Böse Banker, brave Banker

Der Beginn der Finanzkrise war das Ende der "Master of the Universe“. Kein anderer Beruf hat so stark an Vertrauen verloren und an Glamour eingebüßt wie jener des Bankers. Besserung wurde gelobt. Aber auch gehalten?

Böse Banker, brave Banker

Kennen Sie den schon? Ein Investmentbanker hat vor lauter Eile sein Handy verloren. Auf der Straße spricht er einen Passanten an: "Entschuldigen Sie bitte, aber würden Sie mir eventuell 20 Cents geben, damit ich einen Freund anrufen kann?“ Der Passant gibt ihm 40 Cents und sagt: "Jetzt können Sie sogar alle ihre Freunde anrufen.“ Oder den? Auf der Klotür eines großen Instituts sind alle Sprüche mit einem einzigen übermalt: "Freuen Sie sich, in dieser Bank sind Sie momentan der einzige, der weiß, was er tut.“

Witze wie diese werden über viele Berufsgruppen gemacht, doch für Banker sind sie relativ neu. "Bei jedem Abendessen muss man auch jetzt noch damit rechnen, das so etwas erzählt wird, ich nehm‘s aber nicht persönlich“, sagt etwa Constantin Veyder-Malberg, Vorstand der Grazer Capital Bank.

Seit vor fünf Jahren mit dem Zusammenbruch des US-Investmenthauses Lehman Brothers die nach wie vor spürbare Krise begann, ist das Ansehen von Bankern rapide gesunken. Keine andere Branche hat so stark an Respekt und Vertrauen verloren. Zwischenzeitlich waren sogar Gebrauchtwarenhändler und Prostituierte gesellschaftlich mehr anerkannt, während die einstigen "Masters of the Universe“ gegeißelt werden: für ihre Geldgier, die Größe ihrer Häuser und ihren Geiz, wenn es um gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein geht.

Von den Witzen, die über sie kursieren, sind die oben genannten die am wenigsten makabren, "Abzocker“ klingt im Vergleich zu anderen Schmähnamen fast schon nett. Ein bedeutender, lange glitzernder Berufsstand macht also lauter neue Erfahrungen. Oberflächlich ist auch die Politik von den Bankern abgerückt, die sich früher gerne mit den Erfolgreichen schmückte. Sie hatte schließlich einen Schuldigen für die ganze Misere gefunden - oder wie es der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt 2011 schrieb: "Der Investmentbanker ist nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat“.

Seither haben wir versucht, dort wieder herauszukommen - mit Milliarden an Staatshilfen und Zentralbank-Billionen. Mittlerweile hat sich zwar herumgesprochen, dass nicht nur "böse Banker“ diesen Zusammenbruch zu verantworten haben, sondern auch die Politik, die ihn ermöglichte. In Zukunft soll sowieso alles anders werden: Härtere Regeln sollen zum Maßhalten zwingen, schärfere Kontrollen alle Risiken aufdecken, und Banken schlussendlich wieder der Wirtschaft dienen, und nicht sich selbst.

Doch während einige Institute sogar schon mit neu gefundener Ethik und Moral werben, stellt sich die Frage: Wird all das reichen? Hat die Branche tatsächlich Buße getan? Kann sie sich neu erfinden?

Zwischen Genie und Gauner

Als der Welt-Bankenverband IIF Mitte Oktober zu seinem jährlichen Haupttreffen in Washington zusammenkommt, sieht das nicht nach einem Stand aus, der mit sich selbst ringt. Es herrscht Normalität. Im Vertrauen darauf, von der Politik gehört zu werden, treten die Top-Shots der Finanzwelt als Warner auf: Niemand könne abschätzen, was passiert, wenn die USA die Schuldengrenze nicht anheben. Jamie Dimon, Chef von JP Morgan, fordert: "Wir haben es fast geschafft. Lasst uns bitte kein Eigentor schießen“.

Das kommt überraschend. Wie viele schillernde Figuren der Finanzbranche hat sich auch Dimon in den vergangenen Monaten mit Wortmeldungen eher zurückgehalten. Der Grund: Gegen JP Morgan, die systemrelevante, größte Bank der Welt, wurde wegen einer Vielzahl von Verkaufstricks ermittelt. Wenige Tage nach dem Kongress hat sie sich mit den Behörden auf eine Strafzahlung geeinigt: 13 Milliarden US-Dollar. Rekord.

Wer glaubt, dass sich in einer neuen Bankenwelt derartig abgestrafte Manager mit einem gehauchten "mea culpa“ auf ihre Luxusanwesen zurückziehen, irrt. In Österreich lässt sich die Politik zwar gerade nicht mehr so gerne mit den Bankdirektoren fotografieren wie früher, am Image von Dimon - "Iron Man“ genannt - kratzt das Urteil aber nicht. Die Investoren halten ihm die Treue, auch ins Weiße Haus wird er wieder geladen.

Kaum Aufarbeitung

"Für die breite Öffentlichkeit ist das alles nicht nachvollziehbar, das verlorene Vertrauen lässt sich lange nicht wettmachen“, sagt der Branchenexperte Wolfgang Gerke. Erst langsam rollt die Aufarbeitung der Krise an, die besser erklären soll, wie es dazu gekommen ist. Sie beschäftigt Künstler (siehe Veiel Interview ), wie Gerichte. Im Skandal um die Manipulation des Libor-Zinssatzes fallen Urteile, gegen andere Banken wird wegen Geldwäsche ermittelt. Viele große Institute legen Unsummen für Prozesse weg. Bei der Deutschen Bank, die sich vor wenigen Wochen auch eine neuen "Code of Conduct“ verschrieben hat, drückt das den Gewinn. Und Österreich wiederum ist dabei, das Debakel um die Hypo Alpe Adria Bank in den Griff zu bekommen.

"Solche Fälle haben natürlich auch andere Banken in Geiselhaft genommen, die gar nichts Großes falsch gemacht haben“, sagt Gerke. Auch Notenbank-Gouverneur Ewald Novotny weist im Interview darauf hin, dass etwa das Image der "Hausbank“ trotz allem noch gut ist und Menschen hier differenzieren. Fälle wie die Hypo zeigen aber auch, dass sich Gier und fragwürdiges Geschäftsgebahren nicht auf die Wall Street, die Londoner City oder Frankfurt beschränken müssen. Die Zockerkultur, die man mit den dortigen Superstars verband, hat sich Anfang der Nullerjahre auch in kleineren Häusern Raum geschaffen. Oder in Landesregierungen.

Gier ist gut - getarnt

Rund um die Welt strömten damals Absolventen sämtlicher Studienreichtungen in die Finanz. Heute nennt man diese Entwicklung eine "Fehlallokation“. Hohe Boni lockten, das schnelle Geld und die Gewissheit, zu den Schlauesten der Welt zu zählen. Dass damit hohe Risiken verbunden waren, machte das Spiel, das Züge von Sucht und Rausch mit sich bringen kann, für viele noch spannender. Mehr als zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen wirkt der Film "Wall Street“ immer noch nach: Die "Gier-ist-gut“-Rede der Hauptfigur Gordon Gecko können Banker, die international erfolgreich sein wollen, mitunter auch jetzt noch auswendig. Sie würden sie heute nur eher für sich behalten.

"Mit Zockermentalität prahlt man nicht mehr“, sagt Werner Gross. Der Psychotherapeut und Coach hat seine Ordination in Offenbach, gerade weit genug weg von Frankfurt. Nach Ausbruch der Krise haben vermehrt Banker seine Hilfe gesucht, heute ist der Ansturm abgeklungen. Dass sich die Branche groß gewandelt habe, kann Gross nicht beobachten. Die Mentalität sei die gleiche - und das sei auch nicht verwunderlich. Selbstzügelung greift bei Investmentbankern nicht, sie ticken einfach anders. Auch in London gelten dieselben Insignien wie vor der Krise, obwohl Banker nach außen hin bescheidener auftreten. "Die Bankenkultur hat sich wenig geändert, weil ihre Strukturen gleich geblieben sind“, sagt ein mit der Szene vertrauter Finanzjournalist. Allerdings sei der Frust oft groß: Der Druck auf Banker hat zugenommen, der Lohn dafür aber nicht. Was Banker zum Therapeuten treibt, sind daher weder Reue noch Gewissen. Gross: "Im Vordergrund steht oft die Angst. Davor, den Job überhaupt schaffen zu können. Davor, bei der nächsten Kündigungswelle rauszufallen“.

Kaum Machteinbußen

Die Finanzbranche hat - oft von viel Häme begleitet - in den vergangenen Jahren weltweit über Hunderttausend Stellen verloren. In den Instituten wird viel von "zurück zum Kerngeschäft“ gesprochen. Für manche Banker klingt das langweilig. Große Häuser befürchten, für den Nachwuchs, der international ohnehin gerade an Interesse verliert, nicht mehr attraktiv zu sein. Andere sagen, sie seien sogar froh, "diese Leute“ nicht mehr anzuziehen. Auf Dauer sei das besser fürs Geschäft.

Der Jobkahlschlag und das ramponierte Image sollten aber nicht über die intakte Macht der Banken hinwegtäuschen: Die Anzahl der Lobbyisten in Brüssel hat etwa seit Ausbruch der Krise rasant zugenommen. Als Griechenland vorm Bankrott stand und einigen Banken große Abschreibungen drohten, saß Josef Ackermann als Chef des Weltbankenverbandes bei den Verhandlungen um EU-Hilfspakete mit am Tisch. Und immer noch gibt es das "Too big to fail“-Phänomen. "Weltweit gelten 28 Banken als systemrelevant, im Ernstfall werden sie von Staaten Geld fordern“, sagt Greg Ford, Sprecher der NGO Finance Watch.

Noch ist von den großen Veränderungen des Sektors und des Berufsbilds Banker wenig zu sehen. Vielfach herrschen dieselben Manager. Manche warnen davor, dass die vielen Bankenregulierungen zu Blasen in anderen Bereichen führen könnten. Das wäre fatal, hätte aber für Banker etwas Gutes: Neue Witze.

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