ABB-CEO Peter Voser: "Den Rest erledigt der Markt"
Peter Voser, Verwaltungsratspräsident und CEO des Elektronikriesen ABB, im trend-Interview über Fahrverbote für Dieselautos, die Vorgaben der Politik bei der E-Mobility und warum der Gesetzgeber neuen Technologien immer hinterherhinkt.
Peter Voser, Verwaltungsratspräsident und CEO ABB Group
Er ist einer der öffentlich schweigsamsten Firmenbosse weltweit, Peter Voser, CEO des Schweizer Elektronikriesen ABB. Als Gemischtwarenladen für alles was mit Strom zu tun hat, mit 147.000 Mitarbeitern weltweit und 27,6 Milliarden Dollar Umsatz ist der Konzern ein Schlüsselspieler bei der Energiewende, seine Schnellladestationen für Elektroautos etwa stehen auch in Österreich.
Interviews mit Voser sind eine absolute Ausnahme. Doch ABB ist Titelsponsor der Formel-E-Rennserie und im Zuge des Abschlussrennens in Bern konnte der trend mit dem Konzernboss über Chancen und Risiken der E-Mobility sprechen.

Sebastien Buemi beim E-Prix in Bern. Links während der Fahrt. Rechts überreicht ihm ABB-Chef Peter Voser den Pokal für den zweiten Platz im Rennen.
trend:
Wieso engagiert sich ein Großkonzern wie ABB bei der Formel E, statt etwa bei der Formel 1, mit ihrer weit größeren Breitenwirkung?
Peter Voser:
Die Formel E ist ein globaler Anlass, Stärke in unserem Geschäftsbereich E-Mobility zu zeigen. Wir brauchen so eine Plattform. Das Ziel ist es, die E-Mobility den Konsumenten näher zu bringen, es ist eine Kundgebung. Wir zeigen unsere Technologie, nicht nur für Autos, sondern auch für Schiffe, Züge, Lkws oder Busse und deren Weiterentwicklung. Nicht alles läuft bei der E-Mobility super, aber langfristig ist die Entwicklung sehr wertvoll für ABB.
Die Konsumenten sind nur schwer von Elektroautos zu begeistern, solange nicht massiv gefördert wird, wie etwa in Schweden. Würde mehr politische Unterstützung die Sache beschleunigen?
In der E-Mobility gibt es schon noch ziemlich viel Neuland, das entwickelt sich erst. Vieles macht die Industrie, aber natürlich sind auch die Regierungen gefragt – und da muss noch mehr kommen. Das Problem ist, die technische Revolution ist so schnell und die Gesetzgeber sind dafür viel zu langsam. Immerhin wird es zum Beispiel ab 2020 neue Richtlinien für Schiffsantriebe geben, das wird die Entwicklung beschleunigen.
Das Letzte, das wir brauchen ist, dass uns die Politik bestimmte Technologien vorschreibt.
Wenn sich die Politik einmischt ist das ja oft auch zwiespältig für die Wirtschaft.
Das ist richtig, und das Letzte, das wir brauchen ist, dass uns die Politik bestimmte Technologien vorschreibt, das wäre grundfalsch. Was wir brauchen ist ein Rahmen, Regierungen müssen einen Anstoß geben. Den Rest erledigt der Markt.
Sind Sie sicher? Ab wann könnte E-Mobility auch ohne politische Subventionen und Förderungen wirklich marktreif sein?
Den Durchbruch bringen wird die Umstellung des öffentlichen Transports auf elektrische Antriebe, wie wir es mit unseren Bussen schon zeigen. Denn da kommen regionale Politiker ins Spiel, die Bürgermeister, die sind anders als Politiker, die auf Regierungsebenen abgehoben agieren. Und wenn der öffentliche Verkehr das vormacht, wird sich der private schnell parallel entwickeln.
Verbote sind aus mehreren Gründen nicht notwendig.
Was halten Sie dann von Fahr- und Verkaufsverboten für fossile Verbrennungsmotoren?
Verbote sind nicht notwendig, aus mehreren Gründen. Einerseits kommt die Nachfrage ohnehin aus der Gesellschaft selbst. Die Leute sind bereits genug sensibilisiert. Und andererseits wären Verbote auch falsch, weil man den Leuten zuvor Jahrzehnte lang zu einem Kauf von Dieselfahrzeugen geraten hat. Es ist schon sehr populistisch, durch Fahrverbote für Diesel auf den schon fahrenden Zug aufzuspringen.
Und ABB ist auf diesem Zug schon voll dabei?
Natürlich, ABB braucht keine Entscheidungen der Politik, um die eigene Strategie durchzuziehen. Immerhin werden heute schon 55 Prozent unserer Produkte in Klimawandel relevanten Bereichen eingesetzt. Das war schlicht eine strategische Entscheidung für uns. Und wir verbreitern unsere Inputs sukzessive durch Partnerschaften. So haben wir weltweit 11.000 Ladestationen für Elektroautos in 93 Ländern installiert, auch in Österreich, wo die Mehrheit der Schnellladestationen von uns ist.
Was Batteriefertigung betrifft, schein Europa allerdings eher ins Hintertreffen zu geraten.
Die Batterietechnik ist natürlich das A&O der E-Mobility, sie spielt auch bei der Energieversorgung zu Hause eine Rolle, speziell im Zusammenhang mit Erneuerbarer Energie. Und wir haben in Europa auch zwei oder drei Unternehmen, die sich darum kümmern. Wir als ABB müssen bei der Entwicklung zumindest dabei sein, deswegen haben wir uns in Northvolt (Schweden, Anm.) eine Option auf eine Kapitalbeteiligung an einem Startup gesichert, das eine große Gigafactory aufziehen will. Wir selber werden allerdings nie Batterien bauen, außer die Roboter, die man zur Herstellung der Batterien benötigt. Und das skizziert unsere Geschäftsstrategie schon ziemlich genau.
Zur Person

Am Steuer: ABB Verwaltungsratspräsident und CEO Peter Voser
Peter Voser, Jahrgang 1958, ist Verwaltungsratspräsident und seit April 2019 auch interimistischer CEO des börsenotierten Energie- und Automatisierungstechnikkonzerns ABB (Asea Brown Boveri; ISIN CH0012221716) mit Hauptsitz in Zürich.
Von 1982 bis 2002 war er 20 Jahre in verschiedenen Funktionen bei Royal Dutch Shell (ISIN GB00B03MLX29) tätig, 2002 bis 2004 war Voser CFO von Asea Brown Boveri (ABB) und stark am Umschwung der damals angeschlagenen ABB beteiligt. 2004 wechselte Voser zurück zu Royal Dutch Shell, wo er im Juli 2009 CEO wurde. 2014 kehrte er in die Schweiz zurück, wo er im April 2015 zum Verwaltungsratspräsidenten der ABB gewählt wurde.
Voser ist zudem Mitglied des Verwaltungsrats (Board of Directors) der Roche Holding (Schweiz; ISIN CH0012032048), IBM Corporation (USA; ISIN US4592001014) und Temasek Holdings (Private) Limited (Singapur) sowie Verwaltungsratspräsident von Catalyst Inc. (USA; ISIN US14888U1016 ).