Busuu-CEO Bernhard Niesner: Von der Fast-Pleite zum 385-Millionen-Exit
Nichts für schwache Nerven: Busuu-CEO Bernhard Niesner hat sich weder von „irrationalen“ Mitbewerbern, fast leeren Konten oder eigenen Fehlentscheidungen aus der Bahn werfen lassen. Ein Gespräch über Tiefschläge, Trennungen und Träume eines leidenschaftlichen Unternehmers.
Bernhard Niesner
Bernhard Niesner
Geboren 1979, studierte an der WU und absolvierte in Madrid den MBA. Nach Erfahrungen in der Beraterbranche machte er sich 2008 als Mitgründer von Busuu selbstständig. Unternehmer zu sein, war immer das Ziel gewesen. 2018 erhielt er von EY in Großbritannien die Auszeichnung "Unternehmer des Jahres" in der Kategorie "Disruptor". Nach fast 14 Jahren verkaufte er Busuu 2021 um 385 Millionen Euro an den US-Konzern Chegg Inc. Der Wiener lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in London.
INTERVIEW.
"Viel harte Arbeit und lange Nächte"

Busuu-Gründer Bernhard Niesner
Nichts für schwache Nerven: BERNHARD NIESNER, Co-Founder des Start-ups Busuu im INTERVIEW über die aufreibenden Jahre als Start-up CEO und den millionenschweren Exit: "Es ist eine neue Liga, in einem börsennotierten Unternehmen zu arbeiten."
trend:
Sie sind jetzt das, wovon Lottospieler träumen: plötzlich reich. Welchen Traum werden Sie sich als Erstes erfüllen?
Bernhard Niesner:
Ich werde mir ein Apartment in Südspanien kaufen. Mit 18 Jahren war ich zum ersten Mal in Tarifa und gehe dort gerne Kitesurfen. Ich liebe das Land und die Kultur. Da werde ich mir ein kleines Sommerapartment kaufen.
Mit Spanien verbindet Sie ja mehr. 2008 gründeten Sie dort Busuu, das durch einige Stürme musste. Welche Momente waren im Rückblick die kritischsten?
Der erste Sturm erwischte uns unmittelbar nach der Gründung. Wir segelten direkt in die Finanzkrise. Nachdem wir ein bisschen Erspartes hatten und auch von der Familie meines Co-Gründers Adrian Hilti unterstützt wurden, wussten wir, dass wir uns selber finanzieren können. Ich hatte die ersten zwei Jahre auch kein Gehalt.
Wie lange dachten Sie das durchhalten zu können? Investorengeld war zu der Zeit nicht zu bekommen.
Ich war damals bei einem Venture-Capital-Event in London. Wir hatten die Website gelauncht, hatten schon die ersten Benutzer und Umsatz. Nach dem Lehman- Brothers-Kollaps herrschte dort Totenstille. Da wurde uns bewusst, dass wir dieses Bootstrappen sicher länger als ein Jahr durchhalten müssen. Das war hart, aber auch eine gute Erfahrung, wie man eine Firma mit wenig Mitteln wachsen lässt.
Wir waren auch naiv.
Warum haben Sie das Unternehmen dann aus dem "billigen" Spanien nach London übersiedelt?
Spanien traf die Krise noch mal härter: Massenarbeitslosigkeit, Demonstrationen auf der Straße. Das Umfeld war deprimierend. Trotz Massenarbeitslosigkeit war es wahnsinnig schwer, gute Entwickler zu finden. Die, die einen Job hatten, wollten nicht wechseln oder waren ausgewandert. Es gab eine richtige Diaspora von spanischen Entwicklern nach London und ins Valley. So übersiedelten wir mit zehn Leuten und 200 Umzugskisten im riesigen Van nach London. Wien war auch eine Überlegung, aber zu verschlafen damals. Es gab ein paar Investments von Business Angel Hansi Hansmann, sonst war nichts los. Mit London hatte ich schon den Eindruck, dass wir die Champions League der Start-ups betreten. Investor Brent Hoberman (einer der Leadinvestoren und Gründer von lastminute.com, Anm.) hat uns dann weitere Türen geöffnet.

Bernhard Niesner (li) mit Co-Founder Adrian Hilti (2008)
Die "Champions League" brachte Busuu das erste große Investorengeld, aber auch neue Wettbewerber und andere Spielregeln.
Wir hatten 2012 dreieinhalb Millionen Euro bekommen und zu schnell die Mitarbeiter hochgefahren. Binnen weniger Wochen wuchsen wir von zehn auf 50 Leute. Wir waren beim Hiring auch naiv damals.
Inwiefern?
Wir haben zu schnell eingestellt, ohne die Leute zu überprüfen, den kulturellen Check zu machen. Nach kürzester Zeit haben wir gemerkt, dass die Dinge nicht rund laufen. 2009 hatte Apple mit dem App Store die Industrie gedreht, wir hatten als Ergänzung zur Website eine App gebaut, die uns lustigerweise Runtastic programmiert hatte. Mobile first war die neue Losung. Wir waren mit der Website plötzlich von gestern, mussten feststellen, dass wir unser Haus komplett neu aufbauen mussten.
Ich wollte zeigen, dass wir das schaffen.
Sie gingen technologisch und strategisch auf null?
Ja, und in der Zeit kamen andere Wettbewerber, etwa Duolingo, auf den Markt. Sie haben sich viel von uns abgeschaut und hatten als Startkapital gleich 18 Millionen Dollar, und dann insgesamt bis zu deren IPO im August 2021 180 Millionen Dollar. Deren Strategie war, das Produkt über viele Jahre kostenlos herzugeben, um aggressiv Marktanteile zu gewinnen. Das funktioniert nur, wenn man richtig viel Geld aufnimmt und die Investoren so eine Strategie mittragen. Das wäre damals für uns in Europa unmöglich gewesen. Wir hatten ein gutes Produkt, aber einen Klick entfernt gab es ein anderes Produkt komplett gratis. Das fühlt sich an, wie eine Bar zu besitzen, wo daneben permanent Freibier ausgeschenkt wird. Das war bitter und wir steckten mitten in dem Sumpf des technologischen Umbaus von Web auf Mobile, der im Endeffekt fast zwei Jahre gedauert hat. In der Zeit konnten wir fast keine neuen Features launchen und wurden als Marktführer überholt.
Abgesehen von dem Druck der Investoren, woher nahmen Sie die Motivation, das durchzuhalten?
Ich bin sehr kompetitiv, war gut in der Schule, habe summa cum laude studiert und mit Handball Leistungssport betrieben. Ich wollte zeigen, dass wir das schaffen. Wir haben uns überlegt, was man gegen so einen "irrationalen" Wettbewerber machen kann. Wir waren 2008 die Ersten mit Gamification- Elementen im Sprachenlernen. Das war dann auf einmal das Steckenpferd von Duolingo. Wir mussten uns daher anders positionieren. Also mehr Community zum Austausch mit Muttersprachlern und Fokus auf Lerneffizienz, also wirklich sicherstellen, dass man mit Busuu eine Sprache lernen kann und es nicht nur ein Spiel ist.
Sie haben das Geschäftsmodell angepasst, pivotiert, wie das bei Start-ups heißt.
Ja, von der Positionierung her auf jeden Fall. Dann ist uns 2013 aber einfach das Geld ausgegangen. Wir mussten Leute kündigen. Wir haben zehn gekündigt und 30 sind freiwillig gegangen, weil sie nicht zur Firmenkultur passten. Also von 50 wieder auf zehn. Das Kartenhaus ist eingestürzt, und da hatte ich schon sieben Jahre in die Firma investiert. Das war hart. Damit waren wir aber wieder Cashflow-positiv. Wir sind wie ein Zug mit der letzten Kohle aus dem Tunnel rausgerollt. Ein paar Monate danach habe ich mit McGraw Hill Education (ein US-Bildungsverlag, Anm.) sechs Millionen Euro aufstellen können. So schnell kann sich der Wind drehen im Start-up-Geschäft.
Ganz radikal ein paar Dinge anders machen.
Mit dem in der Szene legendären Investor Hansmann verbindet Sie viel: Er war der erste Business Angel. Wie kamen Sie zusammen?
Wir haben uns beim Wandern in Madrid kennengelernt, uns dann zum Lunch getroffen und sein Investment mit Handschlag besiegelt. Damit hat er heute einen über hundertfachen Return.
Welche Rolle spielte Hansmann im Tagesgeschäft? Es war auch sein Einstieg in die Start-up-Welt.
Er hatte viel Erfahrung als Unternehmer, ist sehr zahlenaffin. Businessplan sauber rechnen, souverän verhandeln, diese Erfahrungen hatte ich so noch nicht. Ich kam aus dem Consulting und Adrian war der Techniker. Hansi sagt heute immer, ich hätte ihn damals bei Busuu voll eingeteilt (lacht). Er war am Anfang auch viel bei uns im Büro.

Bernhard Niesner mit Investor, Mentor und Business Angel Hansi Hansmann
Er hat auch von Ihnen gelernt, wie er sagt.
Wie Performance-Marketing über Google AdWords funktioniert, habe ich mir und dann ihm beigebracht. Das hat ihm dann auch bei Runtastic und Durchblicker viel genützt. Auch als er von Spanien wegging, blieb er mein Guiding Star, mein Mentor. Es hat sich eine Freundschaft entwickelt. Er ist der, den ich anrufe, wenn es scheiße oder richtig gut geht. Bei allen Fundraisings war er involviert. Er ist ein super Verhandler und war ein fantastischer Wegbegleiter. In Zeiten der Krise war er der Erste, der offen angesprochen hat, dass wir restrukturieren müssen. "Hey, Bernhard, uns geht in ein paar Wochen das Geld aus. Wir müssen ganz radikal ein paar Dinge anders machen." Er ist ein wichtiger Bestandteil der Success Story.
Ich musste mir die Frage stellen, ob ich die Kraft habe, das Ganze nochmals von vorn aufzubauen.
Wann hatten Sie echte Angst, dass es auf einen Exitus statt Exit hinausläuft?
Das war 2013/14. Wir hatten kaum mehr Geld am Konto, und dann musste ich mir die Frage stellen, ob ich die Kraft habe, das Ganze nochmals von vorn aufzubauen. 50 Leute, dann sind fast alle weg. Zu der Zeit ist glücklicherweise meine Tochter auf die Welt gekommen. Zu Hause das lächelnde Baby zu sehen, gab Kraft. Und ich habe damals eine Gruppe von CEOs von größeren Startups gehabt, mit denen ich mich alle paar Wochen getroffen habe, um uns ganz offen auszutauschen.
Muss man sich das vorstellen wie das jährliche Klassentreffen der Hansmen Group?
So ähnlich, aber viel strukturierter, intensiver und transparent. Da erzählst du alles. Wie es dir daheim in der Beziehung geht, wie es in der Firma läuft. Es hat was von Gruppentherapie. Da kommst du drauf, dass fast überall der Hut brennt. Firmen, die von außen strahlen, und du weißt, die sind kurz davor, zu explodieren. Das erfahren zu haben, relativiert viel und hilft.
Intaktes Familien-und Beziehungsleben retten wenige Gründer über diese berufliche Dauerbelastung. Ein seltenes Glück...
Das ist richtig. Man braucht sicher einen verständnisvollen Partner. Ich war in vielen Momenten nicht da, habe aber geschaut, dass ich zumindest an den Wochenenden viel Zeit mit den Kindern verbringe. Vor Corona war ich über Jahre von neun bis elf im Büro. Meine Frau war nach der Geburt unserer zwei Kinder ein paar Jahre daheim und hat sich um die Kinder gekümmert. Sie ist jetzt Head of Legal in einem VC-Fonds in London. Wir sitzen oft um elf am Abend noch am Computer, haben aber einen Bezug zu der Arbeit des anderen und daher auch Verständnis, wenn einer mal für den anderen bei den Kindern einspringen muss.
Deal is closed, when the money is in the bank.
Ein guter Exit oder gar der Zeitpunkt sind bedingt planbar. Welche Ziele haben Sie für sich definiert, welche Deadlines haben Sie sich gegeben?
Ich habe mir Milestones gesetzt, mal 50 Mitarbeiter, mal 100 Mitarbeiter. Es wurde immer spannender. Wenn ich noch mitlernen kann, warum soll ich gehen? Wenn es jemand besser als ich kann, hätte ich auch den Schlüssel abgegeben. Ich habe ein super C-Level-Team, ehemalige Mitarbeiter etwa von Airbnb und Spotify. Das sind Leute, die bei schnell wachsenden Technologieunternehmen mit Tausenden Mitarbeitern gearbeitet haben und daher schon viel erlebt haben. Das ist für uns das nächste Level, und die Arbeit macht daher viel Spaß.

Das Busuu-Team im Londoner Headquarter
Wie wurde der Verkaufsprozess tatsächlich gestartet?
Den CEO Dan Rosensweig und meinen jetzigen Chef Nathan Schultz kenne ich seit über fünf Jahren. Die persönliche Beziehung war sicher ausschlaggebend. Nach dem Sommer 2021 war die Konstellation günstig, der Prozess selbst ging schnell. Bei so einem Prozess sind Anwälte und Banker involviert. Das ist viel harte Arbeit und lange Nächte während der Due Diligence. Von Anfang an war es ein intensives Verhandeln, aber beide Seiten wollten den Deal. Es gab während der letzten 14 Jahre immer wieder Leute, die uns kaufen wollten. Mein Learning ist: "Deal is closed, when the money is in the bank".
Welche Regie führte die Pandemie? Ihrem Geschäftsmodell hat sie in die Hände gespielt.
Im ersten Lockdown sind die Zahlen durch die Decke gegangen. Corona hat die Digitalisierung im Online-Education-Markt um drei bis fünf Jahre beschleunigt. Wir hatten im richtigen Moment ein Unternehmen mit Onlinelehrern gekauft und einen Monat danach kam der Lockdown.
Um so eine Plattform zu skalieren, dafür braucht man Erfahrung.
Ihr Mitgründer Adrian Hilti bekommt auch seinen Anteil, war operativ in den letzten Jahren nicht mehr tätig. Wie kam es dazu, wie ist Ihr Verhältnis?
Die initiale Geschäftsidee kam von Adrian. Bei einem MBA-Networking-Event in Madrid war der Platz neben ihm frei und so lernten wir uns kennen. Ich war sofort entflammt, ich spreche selber vier Sprachen. Am nächsten Tag waren wir ein Team und haben den Businessplan zu Busuu im Rahmen des MBAs entwickelt. Damals kam gerade Facebook nach Europa und uns war klar, dass man so ein Community-Konzept auch aufs Sprachenlernen übertragen kann.
Warum hat er sich als CTO zurückgezogen?
Es war schon 2011 klar, dass Adrian nicht weiter operativ sein möchte, aus unterschiedlichsten Gründen. Er hat einen technischen Background, ist aber nicht der klassische CTO. Adrian hat dann bald auch selber gesagt:"Wir müssen einen Profi holen." Wir hatten damals schon 20 Millionen User, und um so eine Plattform zu skalieren, dafür braucht man Erfahrung.

Sprachen lernen am Smartphone mit der Busuu-App: Erfolg trotz Gratis-Konkurrenz.
Sind Sie im Guten auseinandergegangen? Gründerteams reiben sich oft in Konflikten auf.
Anfangs hat es mich etwas geärgert, weil ich dachte, wir sind ein Team. Ab jetzt bin nur mehr ich bis elf im Büro. Wir sitzen da auf einer Rakete und er wollte operativ aussteigen. Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung für ihn und für Busuu. Er war nach wie vor Shareholder und auch Board Member. Seine Familie hat uns auch finanziell unterstützt. Die operative Journey hat er nicht mitgemacht. Ich konnte die tagtäglichen Entscheidungen dann allein treffen.
Es ist eine neue Liga, in einem börsennotierten Unternehmen zu arbeiten.
Woher kommt Ihr Wille, unbedingt als Unternehmer erfolgreich zu werden? Elterliche Prägung?
Mein Vater war Eisentwickler bei Eskimo-Iglo, er hat als Lebensmittelchemiker Eissorten wie den Banana Joe erfunden. Meine Mutter hat sich um meine Schwester und mich gekümmert. Es ist die Nachkriegsgeneration, die erlebt hat, wie die Eltern alles verloren haben. Mein Urgroßvater hatte ein Unternehmen, aber nach dem Krieg als Sudetendeutscher war alles weg. Bis zum Schluss waren meine Eltern skeptisch, ob das mit Busuu wirklich Sinn macht. Am liebsten wäre ihnen wohl ein sicherer Job gewesen. Ich habe das "entrepreneurial" Gen wohl in dritter Generation aus der Familie.
Was wird sich für Sie ändern im neuen Setting im Chegg-Konzern?
Mein Chef Nathan sitzt an der Westküste und ist der Präsident für alle Learning-Services von Chegg. Jetzt habe ich einen direkten Chef, davor hatte ich auch ein Board, an das ich monatlich berichtet habe. Was eine neue Liga ist, ist, in einem börsennotierten Unternehmen zu arbeiten. Da werden Träume wahr. Es wird sicher cool, aber auch intensiv. Der Onlinesprachlernmarkt wird sich fast verdreifachen von 17 auf 47 Milliarden Dollar in den nächsten paar Jahren. Wir spielen nun in der Champions League.
Wie kam es zu dieser Bewertung, immerhin das Zehnfache des Umsatzes?
Wenn wir unsere Ziele erreichen, wird das eine sehr gute Investition für Chegg. Manchen Leuten fehlt vielfach die Vision, gerade in Österreich. Unser Hauptwettbewerber war vor Kurzem mit dem 18-Fachen bewertet. Unsere Investoren sind happy, die Mitarbeiter happy, es hat für alle gepasst.
Wir haben die Chance, das noch einmal richtig groß zu machen.
Ohne finanziellen Druck treibt Sie nun der pure Gestaltungsspielraum an?
Ja, wenn es mir nur um das Nichtmehr-arbeiten-Müssen gegangen wäre, hätte ich schon um fünf, zehn oder 50 Millionen verkaufen können. Die Korrelation zwischen Weitermachen-Wollen und Erfolg ist stark. Wenn der Erfolg nicht kommt, wirft man früher das Handtuch. Eine der häufigsten Fragen, die ich bekomme, ist: Wie lange musst du da jetzt noch arbeiten? Ich verstehe diese Frage nicht. Das ist, wie wenn man Nadal nach dem Gewinn des Grand Slams fragt, wie lange er noch Tennis spielen muss. Ich habe einen Superjob und will da noch Jahre mitarbeiten. Wir haben die Chance, das noch einmal richtig groß zu machen. Aber ich werde sicher gesünder leben, mehr laufen gehen und im Urlaub auch mal das Handy abdrehen.

Bernhard Niesner: "Die Korrelation zwischen Weitermachen-Wollen und Erfolg ist stark. Wenn der Erfolg nicht kommt, wirft man früher das Handtuch."
Wer beglückwünscht einen eigentlich zu so solchen Schlagzeilen?
Vom Bundesheer- bis zu Roland-Berger-Kollegen. Alle freuen sich. Die vielzitierte österreichische Neidgesellschaft habe ich so noch nicht erfahren. Neid ist generell ein unnötiges Gefühl. Bringt einem selbst nichts und der anderen Person ist es eh egal.
Und die Vermögensberater stehen vermutlich Schlange.
Ja, da melden sich viele. Das ist ihr Job. Aber wenn sie ihn wirklich gut machen, sind die schon länger an dir dran.
Ich möchte etwas mit dem Geld machen, dass es der Welt besser geht.
In welcher Dimension ist Ihr Anteil?
Im zweistelligen Millionenbereich.
Wie werden Sie anlegen?
Mein wichtigster Vorsatz: Ich lasse mich nicht stressen. Ich kenne viele vermögende, viel vermögendere Menschen. Klar, kann ich optimieren auf die beste Rendite, es kann mir aber auch ein bisschen egal sein. Solange wir ein Dach über dem Kopf haben und die Kinder auf eine gute Schule gehen. Natürlich will ich auch Start-up-Investments machen. Ich möchte schon etwas mit dem Geld machen, dass es der Welt besser geht. Einen Teil werde ich spenden. Klima-, Health- und EdTech interessieren mich sehr. Wenn mich die Kinder in 20 Jahren fragen, was hast du mit dem Geld gemacht, will ich gute Antworten haben.
Wieviele neue Millionäre bringt der Busuu-Exit?
Das kann ich nicht kommentieren, aber ein guter Prozentsatz wird an die Mitarbeiter verteilt. In UK wird bei Mitarbeiterbeteiligungen die erste Million nur mit zehn Prozent versteuert, danach mit zwanzig. Diese Rahmenbedingungen wären auch für Österreich gut.
In Österreich fehlt ein bisschen der Zunder.
Was bräuchte der österreichische Start-up-Standort noch?
Eine funktionierende Rot-weiß-Rot Karte, eine einfache Struktur für die Mitarbeiterbeteiligung, einen Investitionsfreibetrag für Start-ups, bei dem man bis zu 50 Prozent von der Einkommenssteuer zurückbekommen kannst. Das ist so simpel, nachgewiesen gut. Das ist keine Förderung von Superreichen. Das muss man endlich einmal angehen. Aber, es gibt auch Länder mit viel schlechteren rechtlichen Rahmenbedingungen, wo viel mehr Entrepreneurship herrscht als in Österreich. Es fehlt schon ein bisschen der Zunder.
Sind die österreichischen Gründer zum Teil überfördert?
Viele bauen ihre Start-ups leider um die Förderwelt herum, und denken zu Österreich-zentriert. So ein Ökosystem braucht einfach Jahre für den Aufbau. Den Skiverband in Bolivien baut man auch nicht über zwei Saisonen auf. Aber es gibt auch Erfolge in Österreich. GoStudent macht den Erfolg trotz der hiesigen Rahmenbedingungen. Nicht vergessen sollte man, dass Start-ups die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen werden.
Welchen Rat geben Sie Gründern, die ähnlich kämpfen müssen wie Sie?
Wichtig ist die Leidenschaft. Ich habe oft Jungunternehmer getroffen, die die Geschichte nur machen, weil sie damit Kohle verdienen wollten. Das wird nichts. Der Weg wird zu hart irgendwann. Wenn du für deine Idee nicht brennst, wirst du so einen harten Weg nicht gehen. Zweiter Tipp: sich wirklich offen auszutauschen mit anderen Gründern. Sich einen Mentor suchen, so jemanden wie den Hansi.
Zum Unternehmen
Busuu

Das 2008 von Bernhard Nieser und Adrian Hilti gegründete Start-up Busuu (www.busuu.com) ermöglicht es Nutzern, online über eine App 13 Sprachen zu erlernen. Die Nutzer bekommen nachgewiesene Lernerfolge zertifiziert. Die monatliche Kursgebühr beträgt 9,99 Euro für Private. Für Unternehmen gibt es Firmenlizenzen.
Busuu betreut mehr als 500 Firmenkunden von Alstom bis Tesla. Anfang 2020 hatte Busuu das US-Start-up Verbling übernommen, das 8.000 Sprachtrainerinnen und -trainer für Videounterricht (Einzel-und Gruppen) einbrachte.
Mit Stichtag 13. Jänner 2022 wurde die Übernahme von Busuu durch das US-Start-up Chegg rechtskräftig. Bis zur Übernahme wurde Busuu mit 16 Millionen Euro finanziert (GP Bullhound, Harold Primat, McGraw Hill, PROfounders Capital sowie Martin Varsavsky und Hansi Hansmann). Machte zuletzt einen Umsatz von 40 Millionen Euro und beschäftigt 160 Mitarbeiter (2021).
Chegg Inc.

Chegg wurde selbst erst 2005 in Kalifornien gegründet, machte mit Lernmaterialien und Services für 6,6 Millionen Studenten zuletzt 644 Millionen Dollar Jahresumsatz (2020) und erzielt dabei eine Umsatzrendite von 32 Prozent. Die Wachstumsraten in diesem Markt sind enorm, kann doch einmal erstellter Content beliebig oft verteilt werden.