BCG-Studie: Manager ohne Klimaambitionen
Eine BCG-Studie bescheinigt den 100 größten heimischen Unternehmen bescheidene Klimaambitionen. Nur jedes zweite Unternehmen hat ein Klimaziel, nur acht streben NETTO-NULL-EMSSIONEN an.
SABINE STOCK, die BCG-Partnerin und Studienautorin, sieht dringenden Handlungsbedarf bei den Unternehmen in Sachen Klimaschutz.
Eine Woche nach Beginn der Weltklimakonferenz sind die ersten großen Protestzüge gestartet: Mehrere Zehntausend Menschen zogen durch die Innenstadt von Glasgow, wo die Klimaaktivistin Greta Thunberg eine Rede hielt und die Staatengemeinschaft für ihre mangelnden Klimaaktivitäten harsch kritisierte: „Das ist eine Feier des Business als usual und des Blablabla.“ Tatsächlich drängt die Zeit: Nach den bis zum Gipfel eingereichten Plänen der Staaten steuert die Welt auf ein 2,7-Grad-Ziel zu – mit katastrophalen Folgen für Umwelt und Menschen.
Österreich präsentiert sich mit seiner für 2040 anvisierten Klimaneutralität gerne als Vorreiter. Allerdings fehlt bis dato noch das Klimagesetz, dass die Zieleinhaltung garantiert. Vor allem die Wirtschaft ist gefordert, endlich eine Trendumkehr einzuleiten: zwischen 1995 und 2019 legten die CO2-Emissionen um 35 Prozent zu.
Bei vielen Vorstandschefs steht der Klimaschutz mittlerweile zwar ganz oben auf der Agenda – das vermitteln zumindest die Ankündigungen und Klimaschutz-Initiativen. Doch wie sieht es mit dem grünen Umbau der Wirtschaft tatsächlich aus? Lassen die Topmanager ihren Worten auch Investitionen in eine Zukunft ohne Öl und Kohle folgen? Wie ambitioniert sind ihre Ziele tatsächlich?
Drängende Fragen, denen sich das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) nun erstmals in einer richtungsweisenden Studie „Wege zum Klimapfad“ gewidmet hat.
Dafür tauchten die Experten tief in die Nachhaltigkeitsberichte und Reduktionsprogramme der 100 größten Unternehmen des Landes ein und bewerteten erstmals, wo diese in Bezug auf den Klimaschutz stehen. „Der Weltklimagipfel hat einmal mehr gezeigt, dass es einen extrem hohen Handlungsbedarf gibt. Österreichs Unternehmen sollten umgehend und zielorientiert handeln“, fordert Sabine Stock, BCG-Partnerin und Co-Autorin der Studie, mit Blick auf die ernüchternden Ergebnisse.
Hälfte ohne Ziel
So veröffentlicht nur jedes zweite der 100 wichtigsten Unternehmen ein konkretes, umfassendes Klimaschutzziel. 52 Unternehmen haben hingegen überhaupt noch kein Klimaziel definiert. Ein solches Ziel liegt laut Studie dann vor, wenn es sich um ein quantitatives Reduktionsziel in Verbindung mit einem konkreten Zieljahr handelt und sowohl direkte als auch indirekte Emissionen (Scope 1 und 2) berücksichtigt werden. Der Beitritt zu einer Klimainitiative, eine allgemeine Ankündigung wie die Umrüstung einer Fahrzeugflotte oder die Angabe lediglich eines Zeithorizonts ließen die Berater nicht gelten.

NET-ZERO-AUSNAHME. Nur acht der 100 größten Unternehmen streben Netto-Null-Emissionen an, 19 wollen reduzieren, aber weniger weitgehend, 21 setzen vor allem auf Kompensationsprojekte. Und 52 der Top-100-Unternehmen haben sich überhaupt noch kein konkretes, umfassendes Klimaziel gesteckt.
Und selbst die Unternehmen, die sich ein Klimaziel gesetzt haben, unterscheiden sich stark in ihren Anstrengungen: So haben sich nur acht der 100 größten Unternehmen dazu verpflichtet, Netto-Null-Emissionen anzustreben, also alle selbst verursachten CO2-Emissionen wieder aus der Atmosphäre zu entfernen (siehe Grafik). 19 Unternehmen streben Emissionsreduktionen an, allerdings in einem geringeren Umfang, und 21 Unternehmen wollen Klimaneutralität insbesondere über Kompensationen wie den Zukauf von Emissionszertifikaten aus Klimaschutzprojekten erreichen.
Wer zur Klimaschutz-Königklasse gehört, publizieren die Berater nicht. Dass A1 Telekom Austria dort einzureihen ist, weiß man spätestens seit dem Auftritt von CEO Thomas Arnolder Anfang Oktober, als er das Net-Zero-Ziel für 2030 bekräftigte. 20 Jahre mehr Zeit nehmen sich etwa der Ziegelhersteller Wienerberger und der Faserproduzent Lenzing, die das Ziel Netto-Null bis 2050 anstreben (siehe oben).
Klimapfad verfehlt
In einem weiteren Schritt haben die Autoren untersucht, ob die Klimaaktivitäten der Unternehmen so gestaltet sind, dass damit das Pariser 1,5-Grad-Ziel erreicht wird. Auch hier sieht die Situation kaum besser aus. Nur jedes achte Unternehmen kann das für sich in Anspruch nehmen. Das Gros liegt damit abseits des Pariser Klimapfades.
Der Appell der Autoren ist eindrücklich: Die Unternehmen müssten zügig detaillierte Klimaschutzziele entwickeln, diese am besten durch die Science-based-Targets-Initiative validieren lassen und dann umsetzen. „Eine klare Emissionsreduktion muss das oberste Ziel sein. Ausschließlich die danach verbleibenden und nicht vermeidbaren Emissionen sollten Gegenstand einer Kompensation sein“, sagt Roland Haslehner, BCG-Seniorpartner und Co-Autor.
Ein regelmäßiges Monitoring sei zudem notwendig, um im Falle einer Abweichung frühzeitig Maßnahmen setzen zu können. Fest steht jedenfalls: Viele Unternehmen sind vom Net-Zero-Weg noch sehr weit entfernt.
Die Net-Zero-Vorreiter

PHOTOVOLTAIK-PARK. Bis 2030 will A1 Telekom Netto-Null-Emissonen erreichen – etwa mit mehr selbst erzeugtem Ökostrom.
Nur acht Firmen setzen auf NETTO-NULL-EMISSIONEN. trend stellt drei von ihnen vor.
A1 TELEKOM. In zehn Jahren will CEO Thomas Arnolder das Net-Zero-Ziel erreichen. Ein wichtiger Hebel sind Energieeffizienzmaßnahmen, da insbesondere der Stromverbrauch der Netzinfrastruktur CO2-Emissionen verursacht. Darüber hinaus steht die Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien beim Strom als auch beim Fuhrpark im Fokus. Aktuell werden zwei Photovoltaik-Parks betrieben: in Österreich und Weißrussland.
LENZING. Noch unter CEO Stefan Doboczky gab der Faserkonzern bekannt, bis 2050 den Netto-CO2-Ausstoß auf null reduzieren zu wollen. Um das Ziel zu erreichen, setzt Lenzing auf mehreren Ebenen an: Neben Energieeffizienzeinsparungen findet etwa eine Umstellung auf kohlenstoffärmere oder - neutrale Brennstoffe statt, und es wird vermehrt Ökostrom zugekauft. Zudem werden Technologien zur Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung entwickelt. Das Klimaziel von Lenzing ist konform mit dem Pariser 1,5-Grad-Ziel.
WIENERBERGER. Auch der Ziegelhersteller hat sich zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen im Zuge des Green Deals der EU bis 2050 verpflichtet. In der Beschaffung werden etwa vermehrt Sekundärrohstoffe für die Kreislaufwirtschaft eingesetzt und das Transportmanagement optimiert. Zudem wird ausschließlich Grünstrom bezogen. Ein Beispiel für die Dekarbonisierung des Produktportfolios ist der klimaneutrale Ziegel.
Der Artikel ist dem trend.PREMIUM vom 12. November 2021 entnommen.