Zentrale werden alle Kommunikationsressourcen zusammengezogen, um die Anfragen der verunsicherten Mitarbeiter und Kunden abzuarbeiten. Da muss die Medienarbeit erst einmal warten.

Volkes Stimme

Der Fall DiTech lässt derweil die Emotionen hochgehen, die Postings in den einschlägigen Foren und Netzwerken sind so zahlreich wie sonst nur bei der Vorstellung eines neuen Apple-Produkts. Viele Poster fühlen sich an das Schicksal des Computerhändlers Birg erinnert, der 2006 in die Pleite schlitterte. Auf den ersten Blick ähneln sich die Causen: Manfred Birg (heute Hotelier) begann als Bastler-Geheimtipp und überhob sich mit einer zu raschen Expansion. Damian Izdebski baute sich seinen guten Ruf Ende der 1990er Jahre in der Wiener EDV-Szene auf. In einer Kleinwohnung im 20. Bezirk schraubte er seine Rechner zusammen, Platinen, Prozessoren und Kabel kugelten im Schlafzimmer herum. Die Rechnungen schrieb die heutige Ehefrau Aleksandra, ebenfalls ein polnisches Einwandererkind.

Vom Vater, einem Warschauer HiFi-Händler, hat Damian das „Unternehmer-Gen“ mitbekommen, der Filius brachte perfekte Voraussetzungen mit: technisch versiert, sprühend vor Ideen, extrem schnell in der Umsetzung und mit einem unbändigen Antrieb, sein „eigenes Ding richtig groß zu machen“. Das gelingt ihm dank Co-Pilotin Aleksandra, die ihm organisatorisch den Rücken stärkt und daneben auch noch die zwei Kinder aufzieht. DiTech erzielte am Höhepunkt 20 Millionen Euro Umsatz (2012) – sechsmal größer, als es Birg zuletzt war.

Tempo, Tempo

Izdebski geht so schnell voran wie er spricht, und der Wunsch, dem Quasi-Monopolisten Media-Markt-Saturn die Stirn zu bieten, wird seine ganz persönliche Mission. Die Pressemeldungen aus der zweiten Hälfte der Nuller-Jahre enthalten entweder die Schlüsselworte „Expansion“, „Umsatzwachstum“ oder „Filialeröffnung“. Wird irgendwo ein Einkaufszentrum in guter Lage eröffnet, sichert sich der Händler dort einen Platz – von Kapfenberg bis Wiener Neudorf. Izdebski holt sich von britischen Shopdesignern Ideen für zeitgemäße Verkaufsarchitektur, und will mit Beratung neuen Kundenschichten ins Geschäft holen. Es spricht sich herum, dass man bei DiTech einen Computer nach Maß bekommen kann, ohne sich auskennen zu müssen. In der Schlange bei DiTech stehen bald Bastler, Gamer und daneben die Senioren oder Eltern, die sich für ihre Sprösslinge das erste Schulnotebook holen wollen.

DiTech baut Notebooks und Tischrechner unter eigener Marke, daneben wird die Truppe für das Firmenkundengeschäft aufgestockt. Mobilfunk-Manager Michael Krammer bestellte die Computerausstattung für die Orange-Shops und weite Teile des Hauses bei DiTech, „weil sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hatten und Servicetechniker in ganz Österreich“. Nachsatz: Vor-Ort-Service ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Und: „Einen so gut funktionierenden Webshop hatte damals niemand“, erinnert sich Krammer. Tatsächlich fuhr DiTech über das Internet schon schöne Umsätze ein, als die Media-Markt-Konkurrenz noch nach der Online-Strategie suchte. Von seinem Credo, „das Web muss unsere stärkste Filiale sein“, hat sich Izdebski im Laufe der Zeit leider entfernt. Diesen strategischen Vorteil vernachlässigt zu haben, sehen einige in der Branche heute als einen Kardinalfehler. 2012 war DiTech mit 34,6 Millionen Euro Umsatz die klare Nr. 1 im Web.

Technik aller Art

Izdebski schätzte das Innovationstempo richtig ein, als er vor zwei Jahren meinte, „die Branche erfinde sich alle zwei Jahre neu“. Allerdings waren nicht alle seine Reaktionen darauf folgerichtig. Dem Mobile-Computing-Trend folgte DiTech mit der Aufnahme von Tablet-Computern und Smartphones ins Portfolio. Aber: Hatten Händler bei einem Tischrechner oder Notebook zwischen zehn und 15 Prozent Marge, sind das bei den Tablets oder Smartphones fünf bis zehn Prozent. „Bei diesen Margen noch eine gute Beratung draufzulegen, ist extrem schwer“, beschreibt Günter Neubauer vom Großhändler Omega das Dilemma. Und: „Die Geiz-ist-Geil-Mentalität ist bei Elektronikkäufern noch stärker ausgeprägt als anderswo“. DiTech versuchte den Spagat zwischen Beratung und Billiganbieter. Man machte auf der Geizhals-Website mit, wo sich ausländische Händler minütlich unterbieten. Weil sich DiTech nicht mehr um jeden Preis auf das Dumping einlassen konnte, verlor man viel von der Ur-Kundschaft, konnte in den neuen Filialen aber nicht genug neue heranziehen. 2010 die Apple-Produkte ins Sortiment zu heben, war strategisch geschickt, weil ein Elektronik-Vollsortimenter um diese Marke nicht umhin kann. Als man Ende 2012 auch noch ins Geschäft mit Fernsehern einstieg, wurde es aber problematisch. Der Schritt erfolgte schlicht zu spät. Izdebski stieg in den Markt ein, als der erste große Flat-TV-Bedarf befriedigt war, die Stückzahlen schon nach unten gingen.

Ab 2010 machte DiTech vermehrt abseits der Wirtschaftsberichterstattung Schlagzeilen. Izdebski machte aus seinem Wochenendhobby Rallyefahren ein Sponsoringprojekt und fuhr mit dem DiTech-Rennstall erfolgreich um die Staatsmeisterschaft mit. Bei 230 km/h auf der Schotterpiste konnte der Speedmacher entspannen, und wer sich als Mitarbeiter oder Kunde traute, durfte eine Runde mitfahren. Diese Art der Werbung, die bei der männlichen Kunden gut ankam, kann sich DiTech jetzt nicht mehr leisten.

Society-Parkett

Das Unternehmer-Ehepaar sollte sowieso viel mehr auf die Kontakte hoffen, die es in einem aufreibenden Marathon auf dem Wirtschafts- und Society-Parkett geknüpft hat. Die beiden sind das Trachtenpärchen der Computerszene geworden – und eine personifizierte Erfolgsgeschichte gelungener Integration. Aleksandra Izdebska pilgerte als Integrationsbotschafterin an die Schulen und lebte das Engagement auch als Personalchefin. Sie bot vielen Jugendlichen ohne Perspektive einen Arbeitsplatz. Wer mit den DiTech-Lieferanten spricht, hört immer wieder die ehrliche Bewunderung für den Unternehmergeist und die Hoffnung auf einen Neustart. Samsung-Vertriebschef Martin Wallner atmet tief durch: „Das ist sehr emotional für mich. Jeder Händler, der verschwindet, tut mir weh. Mit dem österreichischen Handel stirbt immer mehr nationale Wertschöpfung. Geht das so weiter, sind wir bald nur mehr ein Amazon.de-Land“.

Wenn nur die Hälfte jener, die jetzt im Internet wehklagen, bei DiTech „neu“ einkaufen, können die Izdebskis langsam wieder beschleunigen – halt mit einem Chief Restructuring Officer als Co-Piloten.

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