Wien für die Welt - wieder einmal
Angelika Kramer über die Pläne, die Wiener Börse zum Nabel der globalen Finanzwelt zu machen.
Angelika Kramer - trend-Redakteurin
Eines kann man Christoph Boschan sicher nicht vorwerfen: Trägheit. Der junge Chef der Wiener Börse ist seit seinem Start im letzten Jahr unermüdlich im Einsatz, die Vorteile der Wiener Börse auch weit über die Grenzen des Landes hinaus anzupreisen. Dass der Handel in Wien zu teuer sei, sei eine Mär, auch das Handelsvolumen sei für eine Regionalbörse okay, und dass es keine Börsengänge gäbe, sei anderswo auch so.
Mit Optimismusparolen wie diesen versucht Boschan, die Wiener Börse größer zu machen, als sie ist. Paris, Stockholm, London, Warschau - überall hat er die Vorzüge Wiens schon erläutert, ja, sogar auf CNN war er damit schon. Und jetzt noch das: "Österreich für die Welt - die Welt für Österreich", lautet der jüngste Vorstoß des Deutschen.
Erstmals sind US-Aktien über die Wiener Börse handelbar, und der globale Vertrieb soll ausgebaut werden. In vier Jahren soll dadurch der Umsatz um rund 30 Prozent steigern.
Wir erinnern uns: Angetrieben durch steigende Aktienkurse wähnte sich schon einmal ein Chef der Wiener Börse im Zentrum der weltweiten Finanzszene. "Österreich für ganz CEE, CEE für Österreich", hieß es damals sinngemäß.
Übrig ist davon allerdings nicht mehr viel. Und es ist zu bezweifeln, dass Wien in vier Jahren wirklich der wichtige Knotenpunkt in der europäischen Börsenlandschaft sein wird, der Boschan vorschwebt.
Die Umsätze in US-Aktien in Wien während der ersten paar Tage verheißen jedenfalls nichts Gutes. Wird es nicht endlich einmal Zeit, die Wiener Börse als das zu akzeptieren, was sie ist? Ein kleiner, feiner, weltweit weitgehend unbedeutender Finanzplatz.
Der Kommentar ist im trend. Ausgabe 23/2017 vom 9. Juni 2017 erschienen.
Zum Abo-Shop und Download als E-Paper