US-Wahlen: Der Trumpelpfad

Essay von Peter Pelinka: Donald Trump wird trotz jüngster Aufholjagd wahrscheinlich doch nicht zum 45. Präsidenten der USA gewählt werden. Aber es ist ein bezeichnender Irrsinn, dass er es überhaupt so weit gebracht hat.

US-Wahlen: Der Trumpelpfad

Peter Pelinka

Es gab doch noch eine unangenehme "Oktoberüberraschung" für Hillary Clinton. Das FBI will noch einmal die E-Mail-Affäre untersuchen, wie sein republikanischer Chef James Comey knapp vor der Wahl bekanntgab. Obwohl er Anfang Juli erklärt hatte, dass Clinton als Außenministerin mit der Vermischung zwischen Mails auf privatem und öffentlichem Server zwar "außerordentlich verantwortungslos" gehandelt habe, aber nicht strafwürdig.

Perfide: Die neuen Ergebnisse werden erst nach der Wahl vorliegen. Der seit 28 Jahren von muslimischen Fanatikern mit dem Tod bedrohte Autor Salman Rushdie reagierte fassungslos auf die von Trump gesteuerte Hysterie ("Das größte Verbrechen seit Watergate"), indem er auf anstehende Verfahren gegen Trump hinwies ("im November wegen Schutzgelderpressung, in Dezember wegen Kindervergewaltigung") und auf seine Rolle als "Steuerschoner" und "Frauenraubtier". Aber: "Oh, but let's talk about some emails. Come on, America. Focus!"

Hoffentlich werden sich die Wähler doch auf das Wichtige konzentrieren.

Etwa auf Trumps Weigerung bei der dritten TV-Debatte mit Clinton, das Wahlergebnis akzeptieren zu wollen: "Ich werde mir das anschauen." Konter seines stärksten Gegners, des amtierenden Präsidenten Obama: "Sie fangen an zu jammern, bevor das Spiel überhaupt vorbei ist? Dann haben Sie nicht das, was es in diesem Job braucht." Trumps Korrektur: Er würde doch ein Ergebnis anerkennen, seinen eigenen Wahlsieg. Ansonsten wäre die Wahl gegen ihn manipuliert. Wer denkt da nicht an Österreich 2016?


Orbán, Kaczynski, Erdogan, Duterte, Trump.

Die meisten Weltbürger würden nach aktuellen Umfragen lieber Clinton als Trump im Weißen Haus sehen. Einzige Ausnahme: Russland. Erklärlich: Die ehemalige Außenministerin ist stets eine harte Linie gegen den ehemaligen Erzfeind gefahren, nun nennt sie ihren Rivalen "Putins Puppe". Tatsächlich ist beider Amtsverständnis ähnlich, nämlich höchst autoritär. Wie auch Orbán in Ungarn, Kaczynski in Polen, Erdogan in der Türkei oder Duterte auf den Philippinen versteht sich Trump als Vertreter eines angeblichen Volkszorns auf die Eliten und nicht mehr an traditionelle Spielregeln der Demokratie gebunden. Oppositionelle werden mit Gefängnis ober Schlimmerem bedroht.

Bezeichnend dafür sind die persönlichen Attacken auf Hillary, jeweils von zustimmenden Sprechchören seiner Anhänger unterstützt ("Lock her up!"): Wäre er Präsident, würde seine Gegnerin ins Gefängnis geworfen. Aber: In einem demokratischen Rechtsstaat entscheidet über Schuld oder Unschuld allein die unabhängige Justiz - und kein Präsident.

Trump ist ein poltender Polarisierer, in dieser Schärfe bisher ungewöhnlich für die USA, ein Gegenbild zum konservativ-empathischen Reagan, zu den berechenbar-langweiligen Bushs, zum liberal-charmanten Clinton, zum charismatischen Erneuerer Obama.

Der Soziologe Norman Birnbaum von der Georgetown-University fällt über den Kandidaten ein vernichtendes Urteil: "Der Präsident ist ein Priester für die nationale Seele. Trump ist dafür ungeeignet. Aber er hat es geschafft, Politik und Massenkultur erfolgreich zu verschmelzen, in einer Art und Weise, die an das Dritte Reich erinnert." Oder an einen anderen Diktator: "Zeit"-Urgestein Josef Joffe nennt ihn "Amerikas blonder Mussolini".


Priester, Mussolini, Trump.

Trump setzt auf die persönliche Abwertung des Gegenüber. Fast jeder seiner Tweets greift Hillary als "crooked" (korrupt/betrügerisch) an. "She doesn't even look presidential". Obwohl der "Betrüger" eher für Trump selbst gilt: das höchste Gericht des Bundesstaates New York wird nach dem Wahltag entscheiden, ob dem Milliardär der Prozess gemacht wird

Seine "Trump University" hat von 2002 bis 2011 Seminare zum Erfolg im Immobiliengeschäft angeboten und dabei -so die Sammelklage mehrere Besucher -5.000 Teilnehmer um insgesamt 40 Millionen Dollar betrogen. Auszug aus dem Handbuch für Anwerber, veröffentlicht in der "Washington Post":"Ihr verkauft keine Produkte. Leistungen oder Lösungen -ihr verkauft Gefühle ( ) Lasst potenzielle Kunden nie die Kontrolle über das Gespräch erlangen".

Solche Methoden prägen Trumps Wahlkampfrhetorik: alles Schwarz gegen Weiß, nur ja nicht differenzieren, möglichst viel polarisieren und Feindbilder schaffen. Alle Mexikaner als Vergewalti ger, alle illegal in den USA lebenden Migranten als Kriminelle. Obwohl ein Abschieben der rund elf Millionen ohne Papiere in den USA lebenden Menschen - die Hälfte von ihnen zehn Jahre oder länger in den USA, die meisten davon verheiratet und/oder mit Kindern - weder ordnungspolitisch durchsetzbar ist noch wirtschaftspolitisch sinnvoll. Arbeitgeberverbände wie Einzelstaaten plädieren für eine schrittweise Legalisierung von Arbeitskräften, ohne die in etlichen Branchen längst nichts mehr ginge.

Trump schädigt sich damit auch selbst: Der Großteil der Betroffenen sind Latinos, sie machen schon jetzt mehr als 17 Prozent der Wähler aus. Sogar die antimuslimischen Töne des Milliardärs klingen seltsam in dem traditionellen Land von Migranten aus allen Weltreligionen und Weltregionen, in dem etwa in New York City 600 muslimische Polizeibeamte unter einem latinostämmigen Polizeichef arbeiten. Und die Schwarzen - 13,5 Prozent der US-Bevölkerung -stehen Trump mehrheitlich ablehnend gegenüber. Auch das mit gutem Grund: Er hat sich nicht von der Unterstützung des weißen Rassistenbundes KuKluxKlan distanziert.

Aktuell spielt Trump mit einschlägigen Vorurteilen: So predigt er die längst widerlegte Mär, Barack Obama sei in Kenia geboren und daher kein legitimer US-Präsident. Und viele in Asien geborene US-Bürger (5,5 Prozent) fühlen sich von Trumps protektionistischen Kreuzzug gegen China unangenehm berührt.


Handelskrieg, Ignoranz, Risikofaktor, Trump.

Der britische "Economist" reiht Trump in die zehn größten Risiken für die Weltwirtschaft ein: Seine feindliche Haltung gegenüber dem Freihandel, insbesondere gegen China und Mexiko, könnte rasch in einem Handelskrieg eskalieren.

Nicht nur in einen Handelskrieg: Constanze Stelzenmüller, gegenwärtig beim liberalen Thinktank "Brookings Institution", geißelt die "abgründige Ignoranz" von Trump in Sachen Außenpolitik: "Sein Unwissenheit würde ihn als Präsident zu einem echten Risikofaktor machen."

Dennoch findet Trump seine Wähler, vor allem in der weißen Unter-und Mittelschicht, entweder schlecht ausgebildet und eher schlecht -wenn überhaupt - verdienend, oder den eigenen Absturz fürchtend, tatsächliche oder vermeintliche Opfer der Globalisierung und ihrer Sehnsucht nach angeblich besseren früheren Zeiten, die aber unwiderruflich vergangen sind.

Sie verehren in paradoxer Manier einen mit auch unsauberen Methoden groß gewordenen Milliardär, der ihnen Heil verspricht, den Großverdienern (ein Prozent der Amerikaner besitzen 40 Prozent des Volksvermögens) aber weitere Steuererleichterungen. Und sie üben sich in "Postfaktizismus", der Überzeugung, es gäbe keine überprüfbaren Tatsachen, Experten, Medien. Obama hat eben diesen modischen Antiintellektualismus in seiner Rede an der Rudgers-University scharf gekontert: "In der Politik wie im Leben ist Unwissenheit keine Tugend. Es ist nicht cool, keine Ahnung zu haben, wovon man spricht."

Sollte Trump stolpern, dann über seine eigenen Fehler. Er verprellt die Minderheiten der Latinos, Asiaten und Afroamerikaner, in Summe eine Mehrheit. Er mäßigt den aggressiven Ton seiner Vorwahlkampagne nicht, im Gegenteil. Und er verstößt gegen Grundprinzipien seiner Partei: Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin haben für ihn keinen besonderen Wert. Ebenso wenig das NATO-Bündnis und die Gemeinschaft mit dem Westen.

Er hegt eine Vorliebe für Autokraten wie Putin, spottet über das amerikanische Militär "und beleidigt sogar die Eltern eines gefallenen US-Soldaten", wie Martin Hingst, US-Korrespondent der "Zeit", analysiert. Dass Trump mit seinen pfauenhaft-pubertären Tiraden und seinen in jeder Hinsicht ungustiösen Untergriffen die klare Mehrheit der Frauen gegen sich aufgebracht hat, ist dann "nur" noch ein - vermutlich entscheidender - Zusatzfaktor.

Die Welt kann das nur hoffen. Viele internationale Psychologen warnen vor dem hemmungslosen Narzissmus Trumps, seinem Egozentrismus, verbunden mit der Unfähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, Niederlagen einzugestehen, sich an zivilisierte Spielregeln zu halten. Was passiert, wenn so jemand an der Spitze der noch immer mächtigsten Weltmacht stünde, mit der alleinigen Befugnis für den Einsatz ihres nuklearen Potenzials?


Zur Person

PETER PELINKA war u. a. Chefredakteur von FORMAT, ORF-Moderator von "Im Zentrum". Heute ist er Kolumnist bei News, Moderator bei ORF 3 ("Runde der Chefredakteure") sowie Gesellschafter der Medientrainingsfirma Intromedia. Seit 1988 hat er alle US-Präsidentschaftswahlen vor Ort beobachtet.

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