Bohren für die Energiewende
Ein Kraftwerk, das im Bauch eines Berges verschwindet: Das Projekt „Kühtai 2“ in Tirol ist eines der spektakulärsten Bauprojekte Europas – und ein zentraler Beitrag zur Energiewende. Gefragt ist dafür das Tunnelbau-Know-how von SWIETELSKY.
TUNNELVERKEHR. Zwei elektrisch betriebene Minizüge bringen Mannschaft und Material zur Bohrmaschine, die sich durch den Berg frisst.
Sie heißt Alesja. Das klingt nett und freundlich – und täuscht. Denn Alesja ist 334 Meter lang, wiegt 800 Tonnen und greift mit einem Druck von 700 Tonnen und 29 Schneidrollen an. Und sie ist eine Tunnelbohrmaschine, die sich – eigens für dieses Projekt angefertigt – täglich bis zu sechzig Meter durch den harten Fels der Stubaier Alpen frisst. Die spektakuläre Maschine ist nicht die einzige Besonderheit dieser Baustelle im Tiroler Kühtai. Swietelsky Tunnelbau errichtet dort in Arbeitsgemeinschaft mit den Firmen Jäger und Bodner einen wichtigen Baustein für eine nachhaltige und CO2-freie Energieversorgung Österreichs: die Erweiterung der bestehenden Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz um einen weiteren Speichersee und ein unterirdisches, in den Berg gehauenes Pumpspeicherkraftwerk, „Kühtai 2“.
Auftraggeber für das gewaltige Projekt ist der Tiroler Energieversorger Tiwag, der damit sein Angebot an erneuerbarer Energie deutlich ausbaut. Schon die jetzige Kraftwerksgruppe produziert jährlich 531 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom aus Wasserkraft, durch den Ausbau kommen noch einmal 40 Prozent mehr grüner Strom dazu. „Damit können wir nicht nur den steigenden Bedarf effizienter abdecken, sondern leisten auch einen Beitrag zur Stabilität der europäischen Stromnetze“, erläutert Tiwag-Projektleiter Klaus Feistmantl (siehe auch Interview unten). Denn die Kraftwerke im Kühtai produzieren nicht nur Strom aus Wasserkraft, sie können auch überschüssigen Strom „speichern“, indem bei einem Überangebot an Energie Wasser in den Speichersee gepumpt wird. Damit kann dann zu Spitzenzeiten wieder Strom produziert werden. Investitionsvolumen: rund eine Milliarde Euro.
25 Kilometer Stollen.
Nicht nur diese Summe ist gewaltig, auch die baulichen und technischen Herausforderungen sind es. Die Einrichtung einer Megabaustelle auf 2.200 Meter Seehöhe, 25 Kilometer Stollen durchs Gebirge
mit einem Gefälle von teilweise bis zu 80 Prozent, extreme Wetterverhältnisse im hochalpinen Raum mit Schnee und Lawinengefahr, ein Dreischichtbetrieb mit bis zu 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Kernmannschaft, die vor Ort – also am Berg – untergebracht und mit einer eigenen Kantine versorgt werden muss. An Komplexität ist das kaum zu überbieten. „Im Grunde sind das 20 einzelne Baustellen auf einer Großbaustelle“, beschreibt Wolfgang Pacher, Geschäftsführer der Tunnelbausparte von Swietelsky, die Dimension des Projekts. Und Pacher ist einiges gewohnt, baut doch Swietelsky auch am Semmering-Basistunnel und bei der Erweiterung der Wiener U-Bahn – „aber Kühtai schlägt alles“, so Pacher.
Zur Komplexität trägt auch bei, dass in sensibler Natur gearbeitet wird, was entsprechende Rücksichtnahme erfordert. Um die notwendigen Materialtransporte zu minimieren, haben die beteiligten Baufirmen spezielle Megaradlader und Muldenkipper angeschafft, die pro Fahrt mehr transportieren können. Manches dieser Fahrzeuge kann sechsmal so viel Gewicht laden wie ein herkömmlicher Lkw mit vier Achsen. Mit speziellen Anlagen zur Materialaufbereitung und einer eigenen Betonmischanlage werden die wichtigsten Baustoffe vor Ort gewonnen, auch das spart Transportwege. Auf der Baustelle verwendetes Wasser wird mittels eigener Gewässerschutzanlage wieder gereinigt.
Intelligentes Bauen.
Doch der besondere Clou des Projekts ist der 113 Meter hohe und 510 Meter breite Staudamm des neuen Speichersees. Der besteht nicht wie üblich aus Beton, sondern ist ein Naturschüttdamm. Das bedeutet konkret, dass das Aushubmaterial für den Speichersee und der Tunnelausbruch für den Staudamm verwendet werden – ein Materialkreislauf mit minimalen Transportwegen und optimaler Verwertung vor Ort, ohne dass Deponieflächen benötigt werden. „Ein solcher Schüttdamm aus Naturmaterialien klingt simpel, erfordert aber extrem viel altes Wissen und Know-how“, betont Tunnelbau-Chef Pacher, „schließlich wird so ein Bauwerk nicht jeden Tag errichtet.“

Es befriedigt, etwas zu schaffen, was man auch in Jahrzehnten noch angreifen kann.
Wolfgang Pacher, Swietelsky Tunnelbau
Intelligentes Bauen – das zieht sich wie die unterirdischen Stollen durch das gesamte Projekt. Und das bezieht sich nicht nur auf die Bauarbeiten vor Ort, sondern auch auf die dahinterliegende Planung und die Vertragsgestaltung. Denn auch die ist beim Projekt „Kühtai 2“ eine Besonderheit: Abgeschlossen wurde zwischen Auftraggeber Tiwag und den ausführenden Bauunternehmen ein sogenannter Allianzvertrag. Dessen Kern lautet: gemeinsam statt gegeneinander.
Partnervertrag.
Lang laufende Projekte in der Dimension wie Kühtai sind zwangsläufig mit viel Ungewissheit verbunden, was Zeitplan und Kosten betrifft“, erläutert Wolfgang Pacher, „ein Allianzvertrag versucht, die damit verbundenen Risiken auszugleichen und die bestmögliche Realisierung des Projekts in den Vordergrund zu stellen.“ Statt gegenseitiger Schuldzuweisungen also ein definiertes gemeinsames Interesse am Baufortschritt. So umfasst der Vertrag unter anderem einen von beiden Partnern mit Geld gespeisten „Risikotopf“ für unvorhergesehene Kosten. Taucht ein Problem auf, geht es also nicht in erster Linie darum, wer „Schuld“ ist und dafür die Kosten trägt, sondern um eine rasche Lösung. „So ein Vertrag erfordert Vertrauen auf beiden Seiten“, sagt Pacher, „fühlt sich aber gut und richtig an, weil er eine ehrliche Basis darstellt für eine faire, partnerschaftliche Zusammenarbeit.“
Bei Wolfgang Pacher spürt man die Begeisterung für seine Arbeit. „Es ist ganz eindeutig: Wenn wir die Energiewende und neue Formen der Mobilität ernst nehmen, braucht es einen Ausbau der entsprechenden Infrastruktur“, so der 49-jährige Kärntner, „insofern leisten wir einen wichtigen Beitrag.“ Was sonst noch für den Job spricht? „Die Befriedigung, etwas zu schaffen, was man auch in Jahrzehnten noch angreifen kann und was nicht morgen schon durch eine App ersetzt wird. Und einen gewissen Freiraum zur Gestaltung zu haben. Denn bei Bauprojekten läuft selten etwas nach Schema F.“
„Baulogistische und Planerische Herausforderung“
Drei Fragen an Klaus Feistmantl, Tiwag-Projektleiter.
TREND: Warum ein so großes Projekt in einem so schwierigen, hochalpinen Gelände?
KLAUS FEISTMANTL: Die Energiewende ist eine gewaltige Herausforderung. Damit sie gelingt, müssen wir unsere natürlichen Ressourcen und erneuerbare Energien besser nutzen. Am Standort Kühtai gibt es schon eine Kraftwerksgruppe und Speicherseen, da können wir die vorhandene Infrastruktur für die Erweiterung optimal nutzen. Die notwendigen Eingriffe in die Natur können so im Vergleich zum Neubau wesentlich geringer gehalten werden. Was unvermeidbar ist, wird durch umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen ausgeglichen.
Was sind die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Das Genehmigungsverfahren ist sehr komplex. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist bis zu den obersten Gerichten gegangen, dadurch hat es bis zur Baugenehmigung zehn Jahre gedauert. Und natürlich ist das Einrichten und Betreiben einer Baustelle in dieser Dimension und in über 2.000 Meter Höhe eine planerische und baulogistische Herausforderung. Es wird auch im Winter gearbeitet, wenn dort Schnee liegt, was Sicherheitsfragen mit sich bringt. Das können nur Unternehmen, die in diesem Bereich spezielle langjährige Erfahrungen haben.
Ist das Projekt im Plan?
Ja, absolut. Die Arbeiten gehen professionell voran, der Bau wird wie geplant 2026 fertig sein.
Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:
Peter Krammer, CEO des Baukonzerns Swietelsky [PORTRÄT]
Klimawende auf Schiene
Vom Mitarbeiten zum Mitdenken
„Innovation entsteht nur, wenn alle mitmachen“
Swietelsky AG – ein führendes Bauunternehmen in Zentral- und Osteuropa


Ob in Österreich, in Frankreich, in Rumänien oder in Deutschland, ob in …
(e-media.at)
Gegen den Strom
(yachtrevue.at)
Wenn Väter mit Töchtern campen
(lustaufsleben.at)
Brot mit Feta-Erbsen-Mash und geriebenem Ei
(gusto.at)
Das Spielfilm-Service von TV-MEDIA – jede Woche neu!
(tv-media.at)
Kurioses Versehen: Amazon schickte irrtümlich Formel-1-Kupplung an BMW-Besitzer
(autorevue.at)
"Wir haben nicht mehr nur einen Strache"
(news.at)

Die Staatsschulden in Österreichs im Verhältnis zum BIP zählen zu den …

Energieunternehmen und Lebensmittelketten wird die Hauptverantwortung an …