Brand- und Flagship-Stores: Handel in Händen der Hersteller
Am Samstag, dem 24. Februar wird in Wien der erste Apple-Store Österreichs eröffnet. Apple ist der nächste internationale Markenartikel-Hersteller, der auch in Österreich auf eigene Shops setzt. Die Hintergründe und wie der Handel darauf reagiert.
Der Apple Store an der Wiener Kärntner Straße
Eigene Shops gehören für viele Markenartikelhersteller schon seit längerem zur Kür. In den zumeist in besten Innenstadt-Lagen gelegenen Flagship-Stores haben sie die ideale Möglichkeit, ihre eigene Produktwelt zu präsentieren, ohne dass einen Regalmeter weiter das vielleicht nicht minder interessante Produkt eines Mitbewerbers liegen würde.
Nespresso Kaffeekapseln gibt es etwa nahezu ausschließlich in eigenen Stores, Sportartikelhersteller wie Adidas, Puma oder Nike haben diesen Verkaufskanal ebenso längst für sich entdeckt, der E-Auto-Hersteller Tesla setzt darauf, Swarovski, Möbelhersteller wie Team 7 - die Liste ließe sich lange weiterführen.
Und natürlich Apple. Der kalifornische Elektronik-Konzern war einer der Vorreiter und hat die Kraft der eigenen Stores längst für sich erkannt. Der im Jahr 2006 eröffnete, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr geöffnete Apple Store an der Fith Avenue in New York City mit dem markanten, weithin sichtbaren, knapp zehn Meter hohen Glas-Würfel war nicht nur für den Firmengründer Steve Jobs ein Meilenstein, sondern wurde zu einem touristischen Hotspot im Big Apple.
Knapp zwölf Jahre nach der Eröffnung des New Yorker Flagship-Stores folgt nun der erste Apple-Store in Österreich. Am Samstag, den 24. Februar 2018 wird der insgesamt 501. Apple Store der Welt und der 112. in Europa an der Wiener Kärntner Straße eröffnet.
Omni-Channel: Nur nichts auslassen
Warum setzen die Markenartikelhersteller auf kostspielige, eigene Stores? Ist ihnen der der klassische Handel, mit dem sie jahrzehntelang kooperiert haben, nicht mehr genug? Warum nehmen sie die enormen Kosten, die mit Geschäften in Top-City-Lagen und der Beschäftigung eines eigenen Verkaufspersonals auf sich? Zumal diese, wie Rainer Will, der Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbands im trend-Interview betont, oft ein Verlustgeschäft sind?
Es gilt das Schlagwort "Omni-Channel": Die Konsumenten an allen nur erdenklichen Punkten abholen, ihnen überall das beste Einkaufserlebnis bieten. "Der eigene Einzelhandel - stationär und online - bildet neben dem Großhandel und den Franchise-Geschäften weiterhin einen wichtigen Bestandteil der Vertriebsstrategie", erklärt Adidas-Sprecherin Mandy Nieber. Die eigenen Einzelhandelsgeschäfte seien allerdings ein wichtiger, zusätzlicher Verkaufspunkt, der den Konsumenten bezüglich Markenauftritt und Markenerlebnis begeistern soll.
Die Flagship-Stores setzen dabei neue Maßstäbe in Bezug auf Präsentation, Umsetzung und Service. Im weltweit größten Adidas-Store an der 5th Avenue in New York, „adidas NYC“ erhalten zum Beispiel exklusiven Zugriff auf begehrte, innovative Produkte und limitierte Editionen. Darüber hinaus können dort Kunden von speziellen Services profitieren wie Live-Übertragungen von Spielen, Speaker Series mit Athleten, Trainern und Influencern, Ernährungsberatung oder persönliche Fitnessberatung.
Neben eigenen physischen Geschäften setzt Adidas auch online auf einen starken, eigenen Brand-Store. "eCommerce ist schon heute unser am schnellsten wachsender Vertriebskanal", erklärt Nieber. Bis zum Jahr 2020 soll der über die eigenen Plattformen generierte Umsatz auf vier Milliarden Euro steigern.
Dahinter steht natürlich auch die alles beherrschende Digitalisierung, die den eCommerce weiter ankurbelt und den Sportartikelmarkt umkrempelt. Dennoch sollte sich der klassische Sportartikelhandel keine Sorgen machen, denn unabhängig davon will Adidas weiterhin eng mit allen Handelspartnern zusammenarbeiten. "Damit wir auch mit ihnen stetiges Wachstum erzielen und gemeinsam dem Konsumenten ein positives Markenerlebnis bieten können", erklärt Nieber.
Schauraum und Werkstatt
Und wie sieht es bei Apple aus? Online hat Apple mit dem eigenen Store ohnehin schon seit einer gefühlten Ewigkeit das Geschäft weltweit kontrolliert. Doch auch im stationären nimmt der Konzern das Heft immer stärker in die Hand.
Dabei gibt es bei Adidas den Ansatz, den Kunden ein Rundum-Erlebnis zu den eigenen Produkten zu bieten. Gemäß dem von Angla Ahrendts, der bei dem kalifornischen High-Tech-Giganten Hauptverantwortlichen für den Verkauf (Senior Vice President of Retail), weiterentwickelten Shop-Konzept, soll auch der Wiener Shop mehr als nur ein Geschäft sein, in dem Produkte über den Ladentisch wandern. Obwohl der Verkauf und daraus generierte Einnahmen natürlich bei den enormen Kosten - neben der Miete sind das vor allem die Personalkosten für die 154 Mitarbeiter - kein unerwünschter Nebeneffekt sind. Für Businesskunden hat Apple zum Beispiel einen eigenen Boardroom eingerichtet, in dem hinter verschlossenen Türen ganz diskret Geschäfte abgewickelt werden können.
Kostenlose Today-at-Apple-Sessions, die den Kunden den kreativen Umgang mit Apple-Produkten erklären sollen, gehören daher ebenso zum Programm des Apple-Stores wie Workshops für Kinder, "Summer Camps" oder "Field Trips" oder Inside-Sessions für App-Entwickler.
Ansonsten steht das Schauen, Erleben und Angreifen im Vordergrund: Man wird nicht nur Produkt-Dummies ausstellen, sondern funktionierende, vernetzte Geräte bereitstellen, an die die Besucher selbst Hand anlegen können. Und klarerweise auch Steckdosen, um eigene Smartphones & Co wieder aufladen zu können.
Abwartender Handel
Angestammte Händler McShark/Haai oder Ketten wie Mediamarkt/Saturn sehen der Eröffnung indessen mit gemischten Gefühlen entgegen. Pera Jovicki, Geschäftsführer von McShark/Haai, betreibt 16 Filialen, sechs davon in Wien. Er hofft auf belebende Wirkung: „Durch den Austausch mit Händlern im Ausland wissen wir, dass eine Koexistenz auch in unmittelbarer Nähe funktionieren kann.“
Wenige Tage vor der Eröffnung schaltete Saturn halbseitige Inserate und wies auf seine „einzigartige Apple-Welt“ im Kaufhaus Gerngross an der Mariahilfer Straße hin.
Tatsächlich ist Apple ein strenger Partner, wie ein Insider erzählt: Der Konzern schreibt bis ins kleinste Detail vor, wie die Ware zu präsentieren und zu bewerben ist. Händler bekommen die Produkte gerade einmal sieben bis neun Prozent billiger als laut Listenpreis und müssen viel investieren, um eine Geräteauswahl vorhalten zu können, wie es sie im Apple Store geben wird.
Tröstlich bei so geringen Margen ist nur der Umstand, dass Apple-Kunden keine Rabattschlachten kennen. Jovicki sagt diplomatisch: „Unsere Stärke sehen wir nicht beim Preis, sondern in Beratung und Service.“ Will heißen: Verdient wird etwa mit Zubehör. Selbstredend hat auch die Apple-Handelsparte ihren steuerschonenden Sitz im irischen Cork.
Das Verhältnis zwischen Apple und den Händlern könnte jedoch bald weiter auf die Probe gestellt werden, denn auch in Österreich wird bereits Personal für weitere Standorte gesucht. Was die Gerüchte nährt: Salzburg und Graz stehen laut Branchendienst heise.de im Apple-Visier.