Reformen sind leichter zu bremsen als Schulden

Kommentar von trend-Chefredakteur Andreas Lampl: Die Spekulationen um den Reformminister sind ein Symbol für die Schwierigkeit, Veränderungen auf die Reihe zu kriegen.

trend Chefredakteur Andreas Lampl

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Der Justiz-und Reformminister konnte nach einer Blutvergiftung das Krankenhaus verlassen und ist auf dem Weg der Besserung. Josef Moser hat außerdem klargestellt, dass er allen Gerüchten zum Trotz nicht aus Frust zurücktreten werde. Sebastian Kurz stärkte - allerdings erst nach einer kurzen künstlerischen Pause - seinem Minister den Rücken. Der kleine Störfall in der akkuraten türkisen Inszenierung scheint behoben zu sein.

Dennoch sind die mehrfachen Rücktrittsdrohungen, zu denen sich Moser in regierungsinternen Verhandlungen und gegenüber Medien offenbar veranlasst sah, keine erfreuliche Nachricht. Und keine unerhebliche Lappalie, wie uns der Kanzler glauben machen will. Der frühere Rechnungshofpräsident ist das Gesicht, das Kurz höchstpersönlich seiner Reformagenda gegeben hat. Moser möchte in dieser türkis-blauen Regierung für Reformen ohne Wenn und Aber stehen - steht in Wahrheit aber mehr daneben, weil er aus beiden Parteien nicht ausreichend Unterstützung hat. Nicht nur wegen seines zuweilen unglücklichen Stils! Und es sind auch nicht nur die Landeshauptleute, die ein Problem mit ihm haben.

Wann beginnt die "Zeit für Neues"?

Die Kardinalfrage, die sich langsam, aber sicher aufdrängt, wann denn nun wirklich die "Zeit für Neues" beginnt, erhält durch die Spekulationen um Josef Moser zusätzliche Nahrung. Scheitert der Veränderungsminister frühzeitig, wäre das auch eine erhebliche Blamage für den Bundeskanzler.

Die Personalie Moser war eines von zahlreichen geglückten Bildern, durch die Kurz Aufbruchstimmung bei seinen Fans erzeugt hat: Der Mann, der schon beim Frühstück Sendungsbewusstsein tankt und bei seinem Abschied aus dem Rechnungshof 1.007 Vorschläge für strukturelle Umgestaltungen im Land hinterließ, ist über jeden Zweifel punkto Reformwilligkeit erhaben. Aber nicht nur in diesem Fall steht noch der Beweis aus, ob dem Bild, das so schön gezeichnet wurde, auch Taten folgen.

Eine erstklassige Gelegenheit, so einen Beweis zu erbringen, hat die Regierung schon ausgelassen. Warum sie im Zuge der Budgeterstellung nicht darangegangen ist, die Schuldenbremse auf Bundesebene in der Verfassung zu verankern, ist wahrlich schwer zu verstehen. Eine wirkungsvollere und symbolkräftigere Maßnahme, die auch noch vergleichsweise einfach umzusetzen ist, gäbe es kaum. ÖVP und FPÖ könnten ohne viel Bangen auf die Unterstützung der Neos zählen, um die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erreichen.

Eine Schuldenbremse verfassungsrechtlich abzusichern, würde nicht nur nachvollziehbar machen, dass es die Koalition mit dem Schlagwort vom "Ende der Schuldenpolitik" ernst meint. Diese Maßnahme wäre auch eine nachhaltige, weil sie künftige Regierungen in die Pflicht nimmt. Selbst nach einem Machtwechsel würde sich ein neues Kabinett schwertun, eine solche Festlegung wieder zu kippen. Das bedürfte wiederum einer Zweidrittelmehrheit - die sich aller Voraussicht nach kaum ausginge.


Schuldenbremse in den Verfassungsrang!

Ein Zitat: "Wir schlagen vor, dass man in Österreich die Schuldenbremse in den Verfassungsrang hebt und mit klaren Konsequenzen versieht, wenn die Politik diese Zielvorgabe nicht erreicht." Also sprach Sebastian Kurz bei einem seiner Wahlkampfauftritte. Wieso er seinen eigenen Vorschlag noch nicht aufgegriffen hat, blieb bislang unbeantwortet. Der Gedanke ist um vieles klüger (und konkreter), als ein "Staatsziel Wirtschaft" in die Verfassung zu schreiben, was seit Wochen debattiert wird.

Die Schweiz, von den neuen Machthabern oft als Benchmark herangezogen, hat so eine Schuldenbremse fürs Staatsbudget, Deutschland ebenso und sogar Oberösterreich. Das Zeitfenster der guten Konjunktur, das nicht ewig offen stehen wird, ist abgesehen davon ein starkes Argument, genau jetzt zu handeln. Weil besser wird's nimmer.

Think Austria nennt sich eine neue, im Bundeskanzleramt angesiedelte Stabsstelle, die von der Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler geleitet wird und sich damit beschäftigen soll, wie Österreich mit globalen Trends -dem Aufstieg Asiens zum Beispiel -Schritt halten kann. Eine gute Sache, die perfekt in die jung-dynamische Inszenierung passt. Auch Frau Mei-Pochtler räumt aber ein, dass Nachdenken über die Zukunft keinesfalls eine Ausrede fürs Verschieben ganz profaner Reformen sein darf. Priorität hätte da schon, die Schulden in den Griff zu kriegen.


Der Kommentar ist der trend-Ausgabe 16/2018 vom 20. April 2018 entnommen.

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