Robin Lumsden: Optimismus in Stanford fürs neue Jahr

Trotz niedriger Impfquote und Omikron ist Kalifornien ein überaus zuversichtlicher Bundesstaat. Der Start-up-Markt im Silicon Valley ist fast schon so überhitzt wie der Immobilienmarkt, meint der Wiener Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden.

Robin Lumsden: Optimismus in Stanford fürs neue Jahr

Robin Lumsden mit Patrick Knapp-Schwarzenegger (l.), Neffe von Arnold, in Los Angeles. Die beiden Anwälte schmieden gemeinsame Geschäftspläne.

An der Stanford University ist die Stimmung so gut wie schon lange nicht. Das erste Semester in der Post-Covid-Normalität mit Präsenzunterricht und Veranstaltungen neigt sich dem Ende zu. Wirtschaftlich scheint Licht am Ende des Tunnels, gesundheitspolitisch noch nicht.

Trotz des Damoklesschwerts Omikron (die Meldungen über die ersten britischen Todesopfer dieser neuen Variante haben auch hier großes Aufsehen erregt) blicken die meisten Menschen in Kalifornien zuversichtlich auf 2022. Ökonomisch verständlich: Wachstumsentwicklung und Innovationszahl übertreffen schon wieder das Vorkrisenniveau, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie schon lange nicht mehr. Allein ein Blick auf amerikanische Flughäfen zeigt: Es wird wieder ungehemmt gereist und konsumiert. Dementsprechend bewegt sich freilich auch die Inflationsrate nach oben, zurzeit neben der Pandemie das hauptsächliche Sorgenkind der US-Ökonomen.

Aber die niedrige Impfquote bleibt weiter ein Problem: Sie bewegt sich Mitte Dezember mit nur 60,8 Prozent (komplett Geimpften) international am unteren Ende der Statistik, die Zahl der Erkrankten liegt prozentuell jedoch im negativen Spitzenfeld. Kalifornien zählt zu den am besten durchgeimpften Bundesstaaten, wohl auch bereits eine Folge der Geldanreize: Mit insgesamt knapp 100 Millionen Euro bewegt Kalifornien seine Bürger zu Coronaimpfungen und belohnt bereits Geimpfte. Das "Vax for the Win"-Programm ist die größte finanzielle Impfanreiz-Initiative in den USA.

Überhitzter Start-up-Markt

Anders die generell positive Wirtschaftsstimmung, die sich auch im Silicon Valley widerspiegelt, speziell in Stanford. Im Moment wird hier jede auch nur halbwegs gute Start-up-Idee gefördert, die Geldgeber (VCs) scheinen fast jedes Projekt finanzieren zu wollen. Wobei auch die institutionellen Investoren verstärkt in sehr junge Start-ups investieren, was die klassischen Investoren bisweilen zu irritieren scheint. Es reicht schon eine Idee, die zumindest am Papier enormes Potenzial entfaltet. Solange die Story stimmt, benötigt man nicht notwendig einen ausgefeilten Businessplan, der Gewinne in den nächsten Jahren verspricht. Es wirkt fast so, als wäre der Start-up-Markt im Silicon Valley ähnlich überhitzt wie der Immobilienmarkt in Wien.

Ein Lockdown, wie es ihn zuletzt schon wieder auch in Österreich gab, steht in Kalifornien angesichts vergleichbar niedriger Corona-Zahlen nicht zur Diskussion. In manchen Regionen gehören Masken und Abstandsregeln der Vergangenheit an, in anderen sind sie ein Dauerzustand geworden, an den man sich gewöhnt hat. Einigkeit besteht zumindest in Stanford freilich über die Notwendigkeit evidenzbasierter Vorgehensweise ("fact-based policy"). Schwurbeln geht hier nicht, Verschwörungstheorien sind am Uni-Campus out, werden bestenfalls belächelt.

Mit meinen Stanford-Professoren und Mentoren habe ich die letzten Wochen viel Zeit verbracht und den Lockdown in Österreich deshalb nicht detailliert beobachten können. Dennoch habe ich mit einigen Freunden ein ökonomisches Modell entwickelt, das auch in Österreich vernünftige Anreize zur Impfung setzen könnte: Die - großen - Kosten des Modells wären weitaus geringer als jene von Lockdowns, seine gesellschaftliche Akzeptanz aber weitaus größer als die der generellen Impfpflicht. Die Ergebnisse unserer Debatten wurden in einem wissenschaftlichen Paper zusammengefasst und an Entscheidungsträger versendet, darin ist sogar das Wissen (oder besser gesagt das Okay) eines Nobelpreisträgers eingeflossen. Der Hauptpunkt des Vorschlage: Mit einer Einmalzahlung von 300 Euro an alle Geimpften sowie an die noch zu impfende Bevölkerung wäre nicht nur ein Impfanreiz gesetzt, sondern auch ein positiver Stimulus für die Wirtschaft ausgelöst.

Positive Anreize

Mit einem solchen positiven Anreiz könnte der Staat seinen Impfzielen näherkommen und gleichzeitig den Menschen mehr Geld zur Verfügung stellen. "Das ist ein klassisches keynesianisches Modell, welches sich jedenfalls für punktuelle Wirtschaftshilfen gut eignet", lautet der generelle Tenor meiner Stanford-Professoren am Hoover Institute in Stanford. Selbst Donald Trump hatte mit einer bedingungslosen Einmalzahlung im vergangenen Jahr wirtschaftspolitisches Neuland betreten, freilich nicht mit einem Impfanreiz verbunden. In Österreich wurde dieses Modell bereits von Pamela Rendi-Wagner mit 500 Euro vorgeschlagen, ob es tatsächlich umgesetzt wird, bleibt aber fraglich, obwohl es in mehreren Firmen (unter anderem bei KTM) praktiziert wird. Auf allgemeiner politischer Ebene besteht aber die Gefahr, dass die Idee einem tages-und parteipolitischen Hickhack zum Opfer fällt. Unabhängig von der konkreten Höhe der Einmalzahlung käme sie günstiger als ein Lockdown: Bereits nach neun Tagen Lockdown ist der entsprechende Break-even erreicht. Es wären sowohl Steuereffekte (nicht nur bei der Umsatzsteuer) als auch "Einsparungseffekte" positiv zu bilanzieren, dazu kämen - etwa durch die Verwendung von Gutscheinen in Höhe der Auszahlung - positive volkswirtschaftliche Steuerungseffekte.

In den letzten Wochen war ich auch sehr viel in Los Angeles unterwegs. Dort traf ich unter anderem auch Patrick Knapp-Schwarzenegger, den Anwalt und Neffen von Arnold Schwarzenegger, welcher in der kalifornischen Entertainment Industry bereits zum Inventar gehört. Er vertritt viele Schauspieler und Hollywood-Stars und weiß, dass man in dieser Branche oft noch schneller und pointierter vorgehen muss als in traditionellen anwaltlichen Agenden. Er ist sicherlich kein gewöhnlicher Anwalt, sondern vielmehr ein Dealmaker, welcher Menschen und Business verbindet und Geschäftsmöglichkeiten sehr schnell identifizieren kann. Patrick, der in Tirol, München und Lissabon aufgewachsen war, wagte sich mit Anfang 20 in die USA, um dort Jus zu studieren. Durch harte Arbeit etablierte er sich als Topanwalt in Hollywood, Vorschusslorbeeren gab es trotz seines familiären Backgrounds in der harten Entertainment-Industrie wohl keine. Der Familienvater ist schon lange stolzer Amerikaner, beruflich und familiär fest an der Westküste verwurzelt. Dennoch kann man ihm immer wieder auch in Österreich begegnen, er ist an zahlreichen innovativen Unternehmen beteiligt. Gemeinsam haben wir eine tolle Geschäfts-und Gesprächsbasis, so macht auch das Schmieden von Geschäftsplänen Spaß.

Solche und ähnliche Kontakte machen mir nicht nur Spaß, sondern auch Mut: Neben der Stärkung meiner Verbindungen in den Großraum Los Angeles überlege ich generell eine Ausweitung meines amerikanischen Kanzlei-Outlets. Die boomende Wirtschaft hier lockt auch immer mehr Europäer über den Atlantik, die grenzüberschreitend Hilfe bei oft komplizierten amerikanischen Rechtsthemen suchen. Das ist auch ohne Pandemie oft schwierig genug.


Der Autor

Robin Lumsden ist Wirtschaftsanwalt in Wien, New York und Washington. Zwei Jahre verbrachte er an der US-Eliteuniversität Stanford. Seine Arbeit als Anwalt und die dort gewonnenen Erfahrungen verarbeitet er jetzt in seiner neuen Kolumne.

Der Essay ist ursprünglich in der trend. EDITION, Dezember 2021 erschienen.

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