Die Welt 2011: Eurokrise, Staatsschulden und geopolitische Spannungen

Sorgen um den Euro und die Staatsschulden der EU-Staaten, ­Spannungen um den Rettungsschirm, ­Zweifel am ­Aufschwung der US-Wirtschaft – die ­Erwartungen für 2011 sind eher gedämpft.

2011 – eine Zahl wie ein Mantra. Ob Spitzenpolitiker, Wirtschaftsweise, Unternehmenslenker oder Börsianer: Wer immer in den vergangenen Monaten gefragt wurde, wann die schwerste Wirtschaftskrise der letzten Dekaden vorbei sei, nannte in der Regel eine Zahl: 2011. Dann sollte alles wieder beim Alten sein. Die Wachstumsraten sollten genauso auf Vorkrisenniveau liegen wie die Unternehmensgewinne und Börsenkurse, die Arbeitslosenzahlen wieder sinken.

In den letzten Monaten ist das 2011er-Mantra verstummt. „Der Weg der Erholung erweist sich als lang, kurvenreich und steinig“, lautet die aktuelle UNO-Diagnose zur Lage der Weltwirtschaft. Zwar prognostizieren die Vereinten Nationen und der Währungsfonds den Volkswirtschaften durchgehend Wachstum, an die Zuwachsraten von 2010 reicht es aber meist nicht heran.

2011 wird also vor allem eines: fragil. Das gilt für die Dauerkrise in der Eurozone genauso wie für die USA. Und dann sind da die Schwellenländer. Noch haben die aufstrebenden Staaten Asiens und Südamerikas, allen voran China, vernünftige Wachstumsraten. Doch um nicht nur von der Nachfrage der Industrieländer abhängig zu sein, muss auch der Binnenkonsum in diesen Ländern selber anziehen.

Wie nachhaltig ist also der Aufschwung der Schwellenländer? Gelingt es der Europäischen Union, die Krisen-Ansteckungsgefahr ihrer Mitglieder einzudämmen und nachhaltig die Währungsunion zu retten? Und kommt das Wirtschaftsschwergewicht USA wieder vom Fleck? So lauten die Leitfragen für 2011.

Die Eurodämmerung  

Erst Griechenland, dann Irland, eventuell Portugal und Spanien, dann vielleicht Belgien und Italien: Die Finanzmärkte setzen unvermindert auf den Fall weiterer EU-Staaten. Das heißt, die Märkte fordern stärkere Signale als den bisher genehmigten 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Zudem sind Experten uneins, ob der für 2013 in Aussicht gestellte permanente Krisenmechanismus der Eurozone nicht bereits zu spät kommt.

Weit entfernt von einstimmigen Lösungen ist auch die europäische Politik. Das zeigt die Debatte über die Euro­anleihen, wie sie Eurogruppen-Chef Jean-­Claude Juncker ins Spiel gebracht hat. Hochverschuldeten Staaten (siehe Grafik oben) sollen die Gemeinschaftsanleihen langfristig die Finanzierung sichern – zum Nachteil solider Staaten wie Österreich oder Deutschland, für die die Finanzierung deutlich teurer würde. Eine Einigung scheint so gut wie ausgeschlossen. „Das ist jetzt noch nicht durchzuset­zen“, sagt auch Ewald Nowotny, Nationalbankgouverneur und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auch der Vorstoß, den Ankauf von Anleihen der Schuldenstaaten durch die EZB auszuweiten, stößt auf Widerstand. Das Programm, das etwa EU-Währungs- und Wirtschaftskommissar Oli Rehn begrüßt, läuft bereits seit Mai dieses Jahres, allerdings in bescheidenem Umfang. Bis dato hat die EZB Schuldtitel im Wert von 70 Milliarden Euro gekauft. Um die Pleiteländer wirklich zu stabilisieren, wäre mehr als das Zwanzigfache nötig, schätzen Experten. Schwer vorstellbar, dass dieser Vorschlag mehrheitsfähig ist, auch weil sich EZB-Präsident Jean-Claude Trichet vehement dagegen wehrt. Die EZB will die Explosion der Geldmenge vermeiden. Auch könnte sich durch die Zukäufe das ­Risiko der Zentralbank erhöhen. Für die EZB könnte nach jüngsten Überlegungen aber der Stabilisierungsfonds (EFSF) einspringen und Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder aufkaufen.

Zu einer Option könnte auch der Vorschlag des IWF-Chefs werden, auch wenn die EU es zurzeit ausschließt: Domi­nique Strauss-Kahn plädiert dafür, rasch das Volumen des bis 2013 befristeten Rettungsschirms zu erhöhen. Schließlich brauchen die Euroländer laut der OeNB allein im kommenden Jahr 924 Milliarden Euro, um fällige Anleihen zu begleichen und ihre Budgetdefizite zu finanzieren. Italien muss 233, Spanien 91 und Griechenland 47 Milliarden Euro aufstellen. Um dem Markt wirklich Sicherheit zu geben, müsste das Volumen des Rettungsschirms auf 1,5 Billionen Euro verdoppelt werden, schätzen Ökonomen.

Hält die Währungsunion?

Vor allem Deutschland kann diesem Plan als größter Nettozahler wenig abgewinnen – auch daran zeigt sich, wie sehr die aktuelle Krise Europa entzweit hat. Dabei wäre es gerade an Deutschland, Flagge zu ­zeigen, findet Heiner Flassbeck, Chef­ökonom der UN-Organisation für Handel und Entwicklung: „Jetzt geht es darum, die Wettbewerbslücke auszuglei­chen, die Deutschland durch jahrelanges Lohndumping erwirtschaftet hat.“ Die deutschen Unternehmen sollten sich zu massiven Lohnsteigerungen motivieren lassen und so ihren Leistungsbilanz­überschuss ausgleichen – ein provokan­ter Kontrapunkt zu den radikalen Spar­pake­ten, die sich quer durch Europa ziehen. Diese verhindern dem UN-Experten ­zufolge nicht nur eine nachhaltige Erho­lung, sondern führen unweigerlich in eine große Deflation à la Japan. Flassbeck: „Wir sparen uns zu Tode.“

Jede europäische Einigung wird weitere Transferzahlungen zwischen den stabilen und den instabilen Staaten zur Folge haben. Sollte das nicht funktionieren, könnte die Eurozone sogar zerbrechen. Das hält zumindest der Ökonom und Autor („Der Crash kommt“) Max Otte für möglich. Er plädiert für eine europäische Kernzone aus zumindest Deutschland, Österreich und den Niederlanden. „Die finanzschwachen Randstaaten sollten freigelassen werden, könnten abwerten und so ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder steigern“, so Ottes Vorschlag. Diesen schmerzhaften Prozess will er mit Überbrückungskrediten aus der Kernzone mildern: „Derartige Kredite zahlen wir ja auch in der aktuellen Transferunion.“

So laut die Möglichkeiten eines harten „Nord-Euro“ und weichen „Süd-Euro“ auch diskutiert werden: Wahrscheinlich ist das Zerbrechen der Währungsunion im kommenden Jahr nicht. „Zu teuer für alle Beteiligten“, warnt etwa Nowotny.
Die aktuelle Schuldenkrise der europäischen Staaten hat aber den grund­legenden Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion aufgedeckt: Ihr fehlt die gemeinsame Wirtschaftspolitik. Ein Umstand, der vor allem die Südländer dazu animiert hat, weit über ihre Verhältnisse zu leben und gigantische Schuldenberge anzuhäufen, ohne weitreichende Konsequenzen fürchten zu müssen. Diese sind ebenso wenig vorgesehen wie ein Ausschluss aus der Währungsunion.

Alle diese Ausstiegsszenarien werden jetzt zum Thema – notgedrungen. Erst vor wenigen Monaten aber wurde der Vertrag von Lissabon ratifiziert, der notwendige permanente Krisenmechanismus wird bereits erste Vertragszusätze erfordern. Wie lange es dauert, bis sich die EU-Staaten auf eine Wirtschaftsregierung einigen, die Durchgriffsrechte auf nationale Budgets hat, steht in den Sternen.

USA am Scheideweg. Eine Schuldenkrise wird 2011 aber nicht nur die Euro­päische Union beschäftigen, sondern auch die nach wie vor größte Volkswirtschaft der Welt: die USA. Der befürchte­te Double-Dip, eine zweite Rezession, scheint zwar abgewendet. Mit einer von der OECD für 2011 nach unten korrigierten Wachstumsprognose von 2,3 Prozent kann aber von einem echten Aufschwung keine Rede sein. Die expansive Geldpolitik der US-Notenbank Fed und der Rückkauf von Staatsanleihen haben zwar dazu beigetragen, den Dollarkurs niedrig zu halten. Die Wirtschaft beflügelt haben sie aber nicht.

Zudem ist die Staatsverschuldung mit 62 Prozent des ­Bruttoinlandsprodukts fast doppelt so hoch wie 2007. Der Währungsfonds rechnet damit, dass sie 2011 nur knapp unter der Hundert-Prozent-Marke bleibt. Die Schulden engen jeden weiteren politischen Spielraum der Regierung Obama entschieden ein – und das gerade 2011, wenn die meisten Konjunkturprogramme zur Ankurbelung der US-Wirtschaft auslaufen, die Arbeits­losigkeit aber anhaltend hoch bleibt. „Langfristig muss das US-Budget konsolidiert werden, sowohl über Einsparun­gen als auch über Steuererhöhungen“, sagt Nils Jannsen vom Kieler Institut für Volkswirtschaft, „noch vertraut der Markt aber auf die USA.“

Dennoch: Vor allem die ­Verschuldung der Kommunen und von Quasi-Pleite-Staaten wie Kalifornien dürften den USA im kommenden Jahr das Leben schwer machen. Die Zinsen für Staatsanleihen steigen bereits. Und die Rating­agenturen Moody’s und Fitch schließen eine Herabstufung der Bonität der USA nicht mehr aus.

Neue Weltordnung

Wenn Amerika hustet, wird die Welt krank, hieß es früher. „Tendenziell geht die Bedeutung der USA für die globalen Märkte aber zurück“, sagt Jannsen – zugunsten der Schwellenländer. Künftig werden sie es sein, an denen das Wohl der Weltwirtschaft hängt.

Martina Bachler, Arndt Müller

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