Wie die Autobranche wieder auf Touren kommt

Die Automobilindustrie hatte es zuletzt angesichts rückläufiger Neuzulassungen, den Mühen der Elektromobilität und der Widerstände von Klimaschützern und Regulatoren schwer. Doch jetzt scheint eine Wende in Sicht.

Thema: Management Commentary
Christoph Kopp, Managementberatung Horváth in Wien

Christoph Kopp, Automotiv-Experte bei Horváth Österreich

Steigende Material- und Energiekosten sowie die vielfach berichteten Engpässe in den Lieferketten haben gerade nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs für Bestürzung gesorgt, doch die Autobauer wie Zulieferer haben rasch reagiert. Laut einer Branchenbefragung der Managementberatung Horváth standen im Jahr 2022 Kosten- und Erlösstrukturen im Fokus. Zwei von drei Topmanagern konzentrierten sich auf deren Optimierung.

Es scheint so, dass die generelle Krisenstimmung den Autokonzernen sogar dabei geholfen hat, höhere Verkaufspreise durchzusetzen, während die Gewinnmargen bei den Zulieferern unter Druck gerieten. Das konnte man schließlich auch am Markt für Gebrauchtwägen sehen, die – aufgrund fehlender Lieferung von Neuwägen – plötzlich deutlich höhere Preise erzielten.

Kriegsbedingte Lieferkettenprobleme einerseits und die notgedrungene Energiewende hin zu einer CO2-neutralen Mobilitätszukunft andererseits haben die Automotive-Unternehmen jedoch sensibel und selbstkritisch zu einer völlig neuen Ausrichtung ermuntert: Sie arbeiten mit Hochdruck an neuen Antrieben, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – mit guten Aussichten auf Erfolg.

Rekordgewinne im Kriegsjahr

Eines steht schon jetzt fest: Die Automobilbranche wird die aktuellen Herausforderungen ähnlich schnell bewältigen wie die Pandemie, davon gehen die befragten Spitzenmanager in überwiegender Mehrheit aus. Warum?

Die Corona-Krise hatte die Unternehmen zwar über Nacht erwischt, doch sie schafften auch die Erholung sehr rasch. 2021 stieg der Umsatz bereits um überdurchschnittliche 15,5 Prozent (Durchschnitt über alle Branchen: 9,9 Prozent). Und trotz Lieferengpässen bei wichtigen Bauteilen (insbesondere Halbleitern) war auch 2022 in Summe ein Erfolgsjahr.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtete Ende November 2022 von einem „Traumquartal“ und „Rekordgewinnen“ und von Umsatzzuwächsen von bis zu 30 Prozent. Auch im laufenden Jahr 2023 sollen die Umsätze weiter steigen, und das wiederum stärker als in anderen Branchen.

Die hohe Nachfrage nach Neu- und Gebrauchtfahrzeugen, unabhängig vom Antrieb, lässt diese Aussichten realistisch erscheinen, auch deshalb, weil sich Autobauer wie Zulieferfirmen um neue Bezugsquellen und Lieferwege umgesehen haben und mittlerweile offensichtlich fündig wurden. Gleichzeitig hat sich die Verfügbarkeit von kritischen Bauteilen verbessert, wenn auch noch nicht vollständig entspannt.

Die Zulieferer werden vielleicht etwas länger brauchen, um die aktuell volatilen Mengenabrufe sowie die hohen Material- und Energiekosten zu verschmerzen, zumal sie oft nicht die vollen Kostensteigerungen weitergeben können. Doch um die finanziellen Folgen abzufedern, betreiben die Unternehmen inzwischen – gestählt durch die multiplen Krisen der letzten Jahre – laufende Kosten- und Prozessoptimierung.

Weichen zur Elektromobilität gestellt

Was die Horváth-Studie ebenso zeigt, ist der beherrschende Trend zur Elektromobilität. 71 Prozent der befragten Vorstandsmitglieder sehen in dieser Hinsicht sehr großen Einfluss auf ihr Unternehmen. Strategisch sind die Weichen jedenfalls gestellt – jetzt entscheiden die Umsetzungskompetenz und Geschwindigkeit über den Erfolg am Markt.

Überraschend positiv beurteilen die Spitzenmanager auch das Zukunftsthema „Autonomes Fahren“. Für selbstfahrende Autos zeichnet sich perspektivisch hohe Relevanz ab, gerade auch als Ausgangspunkt für neue Geschäftsmodelle und innovative Mobilitätskonzepte. 50 Prozent der befragten Spitzenmanager messen dem autonomen Fahren hohe Bedeutung für ihr Unternehmen bei, wobei Autobauer deutlich stärker als Zulieferer.

Fazit: Die Automobilindustrie sieht nach Jahren der Unsicherheit wieder Licht am Ende des Tunnels. Die großen Trends hin zur Elektromobilität und Nachhaltigkeit, die Organisation der digitalen Transformation und das Thema Autonomes Fahren und damit zusammenhängende neue Geschäftsmodelle und innovative Mobilitätskonzepte halten die Spitzenmanager auf Trab. „Weniger ist mehr“ könnte in der Branche das „neue Normal“ werden.


Für die Branchenumfrage wurde im Sommer 2022 eine repräsentative Auswahl an Vorstandsmitgliedern aus Automotive-Unternehmen befragt.


DER AUTOR

Christoph Kopp ist Associate Partner und Mitglied des Führungsteams der Managementberatung Horváth Österreich. Er ist spezialisiert auf die Fertigungsindustrie.

Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Unternehmensberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".


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