BWB-Chef Thanner: "Der Wert des Wettbewerbs in der Krise"

Wettbewerb scheint in Zeiten der Krise abgeschafft. Kooperationen, Subventionen und Fusionen bestimmen die Wirtschaft. Doch die Kartellhüter sind wachsam.

BWB-Chef Thanner: "Der Wert des Wettbewerbs in der Krise"

Theodor Thanner steht seit Juli 2007 der Bundeswettbewerbsbehörde vor. Davor war der gebürtige Salzburger in diversen Funktionen in der Salzburger Landesregierung und im Innenministerium tätig.

Wettbewerb bedeutet immer, die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu haben. Aufgabe der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ist es, fairen Wettbewerb in Österreich sicherzustellen. Dies gilt umso mehr in Zeiten einer Krise.

In Zeiten von Covid-19 versuchen Unternehmen, die Herausforderungen der wirtschaftlichen Krise auf vielfältige Weise zu bewältigen, unter anderem durch Nutzung neuer Vertriebswege und einen verstärkten digitalen Auftritt. Darüber hinaus kann beobachtet werden, dass Unternehmen, die einander sonst in intensivem Wettbewerb gegenüberstehen, in der Krise Kooperationen starten, um die notwendige Versorgung zu gewährleisten oder neue Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen wie beispielsweise in der Pharmabranche. Solange aus der Zusammenarbeit verbraucherrelevante Effizienzvorteile hervorgehen, bietet das Wettbewerbsrecht genügend Raum für solche Kooperationen.

Besonders bedenklich ist aber, dass auch Preisabsprachen und Kartellbildungen während der Krise fortgesetzt werden. Die BWB wird diesen gesetzwidrigen Verhaltensweisen mit aller Klarheit entgegentreten.

Den finanziellen Druck auf Unternehmen versucht die öffentliche Hand, in der Krise auszugleichen, indem sie Subventionen und Steuererleichterungen gewährt. Um zu verhindern, dass Staaten sich in einen teuren Subventionswettlauf zugunsten ihrer heimischen Unternehmen begeben, sieht das europäische Wettbewerbsrecht neben dem Verbot schädlicher Wettbewerbsbeschränkungen auch eine Kontrolle staatlicher Unterstützungsleistungen vor. Beihilfen müssen auf Basis objektiver Kriterien gewährt werden und sollen letztlich ein "level playing field" ermöglichen.

Während das Beihilfenrecht in "normalen" Zeiten Anreize für Regierungen beschränken soll, einen den gemeinsamen Markt gefährdenden Wettbewerb mit Subventionen zu führen, wurden für die Dauer der Krise Sonderregelungen eingeführt, um direkte Unternehmenshilfen einfacher durchzusetzen.

Dabei ist aus zweierlei Sicht Vorsicht geboten:

  • Erstens besteht die Sorge, dass die wohlhabenderen Staaten der EU aufgrund ihrer Budgetspielräume aktivere Stützungspolitik betreiben und damit eine Verzerrung des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs herbeiführen könnten.
  • Zweitens wurde mit Hilfe der Stützungsmaßnahmen der normale wirtschaftliche Zyklus unterbrochen, in dessen Rahmen Firmen entstehen und gleichzeitig Firmen aus dem Markt austreten. Dies zeigt sich auch anhand des Rückgangs der Unternehmensinsolvenzen um 40 Prozent im Jahr 2020 in Österreich. Es kann davon ausgegangen werden, dass nach Beendigung der Krise ein Anstieg von Unternehmensinsolvenzen erfolgt.

Anstieg der Fusionen - Kontrolle der Marktmacht

Aus Wettbewerbssicht ist es wichtig, jene Unternehmen zu unterstützen, die lediglich krisenbedingt in Schieflage geraten, jedoch prinzipiell überlebensfähig sind. Das Ausscheiden eigentlich gesunder Unternehmen aus dem Markt ließe nach Überwindung der Krise lediglich ihre finanzstärkeren Wettbewerber in einem zunehmend konzentrierten Markt zurück -mit all den nachteiligen Auswirkungen für Verbraucher. Ebenso könnten finanzstarke Unternehmen die Krise nutzen, um ihre geschwächten Konkurrenten zu günstigen Konditionen aufzukaufen.

Wir rechnen deshalb auch damit, dass die Anzahl der Unternehmensfusionen 2021 stark zunehmen und die Konzentration in verschiedenen Märkten ansteigen wird. Wettbewerbsbehörden prüfen im Rahmen der Fusionskontrolle derartige Unternehmenskäufe, wenn die gesetzlichen Anmeldeschwellen erfüllt sind. Auch in Krisenzeiten gilt für Zusammenschlüsse, dass diese nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen dürfen.

Die BWB veröffentlichte im Juli 2020 dazu ihren Standpunkt zu gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Zusammenschlüssen im Kontext der Covid-19-Krise -"Shutdownfusionen". Das soll Unternehmen bei Anmeldungen von Shutdownfusionen bei der BWB unterstützen. Durch den Umstand, dass es zu Marktbereinigungen und zu Marktkonzentrationen kommt, ist zu befürchten, dass die Preise steigen, die der Konsument zahlen muss. Die BWB wird sicherstellen, dass die Krise nicht als Vorwand genutzt wird, um mittel-bis langfristig die Marktmacht einzelner Unternehmen zu zementieren. Diese Aufgabe ist insbesondere für die Nachkrisenzeit entscheidend, um die wohlfahrtssteigernde Wirkung des Wettbewerbs zu sichern.


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