Start-ups: Abstiegskampf statt Champions League
Damit Österreichs Start-ups international mithalten können, bedarf es weit mehr als nur Lippenbekenntnisse. Aber selbst diese fehlen, meint der stellvertretende trend-Chefredakteur Oliver Judex.
Oliver Judex, Stv. Chefredakteur trend
Bis sich Österreich zu den "Innovation Leaders" zählen darf, sei noch ein harter Weg, wurde Harald Mahrer, selbsternannter Mr. Start-up und Wirtschaftsminister der letzten Regierung, nicht müde zu betonen: "Wer sich mit dem Durchschnitt zufriedengibt, wird es nie in die Champions League schaffen."
Mahrers Spielzeit im Regierungsteam ist inzwischen vorbei. Eine neue Equipe ist eingelaufen. "Wir betreten heute ein völlig neues Spielfeld", pfiff Kanzler Sebastian Kurz in seiner Regierungserklärung das neue Match an. Digitalisierung und Mobilität "werden unser Land immer stärker verändern. Wir wollen auf diesem neuen Spielfeld Österreich wieder einen Platz an der Spitze ermöglichen."
Das Ziel bleibt also das gleiche. Doch das Dribbling dorthin unterscheidet sich bereits in den ersten Spielzügen wesentlich. Während zuletzt die Begriffe "Start-up" und "Innovation" auch unter Regierungsmitgliedern en vogue wurden - zur Erinnerung: der damalige Kanzler Christian Kern lieferte sich mit Außenminister Kurz regelrechte Duelle um die besten Fotos an der Seite von jungen Gründern, Mahrer rief das Gründerland Nummer eins aus, und das Startup-Paket der Regierung sollte die junge Szene mit 185 Millionen Euro fördern -, scheinen diese Themen bei der neuen Mannschaft noch nicht wirklich angekommen zu sein. Auch von einer unbedingt nötigen Bildungsoffensive im Digitalbereich ist weit und breit (noch?) nichts zu sehen. Was aber daran liegen kann, dass sich die Regierung vorrangig einmal mit diversen Umfärbungen, irgendeiner Art von Nulldefizit und Tempo 140 auseinandersetzen musste.
Stillstand im Start-up-Land
Derzeit ist Stillstand", diagnostiziert Hansi Hansmann, Österreichs erfolgreichster Business Angel, nüchtern. Genau genommen sogar Rückschritt. Denn kaum im Amt, schnürte die neue Regierung das Start-up-Paket flugs wieder auf und strich die darin vorgesehene 100 Millionen Euro schwere Entlastung der Lohnnebenkosten, die 3.000 Arbeitsplätze bei rund 1.500 Start-ups hätte schaffen sollen. Schließlich dürfe es ja nicht sein, dass Start-ups bevorzugt behandelt werden, so die Lesart der Regierung. Sie verweist auf die Steuerreform 2020, von der dann alle Unternehmen profitieren sollen.
Womit die Regierung Kurz zeigt, welche Bedeutung Start-ups für sie haben: nämlich keine. Zumindest keine, die so einfach zu erkennen wäre. Start-ups in einen Topf mit allen anderen Firmen zu werfen, bedient höchstens die Klientel der traditionellen Unternehmerschaft - schließlich stieß das Herumschwänzeln von Mahrer, Kern &Co. um die jungen Gründer in den letzten Jahren vielen neiderfüllt auf.
Internationale Coaching-Methoden
Tatsache ist jedoch, dass international ganz anders mit Start-ups umgegangen wird - und auch mit den ebenso wichtigen privaten Investoren. Da gibt es bürokratische Erleichterungen, steuerliche Investitionsanreize, das Umwerben ausländischer Entwickler, die Schaffung von Hubs, um die Kreativität der Jungspunde zu bündeln und zu fördern, und umfassende Bildungsprogramme für den nötigen Nachschub an Digitalexperten. Da wurde verstanden, dass Start-ups schneller, effizienter und zielgerichteter in der Lage sind, auf die Welle der Digitalisierung mit innovativen Konzepten zu reagieren: Sie regen den Wettbewerb an, sorgen für die Modernisierung der Platzhirsche, bringen Konsumenten maßgeschneiderte Services, von denen sie bisher nicht zu träumen wagten.
Eine gezielte Förderung von Start-ups wäre also zweifellos die beste Methode, um das Potenzial, das in den österreichischen Gründern steckt, voll auszuschöpfen und der Digitalisierungswelle mit Ideen, Können und Mut begegnen zu können. Wobei aktuell nicht nur konkrete Maßnahmen allein abgehen. Die dramatischere Entwicklung ist das Loch, in dem alle bisherigen politischen Bemühungen zu verschwinden drohen. Denn das Totschweigen der Gründerszene und das Fehlen von politischen Machern, die sich mit Herzblut dafür einsetzen, richten einen nicht minder großen Schaden an.
Noch stehen wir ziemlich am Beginn einer neuen Spielzeit, noch hat sich unser Rückstand gegenüber Ländern, die viel weitblickender agieren, nicht vergrößert. Aber wenn wir noch länger bei dieser Spielweise bleiben, besteht die Gefahr, endgültig ins Hintertreffen zu geraten. Dann hätten wir nicht nur die Chance verspielt, in der Champions League mitzumischen, sondern laufen Gefahr, gar in die Unterliga abzusteigen.
Der Kommentar ist dem trend Start-up Extra "Geniale Köpfe" vom 13. April 2018 (Nr. 15/2018) entnommen.