Quantencomputer: Innsbrucker Technologie für die Welt

Quantencomputer zählen zu den großen Zukunftshoffnungen. Die ganze Welt will sie bauen. Das Innsbrucker Start-up ParityQC legt die Architektur dafür vor. Sie soll weltweit zum Standard werden.

Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner haben mit ParityQC ein Start-up aufgebaut, das die Architektur für Quantencomputer liefert.

Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner haben mit ParityQC ein Start-up aufgebaut, das die Architektur für Quantencomputer liefert.

Vor der Hofburg in Innsbruck ist der Asphalt offen, in der Sommerhitze steht der Staub, und wer sich hier nicht die Gemächer von Kaiserin Maria Theresia anschauen will, sucht zumindest in einem der Innenhöfe Schatten. Die Touristen, die hier Pause machen, denken dabei nicht über den Verkehr nach, den sie nach sich ziehen, über die Straßenbahnen, deren Taktung darauf abgestimmt ist, wie viele von ihnen sich durch die Altstadt bewegen.

Im dritten Stock der Hofburg sind diese Fragen jedoch präsent: Die Lenkung des Verkehrs gilt als eine der Aufgaben, die nur von Quantencomputern effizient bewältigt werden können. Unzählige Möglichkeiten, wie Einzelne sich verhalten, macht sie zu komplex für herkömmliche Rechner. Und um Quantencomputer geht es hier, um eine Technologie, von der sich die ganze Welt gerade gigantisch viel Innovation verspricht.

In der Architektur untergegangener Macht arbeitet ParityQC an der Architektur genau dieses Zukunftsfelds. Es braucht dafür keinen futuristischen Tech-Aufbau, sondern nur ein leises, weißes und kühles Büro mit Tischen und Sesseln. Auch eineinhalb Jahre nach der Gründung des Unternehmens wirkt alles wie neu. Corona hat Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner, den CEOs, die in kurzen Hosen, hohen Sneakers und mit Motorrädern ins Büro gekommen sind, eine untypische Gründung abverlangt: "Viele unserer aktuell 14 Mitarbeiter haben einander noch nie persönlich gesehen, Sicherheitsvorkehrungen mussten wir mit der Vorgabe "Homeoffice" treffen und auch die Gespräche mit den Kunden liefen virtuell ab", sagt Magdalena Hauser. Vielleicht sei aber auch deshalb so viel weitergegangen, und zwar so schnell.

Das junge Unternehmen hat bereits internationale Kunden wie den japanischen Elektronik-Riesen NEC oder ColdQuanta gewonnen, das für DARPA, die Forschungseinrichtung des US-Verteidigungsministeriums, an Lösungen für Quantum Computing arbeitet. Eben wurde eine Parity-Dependence in Deutschland eröffnet, die nicht die einzige bleiben soll. Es ist in zahlreichen Gremien vertreten und seit Februar auch Teil des EU-Konsortiums, das die Kommerzialisierung von Quantencomputern beschleunigen soll. Denn noch ist dieser Innovationssprung vor allem ein Feld der Forschung. Noch ist nicht einmal entschieden, wie diese Computer aussehen werden. Aber von den Großen wie Amazon und Microsoft bis zu kleinen Startups arbeiten gerade sehr viele daran.

Ganz vorne dabei

Überall dort, wo es um Optimierungsfragen geht, sollen Quantencomputer Wunder wirken, in der Logistik, der Medizin oder bei künstlicher Intelligenz. ParityQC hat dabei eine spezielle Rolle gefunden. Es bietet den Bauplan für diese Computer, der ultrakomplexe Anwendungen weniger komplex in Chips implementiert, zudem einen Algorithmus und ein Betriebssystem, mit dem diese Computer dann aus der Cloud heraus gesteuert werden können. Die Ziele sind hoch und weit gesteckt: Wer einen Quantencomputer baut, soll um ParityQC nicht herumkommen, und bei allen, die diese Computer dann nutzen, soll Parity als Betriebssystem laufen. "Wir wollen einen globalen Standard schaffen, egal, ob es sich um Atom-, Ionen-oder Halbleiter- Quantencomputer handelt" sagt Magdalena Hauser.

Im Jänner 2020 gegründet, hat ParityQC mittlerweile 14 Mitarbeiter, zu denen Quantenphysiker, Mathematiker, Softwareingenieure und Business-Developer zählen. Sie kommen aus der ganzen Welt.

Im Jänner 2020 gegründet, hat ParityQC mittlerweile 14 Mitarbeiter, zu denen Quantenphysiker, Mathematiker, Softwareingenieure und Business-Developer zählen. Sie kommen aus der ganzen Welt.

Die 32-jährige Innsbruckerin hat dafür quasi die Seiten gewechselt. Sie leitete zuvor das I.E.C.T., eine Einrichtung, die seit 2015 versucht, in Tirol ein ideales Umfeld dafür zu schaffen, Investoren und Wissenschaftler, Gründer und mögliche Kunden zusammenzubringen. Gegründet hat es Hermann Hauser, hoch angesehender Mehrfachgründer, Tech-Investor, heute Miteigentümer von ParityQC und Magdalenas Onkel. Er wollte nach Innsbruck holen, was er im britischen Cambridge schätzen gelernt hat.

Einer der Ersten, die 2015 bei I.E.C.T. durch die Tür gingen, war Wolfgang Lechner. Er war Professor für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck, bereits bekannt für seine Forschungsleistungen im Bereich des Quantum Computings, eines Bereichs, in dem die Uni Innsbruck übrigens international einen ausgezeichneten Ruf hat. Alpine Quantum Technologies (AQT), ein weiteres Spin-off der Uni, baut etwa gerade an einem Ionen-Quantencomputer.

Lechner war ein Kunststück geglückt. Gemeinsam mit Philipp Hauke und Peter Zoller entwickelte er eine völlig neue Quanten-Architektur. Er bewies mathematisch, dass sie nicht funktionieren kann, und begrub das Projekt. Es ließ ihn nicht los, er forschte weiter, veröffentlichte nichts, und dann plötzlich:"Es war fast wie in einem Film. Ich bin aufgewacht und wusste, wie es geht", sagt der 40-Jährige. Der Haupteigentümer ist bei Parity-QC übrigens der Älteste im Team.

Lechner wusste, dass diese Erfindung einzigartig und ein Business Case ist. Die Uni Innsbruck und die Akademie der Wissenschaften meldeten daraufhin das Patent an, beide sind heute an dem Spin-off beteiligt. Auf der größten Quantum-Computing-Messe der Welt stellte Lechner seine Forschung im Sommer 2015 vor, wenig später folgte das erste Kaufangebot aus den USA. "Da wusste ich: Ich will das selbst machen", sagt Lechner.

Gemeinsam mit Hauser machte er eine Firma draus. Mittlerweile sind sechs weitere Patente hinzugekommen. Konkurrenz ist laut den beiden CEOs, die ausschließlich gemeinsam auftreten, sich inhaltlich aber naturgemäß ergänzen, nicht in Sicht, dafür aber ein Wettlauf ihrer potenziellen Kunden, die sie bisher oft über Empfehlung erreichen. China und die USA fördern die neue Technologie massiv, Europa hinkt etwas hinterher. Deutschland investiert nun zwei Milliarden Euro in Quantenprojekte, Österreich hat gerade ein Programm über 107 Millionen Euro aufgelegt. Die beiden Gründer sehen das positiv: "In Europa passiert so viel Grundlagenforschung, und wir wollen smart dazu beitragen, dass zumindest die Patente für diese Technologie auch hier bleiben", sagt Wolfgang Lechner.

Die wichtigste Ressource dafür ist an diesem Tag im Innsbrucker Büro übrigens nicht zu sehen: die Mitarbeiter.


Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 25. Juni 2021 entnommen.

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