Sozialer Ausgleich statt jeder gegen jeden
„Wer das Gold hat, macht die Regeln“, sagte Frank Stronach. Jene, die Attacken auf die Sozialpartner reiten, verfolgen eine ähnliche Agenda.
Rudi Kaske - Präsident der Arbeiterkammer
Im Juni haben sich die Sozialpartner auf die Umsetzung von 1.500 Euro Mindestlohn geeinigt. Eine Neuregelung der Arbeitszeitbestimmungen kam nicht zustande, die Sozialpartner werden weiterverhandeln. Angesichts der bestehenden Bandbreite an flexiblen Arbeitszeitmodellen kein Grund zur Alarmstimmung – dennoch nehmen dies die Gegner der Sozialpartnerschaft zum Anlass, um lautstark deren Abschaffung zu fordern.
Worum geht es? Einigungen sind möglich, wenn die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden. Das zeigt der kürzlich von den Sozialpartnern abgeschlossene Kollektivvertrag für die Beschäftigten im Bahn-Catering. Die Arbeitgeber profitieren von flexibleren Arbeitszeiten, die Arbeitnehmer von einer herzeigbaren Lohnerhöhung. Verhandlungen sind keine Einbahnstraße.
Das gilt bei der Arbeitszeit ebenso wie bei anderen Themen. Ansagen der Hardliner unter den Unternehmern à la „Wir haben nichts zu verteilen“ – und das nach Jahrzehnten steigender Gewinnquoten – provozieren als logische Antwort von Arbeitnehmerseite: „Wir haben nichts zu verschenken.“
Die Verhandlungskultur der Sozialpartner sichert den Arbeitgebern stabile Rahmenbedingungen. Wird über die Anliegen der Beschäftigten drübergefahren, werden auch die Konflikte zunehmen. Industriebosse wie Georg Kapsch, Stefan Pierer & Co. hätten im Falle von Streiks und Instabilitäten ein Problem.
Die beabsichtigte Schwächung der Sozialpartnerschaft hat die Schwächung der Arbeitnehmerrechte zum Ziel. Die Kollektivverträge – sie regeln Mindestlöhne, die jährliche Lohnerhöhung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und vieles mehr – „können bleiben“, verlautbarte Neos-Chef Matthias Strolz unlängst. Doch die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern müsse fallen. Dass die flächendeckende Geltung der Kollektivverträge weg ist, wenn sich Betriebe aus der Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer verabschieden können, verschweigt er.
Weitere Ansagen der Kammer-Gegner aus dem pinken Lager: Die Altersteilzeit soll abgeschafft, das Pensionsantrittsalter angehoben und der Sozialstaat zusammengestutzt werden, die Rechte der Mieter beschnitten werden. Auch die FPÖ nimmt wieder einmal einen Anlauf zur Abschaffung der gesetzlichen Mitgliedschaft in den Kammern. Dass gerade die Beschäftigten aus der Arbeiterschaft eine starke AK brauchen, um zu ihren Rechten zu kommen, kümmert die selbsternannte Partei der „kleinen Leute“ nicht.
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen funktioniert die Sozialpartnerschaft. Als Krisenfeuerwehr vereinbarten die Sozialpartner neue Regeln für die Kurzarbeit, die Möglichkeiten der Weiterbildung wurden durch die Erleichterung der Bildungskarenz und Einführung der Bildungsteilzeit ausgeweitet. Dem Lohn- und Sozialdumping hat die Regierung auf Basis von Sozialpartner-Einigungen den Kampf angesagt.
Industriebosse hätten im Fall von Streiks und Instabilität ein Problem.
Für Jugendliche wurden die Ausbildungsgarantie und der Ausbau der überbetrieblichen Lehrausbildung erreicht, für freie Dienstnehmer der volle Einbezug in die Sozialversicherung. Zur raschen Integration der Flüchtlinge erarbeiteten die Sozialpartner im Vorjahr unaufgeregt ein Maßnahmenpaket; dass es nur teilweise von der Regierung umgesetzt wurde, ist eine andere Sache.
Der konsensorientierte Weghat Erfolg gebracht. Österreich liegt bei Wirtschaftsleistung pro Einwohner EU-weit auf Platz vier, beim real verfügbaren Einkommen nach Steuern inklusive Sozialleistungen auf Platz zwei. Wir gehören zu den wirtschaftlich und sozial erfolgreichsten Ländern, was nichts daran ändert, dass es große Herausforderungen anzupacken gilt.
Setzen wir weiterhin auf sozialen Ausgleich, erarbeiten wir auf Basis von Daten und Fakten nachhaltige Lösungen, statt zu einer Politik des Lobbyismus, einer Politik des „jeder gegen jeden“ überzugehen.
Die Menschen wissen, was sie an den Sozialpartnern und an der AK haben. Es ist kein Zufall, dass die Sozialpartner weit höhere Vertrauenswerte aufweisen als die Parteien. Wir mögen als altmodisch gelten, wir treiben keinen Personenkult, sind keine neuartigen "Bewegungen". Aber unsere Mitglieder wissen, dass wir für sie da sind.