US-Wahlen: “Ich bange um dieses Land”
Gastkommentar der Germanistin Christa Gaug, die seit 1992 in den USA lebt. Nach den Präsidentschaftswahlen ist sie schwer geschockt, und wie sie sagt, „zur Auswanderung bereit.“

Jetzt steht es also fest: Der nächste amerikanische Präsident heiß Donald Trump – obwohl Hillary Clinton die Mehrheit aller Stimmen hat. Ungläubiges Entsetzen in meinen vier Wänden, ein erschrockener Anruf von meiner nun wahlberechtigten Tochter, die wie ich die Welt nicht mehr versteht, Kopfschütteln von meinem 16-jährigen Sohn und Händeringen unter meinen erschöpften und deprimierten Freunden, die sich wie ich nach einem Aufatmen und “Endlich vorbei!” gesehnt hatten.
Hoffnungsvoll hatten wir alle am Wahltag auf die hohe Wahlbeteiligung vor allem unter hispanischen Wählerinnen und Wählern geblickt und uns einen demokratischen Denkzettel für den Beleidiger aller Minderheiten gewünscht, aber das bittere Ende des unsäglichen amerikanischen Wahlkampfs heißt: "Trump".
Aufs Entsetzen folgt sogleich die Frage: Wie soll es jetzt weitergehen in diesem gespaltenen Land? Mit diesem von allen weggelachten und sogar von vielen seiner Parteigenossen weggewünschten Kandidaten Trump? Wie soll es weitergehen in diesem Land, das Trump in den Rang eines Abraham Lincoln, John F. Kennedy und Barack Obama erhoben hat? Trotz aller Skandale, trotz aller Aussagen über Frauen, Mexikaner, Muslime, Behinderte? Über alles, was mir nicht nur politisch, sondern auch moralisch korrekt erschienen war?
Donald Trump - ein Mauerbauer und Steuervermeider mit vagen Versprechungen
Wie soll es weitergehen in einem Land, das einen schlauen Steuervermeider mit vagen Versprechungen einer intelligenten Profi-Politikerin vorzieht, die zwar von ihrem eigenen E-Mail Skandal geplagt blieb, aber doch ganz konkrete Pläne vorlegte zur Leistbarkeit der Universitätsausbildung, zur Reform der Krankenversorgung, zum Ausbau der Infrastruktur und vielem mehr?
Der Wahlkampf ist nun vorbei, aber die Gräben, die diese Schlammschlacht zwischen den beiden unbeliebtesten Präsidentschaftskandidaten in der Geschiche US-amerikanischer Wahlen aufgerissen hat, schienen am Wahltag nicht nur vertieft, sondern unüberbrückbar.
Auf den Slogan “Gemeinsam Stärker” hatte Hillary Clinton gesetzt. Aber Gemeinsamkeit ist offensichtlich nicht angesagt in den heutigen USA. Noch einmal sehe ich mir Bilder von den letzten Wahlveranstaltungen beider Kandidaten an. Ein Meer von weißen Gesichtern neben den Trump/Pence Plakaten. Eine bunte Vielfalt von Gesichtern jeder Hautfarbe und ethnischen Herkunft neben denen für Clinton/Kaine.
Diese kulturuelle Vielfalt ist es, was die USA für mich ausmacht. Das ist die Gemeinsamkeit, in der ich mich wohl fühle und die ich mir für meine Kinder und zukünftige Generationen wünsche. Dass diese Gemeinsamkeit in dieser Wahl letztendlich den Untergangsvisionen des Mauerbauers unterlegen ist, lässt mich für die Zukunft dieses in so vieler Hinsicht kreativen Landes bangen.
Zur Person
Christa Gaug, Germanistin, geboren in Kärnten, Studium in Wien und Austin, Texas, lebt seit 1992 mit ihrem Mann und zwei Kindern in den USA. Sie lehrt deutsche Sprache und Kultur, bis 2014 an der Rice University in Houston.