Robin Lumsden: Ein US-Präsident im Gefängnis?
Der Wiener Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden hat sich in den USA die Gerichtsdokumente in der Causa Trump genau angesehen. Daraus wird klar, dass der ehemalige Präsident an allzu vielen Fronten kämpft. Seine Mitstreiter weisen schon jetzt darauf hin, dass selbst bei einer Verurteilung eine Kandidatur möglich sei. Die US-Verfassung gibt das her.
Der Autor Robin Lumsden mit dem Politologen Francis Fukuyama. Bedenklich für die Demokratie sei, meint Fukuyama, dass Trump es geschafft habe, einem signifikanten Teil der Bevölkerung zu signalisieren, dass die letzte Wahl gestohlen worden sei.
Ich bin zurück aus Stanford. Noch haben sich die Wogen der Erregung über die Zerschlagung der gerade in der kalifornischen Technologieszene sehr beliebten Silicon Valley Bank durch die Bundesbehörde FDIC, die ein Domino an Bankenpleiten ausgelöst hatte (siehe auch trend vom 24. März) nicht ganz gelegt, rückt nun die amerikanische Innenpolitik wieder in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Vor allem durch das endgültig gerichtsoffizielle Verfahren gegen Donald Trump. Mehr denn je bin ich der Überzeugung: Trump wird ins Gefängnis kommen. Aber erst in einigen Jahren.
Es war ein historischer Moment: Anfang April wurde erstmals gegen einen ehemaligen US-Präsidenten Anklage erhoben. Voller Spannung hatte man hier einen historischen Moment verfolgt, dass gegen Donald Trump Anklage erhoben wurde. Weltweit wurde darüber berichtet, das innen- und außenpolitische Echo war enorm - natürlich hat man sich auch in Stanford diesem Thema intensiv gewidmet.
Politisches Neuland
Der nun berühmt gewordene New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg hat damit unerschlossenes rechtliches und politisches Terrain betreten, er dürfte wohl als Präsidenten-Ankläger in die Geschichte eingehen. Die strafrechtliche Anklage durch eine Grand Jury (Geschworene, die eine Anklage beschließen) eines ehemaligen US-Präsidenten ist, auch wenn es in der Vergangenheit sehr ähnliche Konstellationen gab, tatsächlich politisches Neuland mit noch nicht absehbaren Konsequenzen.
Aus juristischer Sicht wird Trump "Falsifying Business Records" (eine Art Fälschung von Geschäftsunterlagen) vorgeworfen. Inhaltlich gehen die Anschuldigungen jedoch vor allem auf verdeckte Schweigegeldzahlungen im Vorfeld des Wahlkampfes 2016 zurück. Die Hauptverhandlung (das sogenannte Trial) dürfte sich wohl bis ins kommende Jahr ziehen, danach werden wohl auch noch alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden. Ein Schicksal, dass dies exakt in den Präsidentschaftswahlkampf fallen wird und uns damit wohl ein turbulentes politisches Jahr bevorstehen wird.
Trump mit vielen Hundert juristischen Fronten
Ich konnte die Rechtslage kürzlich in der "ZiB 2" erklären, die Situation sieht für Trump definitiv nicht rosig aus: In den von mir als US-Anwalt (legal) zugänglichen Gerichtsdokumenten wird klar, dass Trump an vielen Hundert juristischen Fronten kämpft. Die reichen von der Lagerung sensibler Dokumente in Florida über die Wahlbeeinflussung in Georgia bis hin zum Sturm aufs Kapitol in Washington D.C. Ob er all das für seine Wiederkandidatur auch politisch beseitigen kann, ist offen.
Interessantes Detail: Rein rechtlich sieht die US-Verfassung lediglich vor, dass man mindestens 35 Jahre alt, US-Staatsbürger durch Geburt sowie seit mindestens 14 Jahren aufenthaltsberechtigt sein muss, um als Präsident zu kandidieren. Würde also selbst die im Raum stehende Anklage von Trump nach dem Espionage Act aufgrund der Lagerung sensibler Dokumente in seiner Privatresidenz seinen politischen Ambitionen nichts anhaben können?
Wenn man sich derzeit in konservativen Kreisen umhört, wo die US-Verfassung auch traditionell enger ausgelegt wird, verweist man schon jetzt präventiv darauf, dass selbst eine Verurteilung nach dem Espionage Act einer Kandidatur nicht entgegensteht und die aktuellen Verfahren ohnedies alle politisch motiviert seien. Über Ersteres lässt sich streiten - letzteres ist permanenter Teil von Trumps Krisen-PR: Trump wurde danach Opfer einer inszenierten Hexenjagd. Aber wohin führt Donald Trump diese Flucht nach vorne?
Ich vertrete seit langem die Ansicht, dass Trump irgendwann im Gefängnis landen wird, und habe dies auch immer wieder öffentlich kundgetan. Die Vorwürfe sind politisch wohl zu brisant. Auch wenn die rechtliche Situation wohl mangels Präzedenzfällen umstritten ist, dürfte spätestens eine Haftstrafe zumindest ein physisches Hindernis für eine ordentliche Präsidentschaft darstellen: aus einem Bundesgefängnis heraus zu regieren, dürfte wohl weltweit einzigartig sein. Doch wie realistisch ist es, dass Trump früher oder später in Haft kommt?
Dazu möchte ich mir ein Stimmungsbild in Stanford einholen. Ich treffe mich dazu mit einem akademischen Mentor von mir, dem berühmten Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, Autor des Weltbestsellers "Ende der Geschichte". Er ist Direktor des Zentrums für Demokratie, Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit am Freeman Spogli Institute for International Studies der Stanford University, wo er auch das Master-Programm in Internationaler Politik leitet. Er ist für mich nach wie vor ein guter Kompass für die Entwicklung der US-Geschichte.
Schnell wird klar, dass auch Fukuyama der von Trump mantrahaft gepredigten "Hexenjagd-Theorie" nichts abgewinnen kann. Bedenklich für die amerikanische Demokratie sei jedenfalls, dass Trump es geschafft habe, einem signifikanten Teil der Bevölkerung zu signalisieren, dass die letzte Wahl gestohlen worden sei und der aktuelle Präsident nicht mehr legitim sei.
Die aktuelle Anklage kommt Trump gut gelegen für seine Rolle als Märtyrer.
Das sei bisher einzigartig und eine gefährliche Entwicklung in einem ohnehin bereits sehr gespaltenen Land. Fukuyama ist einer der wenigen, die meine Gefängnis-These teilen, auch wenn hier in Stanford ansonsten niemand dazu ein öffentliches Statement abgibt. Man sorgt sich aber auch um die politische und soziale Stabilität im Land, sollte dies tatsächlich geschehen. Trump arbeitet ja bereits mit Hochdruck am Status eines Märtyrers, die aktuelle Anklage kommt ihn da gut gelegen.
Wie skrupellos seine Unterstützer dabei vorgehen, belegt eben ein gerade beendetes Gerichtsverfahren: Der Wahlmaschinenhersteller Dominion hatte den rechtskonservativen TV-Sender Fox News wegen falscher Wahlbetrugsvorwürfe bei der Präsidentschaftswahl 2020 auf 1,6 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt. Nach seiner Wahlniederlage hatte Ex-US-Präsident Donald Trump bekanntlich wiederholt behauptet, er sei durch Wahlbetrug um den Sieg gebracht worden. Diese Behauptung wurde vielfach widerlegt.
Trotzdem verbreitete Fox News die Falschbehauptung, Dominion-Wahlmaschinen seien zu einer Manipulation der Wahl genutzt worden. Nun einigten sich Fox News und Dominion Voting Systems im Verleumdungsprozess auf einen Vergleich in Höhe von 787,5 Millionen Dollar. Die Summe bedeute Rehabilitierung und Rechenschaft, sagte der Anwalt von Dominion, Justin Nelson, nach der Einigung am Dienstag. "Lügen haben Konsequenzen."
Der Chef von Dominion, John Poulos: Fox hat zugegeben, Lügen verbreitet zu haben, die seiner Firma, den Beschäftigten und Kunden enormen Schaden zugefügt hätten.
Aber für Fox ist das Strafgeld fast nur eine Kleinigkeit. Zumindest angesichts der zugegebenen Motivation: Man habe nur so einen viel schwerwiegenderen Verlust von Marktanteilen gegenüber konkurrierenden rechtskonservativen Medien verhindern wollen. Und Fox-Eigentümer Rupert Murdoch kann darauf verweisen, er habe ohnehin "seine" prominentesten Moderatoren gemahnt, nicht mehr Unwahrheiten zu verbreiten - freilich erst vor wenigen Wochen, lange, nachdem sie von Fox jahrelang verbreitet worden waren.
Fazit: Ein Urteil gegen Fake News und deren Hintermänner zwar. Aber wohl kein wirklich nachhaltiges.
DER AUTOR
Robin Lumsden ist Wirtschaftsanwalt in Wien, New York und Washington. Zwei Jahre verbrachte er an der US-Eliteuniversität Stanford. Seine Arbeit als Anwalt und die dort gewonnenen Erfahrungen verarbeitet er jetzt in seiner Kolumne.
Die Kolumne ist der trend. edition+ Ausgabe vom Mai 2023 entnommen.
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