Die Gier der Nationalbank-Luxusrentner
Nationalbank-Pensionisten kämpfen vor Gericht um ihre Privilegien. Die FORMAT exklusiv vorliegende Klagsschrift liefert Zündstoff für die Pensionsdebatte. Die zehn Spitzenpensionisten der Nationalbank erhalten jährlich gemeinsam eine Pension von über 3,2 Millionen Euro

Sie ist wieder da: Die Diskussion über die Superpensionen der Nationalbank (OeNB). Früher war es Ex-FPÖ/BZÖ-Obmann Jörg Haider ("Die leben ja wie im Schlaraffenland), der den Privilegienstadl am Otto Wagner-Platz 3 regelmäßig geißelte. Seine "Taferln aus TV-Duellen der Neunzigerjahre, die das "Bonzentum anprangerten, sind legendär.
Fünf Jahre nach Haiders Tod dreht sich wieder alles um die wahnwitzigen Sonderrechte. Doch diesmal sind die Nationalbanker selber Schuld an der öffentlichen Diskussion. Denn deren Zentralbetriebsrat hat Mitte Oktober eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht eingebracht, die nun für gehörigen Wirbel sorgt. Geklagt werden OeNB und die Republik Österreich. Der Streit dreht sich um eine gesetzliche Solidarabgabe von 3,3 Prozent der monatlichen Pensionen, die die Notenbank seit Jahresbeginn an den Staat als OeNB-Alleineigentümer abführt. Der Miniteil wird einfach einbehalten.
Das regt viele wohlbestallte Pensionsfürsten auf, wie ein Blick in die FORMAT exklusiv vorliegende Klagsschrift beweist. Das 204 Seiten starke Papier nennt nicht nur die 1.394 Kläger, sondern listet deren monatlichen Solidarbeitrag penibel auf, den sie nun zurückfordern. Laut Klage existieren zwei Klägergruppen: Nämlich 972 Pensionsten und 422 Aktive, also OeNB-Mitarbeiter mit Altverträgen.
Seit Einbringung der OeNB-Klage empören sich renommierte Pensions-und Sozialexperten sowie der Rechnungshof über die Gier der Luxusrentner. Ein brisanter RH-Rohbericht zu den OeNB-Pensionen - Auszüge liegen FORMAT vor - liefert weiteren Zündstoff. Zudem sind die Pensionen ein wichtiges Thema in den laufenden Koalitionsverhandlungen. Der Grundtenor: In der akuten Pensionsdebatte sind auch traditionelle Schutzgebiete à la Notenbank nicht mehr tabu.
Die Prinzipienreiter
Eine Datenanalyse der OeNB-Klage liefert jedenfalls verblüffende Neuigkeiten. So wird die Revolte im Pensionsparadies ausgerechnet von zwei Männern mitgetragen, die die Republik-eigene Banken-ÖIAG Fimbag managen: Ex-OeNB-Präsident Adolf Wala und Ex-Münze-Chef Dietmar Spranz. Gemeinsam mit dem 91-jährigen Ex-Notenbank-Generaldirektor Heinrich Kienzl (Monatspension: 30.157,58 Euro) führen sie die Liste der Spitzenpensionisten an.
"Das hat nichts mit materiellen Forderungen zu tun, so Spranz: "Ich fühle mich verpflichtet, mich mit den betroffenen Kollegen aus verschiedenen Hierarchieebenen, solidarisch zu zeigen. OeNB-Zentralbetriebsratschef Robert Kocmich im FORMAT-Interview: "Für uns ist das ein verfassungswidriger Eingriff auf privatrechtliche Ansprüche, der potenziell irgendwann jeden Bürger treffen kann. Darum gehen wir dagegen vor. Adolf Wala, 76, sagt: "Es geht ums Prinzip.
Konkret ist der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gemeint. Zitat aus der OeNB-Klage: "Arbeitnehmer anderer Arbeitgeber im privaten und halböffentlichen Bereich, die (...) eine ähnlich konzipierte Direktpension haben, sind nicht von einer derartigen Zahlung von Pensionssicherungsbeiträgen betroffen. Auch Rentner von ORF, ÖBB oder den Sozialversicherungsanstalten verfügen über üppige Dino-Pensionen. Fette Rentenverträge besitzen auch Ex-Mitarbeiter von Pleitebanken, wie Kommunalkredit oder Volksbanken AG, und der Kammern. Auch ihnen geht es nun an den Kragen.
In der Nationalbank schaut das kritisierte System so aus: Mitarbeiter mit Altverträgen können nach 35 Dienstjahren im Alter von 55 in den Ruhestand treten und erhalten danach 80 oder 85 Prozent des Letztbezugs als Pension. Alle ab 1. Mai 1998 angestellten Personen unterliegen einem Pensionskassenmodell. Trotz zahlreicher Reformen bleibt das "alte System teuer, wie der Rechnungshof im Rohbericht feststellt. Demnach sitzt die Notenbank auf rund zwei Milliarden Euro Vermögen, das zur Abdeckung von Altverträgen dient. Doch diese "Pensionsreserve ist nicht eingefroren, sondern wächst jährlich: 2012 summierten sich die Pensionsaufwendungen auf 113,8 Millionen Euro. Darin sind "Pensionsaufwendungen für 14 pensionierte Direktoriumsmitglieder bzw. deren Hinterbliebene von 4,1 Millionen Euro enthalten. Konsequent: Die Ex-Direktoren haben sich der Sammelklage angeschlossen.
"Die Klage des Notenbank-Betriebsrats ist erwartbar, aber schamlos, befindet der Sozialforscher Bernd Marin. "Die Nationalbanker haben offenbar das Gefühl, das Geld der OeNB gehört den Mitarbeitern und geht die Steuerzahler nichts an. Sie sind aus seiner Sicht "selbstgerecht bei der Selbstbedienung. Ein Bauarbeiter, der einen Euro ins Pensionssystem einzahle, erhalte oft nicht einmal einen Euro zurück, während ein Notenbanker für jeden Euro fast vier zurückbekomme. "Daher wären selbst viel weniger bescheidene Pensionssicherungsbeiträge von ihnen mehr als legitim, so Marin. OeNB-Betriebsrat Kocmich kontert: "Klein- und Zuschusspensionisten fehlt der Abzug sehr wohl.
Tatsächlich existiert eine Schieflage zum System der Allgemeinen Sozialversicherung (ASVG). In der FORMAT-Analyse wurden die Pensionsdaten der klagenden Notenbanker mit ASVG-Zahlen verglichen. Von 1.394 Klägern kassieren lediglich 302 weniger als die ASVG-Höchstpension von 3.034,16 Euro -von den 422 aktiven OeNB-Klägern liegen gar nur zehn Personen darunter. Mehr als 1.000 Notenbanker erhalten somit mehr Geld als ein ASVG-Toprentner. Eine Detailanalyse ergibt, dass 228 Kläger um ihre monatliche Pension von mehr als 7.500 Euro kämpfen und davon 144 Personen um mehr als 9.000 Euro. Besonders krass ist die Gegenüberstellung der Durchschnittpensionen: Im ASVG-System liegt sie bei 1.009,62 Euro und bei den Notenbankern bei rund 5.000 Euro.
"Einen Schutz wohlerworbener Rechte gibt es nicht, schon gar nicht, wenn es sich nicht um Geld handelt, das man selbst einbezahlt hat, meint Pensionsexperte Wolfgang Mazal. Damit könnten die Notenbanker vor Gericht nicht argumentieren. Wohl aber mit dem Vertrauensschutz: "Ein Eingriff muss maßvoll sein, sagt Mazal. Das heißt, Verluste für die Einzelnen sollen nicht zu hoch ausfallen und nicht aus heiterem Himmel kommen. Der 3,3 Prozent Solidarbeitrag wäre demnach okay. Aber wenn schon bei verhältnismäßig kleinen Eingriffen große Klagen folgen, ist dann eine Reform der Sonderpensionen überhaupt möglich? "Das ist nur eine Frage des Mutes und der Rollenverteilung, argumentiert Mazal. Besonders schwierig sei es, wenn die Unternehmensleitung mit der Personalvertretung, mit der sie sonst zusammenarbeiten muss, solche Einschnitte verhandelt. "Daher wäre es hier Aufgabe der Politik sich einzubringen, es geht ja um öffentliche Gelder. Und wenn ein System entgleist, dann muss die Politik zur Tat schreiten. Bei der Notenbank wäre es höchste Zeit.
Im Visier des Rechnungshofs
"Es geht um Leistungs- und Beitragsgerechtigkeit, sagt RH-Präsident Josef Moser. "Dass bestimmte Gruppen besondere Rechte genießen, ist nicht rechtzufertigen und muss unbedingt umgestellt werden. Wenn Bereiche wie OeNB, Sozialversicherungen oder manche Bundesländer Sonderkonditionen für Rentner bieten, widerspreche das der Generationengerechtigkeit. Moser: "Man glaubt, dass man sich drüberschummeln und zu Lasten anderer leben kann. Der RH wird die Rentnerparadiese der Arbeiter- und Wirtschaftskammer sowie der Bundesbahnen demnächst prüfen, so Moser. Einschnitte seien immer möglich, "vor allem, wenn die Finanzierbarkeit des Systems leidet.
Der Ruf nach Sondersteuern auf Superpensionen wird daher immer lauter. Sozialexperte Mazal hält das im staatsnahen Bereich bei Verträgen mit Direktzusagen von bis zu 85 Prozent des Letztbezugs für möglich: "Eine Kürzung um 20 Prozent binnen fünf Jahren hat der Verfassungsgerichtshof Anfang der 90er Jahre für zulässig erklärt. Dass in Österreich bei der Luxuspensionsreform nichts weitergehe, hat aus Marins Sicht einen simplen Grund: Überwiegend beamtete Parlamentarier, Sozialpartner und Sozialversicherer machen in dieser Frage die Mauer. Meist hätten die Reformverhandler selbst Zusagen in Millionenhöhe zu verlieren. Wenn Bürger anfangen zu protestieren, dass mit ihren Steuern, SV- und AK-Beiträgen hohe Sonderpensionen bezahlt werden, dann könne es sehr rasch zu Änderungen kommen.
Experte Marin: "Das Privilegiensystem steht an der Kippe, jetzt haben viele noch ihre Faust in der Tasche geballt, aber das kann sich rasch ändern.