Crowdfunding: Vom Schwarm in die Irre geleitet
Eine gute Idee, aber kein Geld, sie umzusetzen? Macht nichts. Mittels Crowdfunding können sich Unternehmen Geld von privaten Investoren holen, ihre Produkte entwickeln und sie in den Markt bringen. Theoretisch. In der Praxis kommt es dann oft doch nicht dazu.
Crowdfunding-Plattformen: Hochrsikante Investment-Portale
Wer hatte nicht schon einmal eine tolle Idee, aber nicht genug Geld, um sie umzusetzen? Keine Bank und auch keinen Investor, die sich für das Vorhaben begeisterten und bereitwillig Geld für die Produktentwicklung, die Zulassung und die Markteinführung vorstreckten? In der Vergangenheit mussten solche Ideen dann wieder verworfen werden. Doch dank des Internets hat sich in den letzten Jahren eine neue Möglichkeit aufgetan, um an Geld für Projekte oder Produkte zu kommen: Crowdfunding.
Das Prinzip des Crowdfundings ist, dass sich die hoffnungsvollen Unternehmer das Geld für ihre Pläne eben nicht über den traditionellen Weg – zum Beispiel einen Bankkredit oder die Beteiligung eines Investors - holen, sondern von vielen, hunderten, manchmal auch tauenden Internet-Benutzern, die kleinere Beträge vorstrecken und dafür in der Regel ein Vorkaufsrecht auf das Produkt oder einen kleinen Bonus bekommen.
Ein Jahr Crowdfunding-Gesetz
In Österreich ist genau vor einem Jahr, am 1. September 2015, das „Alternativfinanzierungsgesetz“ in Kraft getreten, das dem über diverse Online-Plattformen praktizierte „Crowdfunding“ einen rechtlichen Rahmen gab. Und vor allem auch für die Geldgeber ein Mindestmaß an Transparenz- und Anlegerschutzanforderungen definierte. Denn auch wenn die Investoren oft nur hundert Euro oder weniger beisteuern, sind Beteiligungen an Crowdfunding-Initiativen eines auf jeden Fall: Hochriskant.
Während ein Unternehmen nämlich etwa, um an eine klassische Bankfinanzierung zu kommen, einen detaillierten Businessplan mit einer exakten Kalkulationen vorlegen muss und zusätzlich eine eingehende Bonitätsprüfung über sich ergehen lassen muss, reicht es bei den Crowdfunding-Plattformen – die weltweit bekannteste ist die 2009 gegründete New Yorker Plattform Kickstarter.com – das Projekt zu beschreiben, Fotos oder Videos hochzuladen und den Finanzbedarf anzugeben.
Man setzt dabei auf den Schwarm-Effekt: Die kleinen Beiträge vieler sollen Ideen und Projekte zum Fliegen bringen. Ohne große bürokratische Auflagen und Hürden. Der Schwarm-Effekt führt aber auch mitunter dazu, dass sich ein ganzer Schwarm in die falsche Richtung bewegt. "Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam", wie es der Autor Gunter Dueck in seinem Ende 2015 im Campus Verlag erschienenen Buch beschreibt.
Jedem begeisterten Kickstarter-Investor sollte es eine Warnung sein, dass die finanzielle Lage der Unternehmen von Kickstarter dediziert nicht überprüft wird. Das entspreche, so Kickstarter-Gründer Yancey Strickler in einem Interview mit Spiegel Online, den Grundprinzipien des eigenen Unternehmens.
Kalkuliertes Scheitern
Weltweit schaffen es mehr als die Hälfte aller Projekte nicht, das Finanzierungsziel zu erreichen. In dem Fall kommt das Projekt nicht zustande und die Investoren bekommen ihr Geld zurück.
Können sich aber im Lauf einer bis zu zwei Monate langen Kampagne genug Leute dafür begeistern, dann gilt das Crowdfunding-Projekt als erfolgreich finanziert und die Unternehmen bekommen das eingesammelte Geld, abzüglich einer Vermittlungsprovision, die sich die Online-Plattform einbehält. Bei Kickstarter.com sind das fünf Prozent, weitere drei bis fünf Prozent gehen an Amazon Payments, das die Transaktionen abwickelt.
Die Geldgeber bekommen zunächst einmal außer einem Dankschreiben per Mail nichts. Sie müssen warten, bis das Projekt in das sie investiert haben auch umgesetzt wird. Und tragen dabei das volle Risiko. Bei dem investierten Geld handelt es sich nämlich um nachrangige Darlehen. Was bedeutet, dass das geleistete Investment auch ein Totalverlust sein kann, wenn das Projekt scheitert oder das Unternehmen vielleicht sogar den Weg zum Konkursrichter antreten muss.
Dieser Fall ist gar nicht so unwahrscheinlich. So scheitern etwa neun Prozent aller Kickstarter-Projekte nach der Finanzierung, weil sich die Initiatoren zerstreiten oder überfordert sind. Und es gibt noch viele weitere Stolpersteine.
Drohnen-Crash
Spektakulär ist der Fall des Kickstarter-Projekts „Zano“. Die Initiatoren dieses Projekts hatten über das Online-Portal fast drei Millionen Euro eingesammelt. Sie wollten eine handtellergroße Mini-Drohne mit Nachflug-Funktion entwickeln, die per Smartphone-App gesteuert werden kann und während des Fluges Fotos und Videoaufnahmen machen kann. Doch dazu kam es nie. Im November 2015 meldete die Torquing Group, das Unternehmen hinter der Drohne, Insolvenz an. Die 12.000 Investoren, die jeweils durchschnittlich 250 Euro vorab für die Drohne bezahlt hatten, bekamen diese nicht und haben auch keine Aussicht, das investierte Geld wieder zurück zu bekommen.
ZANO - Nano Drone
„Die Firma war vom unerwarteten Erfolg ihrer Kickstarter-Kampagne ziemlich überfordert“, kommentiert Strickler im Spiegel-Interview den Fall. Offenbar wurden die Crowd-Investoren aber auch mit einem getürkten Video getäuscht. Darin war bereits eine funktionsfähige Drohne zu sehen, die über Funktionen verfügte, die es in der Realität nie gab. „Wenn Firmen nach ihrer Pleite einfach von der Bildfläche verschwinden, verstoßen sie gegen unsere Vertragsbedingungen. Dann können die Unterstützer klagen“, erklärt Strickler im Spiegel-Interview. Mit wenig Aussicht auf Erfolg. Strickler: „Man unterstützt über Kickstarter nun einmal die Verwirklichung einer neuen Idee. Dazu gehört, dass das Ergebnis mitunter anders ausfällt als gedacht. Wir sind kein Onlineshop.”