Denuvo - die Piratenjäger aus der Mozartstadt
Das Salzburger Start-up Denuvo kämpft mit seinen Produkten gegen Raubkopierer von Computerspielen. Nun wurde das Unternehmen von der zur südafrikanischen Naspers-Gruppe gehörenden Irdeto übernommen.
Denuvo Geschäftsführer Reinhard Blaukovitsch
Das Salzburger Start-up Denuvo zwingt die weltbesten Raubkopierer in die Knie und rettet mit genialem Schmäh die Umsätze der Unterhaltungsindustrie. Nun wurde das im Jahr 2013 gegründete Unternehmen, zu dessen Kunden das Who-is-Who der Gaming-Industrie gehört - Electronic Arts, UbiSoft, Warner Bros oder Lionsgate Entertainment - rückwirkend per 1. Jänner 2018 vom ebenfalls auf die Bekämpfung von Piraterie spezialisierten Unternehmen Irdeto übernommen. Irdeto, das zur südafrikanischen Naspers-Gruppe gehört, will damit seine Position in der Gaming-Branche festigen.
trend-Redakteurin Barbara Steininger hatte bereits vor der Übernahme - ein Kaufpreis wurde nicht genannt - bei Denuvo hinter die Kulissen geblickt und sich dafür mit Firmengründer und Geschäftsführer Reinhard Blaukovitsch unterhalten.
Geschätzte 75 Milliarden Dollar verliert die Spieleindustrie jährlich, und Denuvo hilft mit raffiniertem Schutzmechanismus, diese Verluste einzudämmen. "Die heikelste Zeit ist die unmittelbar nach der Veröffentlichung", sagt Blaukovitsch, "da ist das Publikumsinteresse am größten, und da zählt jeder Tag." Wie kommt eine Salzburger Kleinfirma dazu, sich mit Kopierschutz - im Fachjargon Anti-Tamper - scheinbar aus dem Nichts weltweit einen Namen zu machen?
Von Sony zum Start-up
Die Geschichte beginnt gut 20 Jahre früher beim Sony-Werk in Anif: Blaukovitsch gab den Anstoß Kopierschutztechnologien zu entwickeln, da durch das Aufkommen von beschreibbaren CDs das Problem der unerlaubten Vervielfältigung ein immer größeres Thema wurde. Schon bald wurden von Sony kopiergeschütze CDs in Amerika produziert - hier stieß dann Blaukovitschs späterer Partner Bob Hernandez, der den dortigen Verkauf der Technologie übernahm, zum Team. Mit dem Niedergang der Distribution auf optischen Discs - Stichwort Streaming und Clouds - kam es zu Umstrukturierungen im Sony-Konzern (Fokus auf Kernbereiche).
Blaukovitsch und Hernandez lösten die Digital-Works-Sparte mit einem Management-Buy-out Ende 2013 aus dem Konzern und machten sich mit zwei Dutzend Entwicklern selbständig, mit dem Vorhaben, den Raubkopieren mit einer patentierten Schutzmethode professionell das Spiel zu verderben. "Kopierschutz funktioniert üblicherweise wie eine zusätzlich Hülle. Experten nennen das Wrapper. Bekommt der Raubkopierer den zu fassen, ist er mit den richtigen Programmzeilen rasch außer Kraft gesetzt", erklärt Blaukovitsch. Das virtuelle Stanniolpapier wegreißen und die geklaute Schokolade genießen - so einfach machen es die Denuvo-Entwickler den Bösen nicht.
Im eher unscheinbaren Büro in Salzburg-Lehen werken vornehmlich junge Männer, allesamt leidenschaftliche Gamer, deren Job es ist, den Zeitpunkt bis zum Crack möglichst lange hinauszuzögern. Jeder Tag mehr bringt Geld, Zehntausende Dollar, manchmal sogar Hunderttausende. Das Geld schlägt sich in den Bilanzen der Spielehersteller nieder, für Blaukovitsch und sein Team ist das Zählen der Tage, an denen es beliebte Spiele noch nicht als Raubkopie gibt, der schönste Lorbeer für ihre Arbeit.
Riesen-Bälle und abstürzender Batman
"Wir zerlegen das Programm in seine Einzelteile, disassemblieren es und bauen unsere Trigger an unterschiedlichen Stellen ein", sagt Blaukovitsch. Und das machen die Salzburger zugeschnitten auf das jeweilige Gameplay und mit einer Portion Kreativschmäh. Bei einem "Batman" -Spiel hatten sie sich etwa die Gravitationskonstante im Spiel ausgesucht. Wer die gecrackte Version spielt, sieht Batman nicht fliegen, sondern wie einen Stein auf die Straße knallen. Und bei "Fifa" wurde der Fußball so groß, dass er nicht mehr ins Tor passte. Die solcherart Ausgedribbelten finden das gar nicht lustig und sorgen für ein hohes Schimpfaufkommen in Foren und im Denuvo-Postfach.
"Die F...-you-Wochen sind das", beschreibt Blaukovitsch ein Phänomen, das sich regelmäßig zum Verkaufsstart wiederholt. Ihr ganzes Wut-Panoptikum zeigen ertappte Falschspieler da: Die meisten lassen ordinäre Schimpftiraden los, wenige drohen unverhohlen bis hin zum Firmeneinbruch. Selten ist die Post originell. In den Foren aber spricht sich herum, welche Titel von Denuvo geschützt sind, da kaufen manche lieber gleich das Original. Die Salzburger treiben selbst die besten der Bösen zur Verzweiflung, was schon auch zu unbeabsichtigter Vertriebshilfe führte. "Eine Dame des berüchtigten chinesischen Hackerkollektivs 3DM postete, dass wegen Denuvo ein Ende der Piraterie eintreten könnte. Sie schaffen es nicht mehr", erzählt Blaukovitsch. Und weil in der Gamingszene Gute und Böse dieselben Foren lesen, verbreitete sich das schnell und wurde zum "Trigger" für potenzielle Neukunden.
Blaukovitsch hat den Sprung vom Manager zum Eigentümer nicht bereut. "Das Risiko hat sich gelohnt. Ich habe viel gelernt. Natürlich schläft man mit der Verantwortung nicht immer gut." Entwicklung und Auslastung gut zu steuern, ist manchmal schwer. In der Regel wird Denuvo früh in die Spieleentwicklung eingebunden, mitunter aber werden die Experten erst zwei Wochen vor Verkaufsstart gerufen.
Am Weg zu Neuem
Hundertprozentigen Schutz wird es aber nie geben. "Es gibt Experten, die richtig gut sind im Cracken", sagt Blaukovitsch und klingt gar nicht resigniert. Das motiviere seine Leute erst so richtig: "Wenn wir sehen, dass sie uns auf den Fersen sind, sind wir in der Planung schon ein, zwei Schritte weiter." Und das soll, wie der aus dem Lateinischen abgeleitete Firmenname, immer wieder von Neuem der Fall sein.
Auch nach der Übernahme soll Denuvo mit der eigenen Marke präsent bleiben. Für die Mitarbeiter sollen sich keine operativen Veränderungen ergeben. Die Arbeitsplätze in Österreich, Polen, Tschechien und den USA - wo Miteigentümer Bob Hernandez von Oregon aus die Publisher und Hollywood-Studios betreut - bleiben erhalten und werden sogar ausgebaut. Denuvo kann nun durch die Übernahme sein Geschäft wesentlich internationaler vorantreiben und auf das globale Vertriebsnetz und die Ressourcen von Irdeto aufbauen und dadurch seine Marktanteile steigern. Im Gegenzug kann Irdeto den adressierbaren Markt für seine Kerntechnologie und Anti-Piraterie-Dienstleistungen erweitern.
Irdeto CEO Doug Lowther dazu: „Da der globale Markt für Videospiele bis 2020 auf 128,5 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, sehen wir die große Chance, unsere fast 50-jährige Sicherheitsexpertise zu nutzen, um den Cybersicherheitsanforderungen auf dem wachsenden Markt gerecht zu werden. Wir freuen uns über die Chancen, die diese Akquisition für beide Organisationen bietet.“