Peter Pelinka Essay: Being the Donald
Noch kann sich kaum wer vorstellen, dass Donald Trump im November 2016 zum 58. Präsidenten der USA gewählt wird. Aber diese Vorstellung scheint nicht mehr ganz so irrwitzig wie bei der Verkündung seiner Kandidatur im Vorjahr. Trump ist das konsequenteste Exemplar eines politischen Populisten: rücksichts- und skrupellos, medial schamlos, inhaltlich substanzlos. Gerade auch in seiner Wirtschaftspolitik.
Essay von Peter Pelinka, Journalist, Kolumnist, Moderator und Medientrainer über das Phänomen Donald Trump
Vorweg: Ich konnte eben zwei Wochen lang zum nun achten Mal seit 1988 einen US-Präsidentschaftswahlkampf aus der Nähe beobachten. Und obwohl es bisher "nur" um parteiinterne Vorwahlen ging, habe ich noch nie derart heftige persönliche Auseinandersetzungen erlebt wie diesmal im republikanischen Lager. Weil der dort derzeit führende Kandidat ein Mann ist, der nicht nur seine Konkurrenten das Fürchten lehrt, nicht nur das Parteiestablishment, nicht nur die Wall Street und weite Teile der US-Wirtschaft, sondern zunehmend auch die restliche Welt. Etwa den deutschamerikanischen Historiker Fritz Stern, der ihn als Zeichen der "Verdummung der Amerikaner" ansieht. "Außer Geld, ungeheurem Ehrgeiz und Hässlichkeit hat er nichts zu bieten."
Eines aber doch - und das bis jetzt ziemlich erfolgreich: Er fungiert als Ventil für die Ängste vieler -vor allem weißer, vor allem ärmerer -Amerikaner, die nicht nur globalen Terror und lokale Unsicherheit fürchten, sondern auch den Verlust ihrer Arbeitsplätze (vor allem in der Textil-und Autobranche), die Konkurrenz billigerer Produzenten aus Asien und billigerer Arbeiter aus Lateinamerika. Diese Ängste leiten sie in Frust und Hass um: auf "Washington" und alle "da oben", auf Politiker sowie auf Vertreter des Finanz-und Wirtschaftsapparates.
Make America great again!
Ihre Sorgen wandelt Trump in Aggressionen um: gegen tatsächliche oder vermeintliche Korruptionisten, vor allem aber gegen jene, die sich weniger wehren können, gegen alle Moslems, deren Einreise Trump gerne kollektiv verboten sähe, eine schon verfassungsmäßige Unmöglichkeit. Oder gegen Verdächtige im Gewahrsam der US-Kräfte, denen Trump die gesetzlichen Schranken zur Anwendung von Foltermethoden (Beispiel: "Waterboarding") wegräumen will. Oder gegen Mexiko, das auf eigene Kosten eine Mauer gegen illegale Grenzübertritte in die USA bauen solle. Kurz: Es geht bei den Tiraden Trumps gegen alles, was seinem Hauptslogan im Wege steht: "Make America great again!"
Wäre er Präsident, ginge das ganz einfach: den Islamischen Staat zerbomben, China und Japan mit harten Verhandlungen und Strafzöllen wirtschaftlich einbremsen, mit harter Hand wie Putin in Syrien eingreifen, alle heimischen Widersacher so herrisch behandeln wie die Zwischenrufer bei seinen Veranstaltungen: "Werft ihn raus!" Oder, höhnischer: "Geh heim zur Mami!"
Konkrete wirtschaftspolitische Pläne äußert Trump wenig und widersprüchlich: viel Protektionismus - Zölle etwa für China-Handys, Japan-Autos oder Kobe-Beef, Rückverlagerung von Produktionsstätten durch hohe Strafzahlungen. Als einziger Bewerber der Republikaner, deren Credo sonst Staatsabbau und Steuergeschenke an Reiche sind, tritt Trump für Steuererleichterungen für Geringverdiener ein. Alle bis 25.000 Dollar Jahreseinkommen sollen überhaupt keine Bundessteuern zahlen. Das soll über die Bekämpfung von Steuerflucht und die Schaffung neuer Arbeitsplätze aufkommensneutral funktionieren. Entgegen früherer Ansagen positioniert sich Trump zwar gegen "Obamacare", will aber generell keine Mittel für Gesundheit und Sozialausgaben kürzen, sondern durch harte Verhandlungen mit Pharmafirmen für billigere Medikamente sorgen. Die öffentliche Krankenversicherung Medicare könne so 300 Milliarden Dollar einsparen. Pferdefuß: Sie hat 2015 insgesamt nur 78 Milliarden für verschreibungspflichtige Medikamente ausgegeben.
Loser, Schwitzer, Lügner und Pharisäer
Seinen Anhängern imponiert das dennoch: Endlich einer, der sich nicht vom diplomatischen oder wenigstens zivilisierten Umgangston bremsen lässt. Trump nimmt auch in TV-Debatten keinerlei Rücksicht darauf, schon gar nicht auf die parteiinternen Kritiker: Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain, der als Kriegsgefangener jahrelang in vietnamesischen Gefängnissen ausgeharrt hat, wird von ihm deshalb als "Loser" verspottet. Den nun aus dem Wahlkampf ausgestiegenen Widersacher aus Florida, Marco Rubio, titulierte er nur als "der Schwitzer", Ted Cruz aus Texas als "Lügner" oder "Pharisäer". Rubio wirkte neben dem massigen Trump wie ein streberischer Musterschüler, der auch einmal etwas werden will.
Immerhin traf Rubio einen wunden Punkt, als er dem Immobilientycoon Trump empfahl, er solle nicht so mit seinem Reichtum prahlen. Ohne die ihm von seinem Vater vererbten 200 Millionen Dollar würde er maximal "Uhren auf den Straßen Manhattans" verkaufen.
Beim eigenen Vermögen versteht Trump nämlich überhaupt keinen Spaß. Dessen Umfang ist Kern seiner Unabhängigkeitspropanda. Als der Journalist Timothy McBrien diesen zentralen Teil der Selbstinszenierung und die deklarierten vier bis zehn Milliarden Dollar ("meine Vermögenswerte schwanken") in Frage stellte und behauptete, er besitze nicht mehr als 150 bis 250 Millionen Dollar, klagte ihn Trump, freilich vergeblich. Das sei üble Nachrede und schade seinem Ruf.
Für eine Mehrheit unwählbar
In einem Punkt hat Trump Recht: Er hat bisher zwei Drittel seines Wahlkampfes aus der eigenen Tasche und denen seiner Firmen bezahlt, der Rest kam eher von "kleinen" als von "großen" Spendern. Mit politischer Unabhängigkeit - oder was er so nennt -kennt Trump sich aus. In den vergangenen Jahrzehnten hat er für Politiker beider Lager gespendet, auch für die Clintons. Deren weiblicher Teil wird ihm nach jetzigem Stand der Dinge im November als Gegnerin gegenüber stehen und ihn dann auch besiegen, behaupten Meinungsumfragen.
Selbst das republikanische Establishment verweist darauf, dass nur der auch von Arnold Schwarzenegger unterstütze Gouverneur von Ohio, John Kasich, eine Chance gegen die Ex-Außenministerin hätte. Laut Umfragen wäre Trump sogar für eine Mehrheit der republikanischen Wähler unwählbar - freilich nicht für die Aktivisten, die jetzt an den Vorwahlen teilnehmen. Die große Hoffnung: Hätte Trump bis zum Parteitag im Juli nicht die absolute Mehrheit der "Wahlmänner" hinter sich, wäre die Folge ein "Open Convent" mit Verhandlungen hinter den Kulissen und einem Kompromisskandidaten, der sicher nicht Trump hieße.
Kein simpler Clown oder Narr, sondern ein höchst authentischer Populist
Was die Welt mit Sicherheit erleichtern würde: Ein Präsident "The Donald" (so der ihm von einer seiner drei Ehefrauen verpasste Spitzname) würde wohl nicht direkt einen Weltkrieg auslösen, vielleicht auch keine neue Finanzund Wirtschaftskrise, er würde aber die Welt noch unberechenbarer und unregierbarer machen, als sie es derzeit ohnehin schon ist. Weil er eben kein simpler Clown oder Narr ist, sondern ein höchst authentischer Populist, der wie die meisten anderen seines Genres brutal bis charmant, jedenfalls schamlos den Ellbogenmechanismus, der seinen geschäftlichen Aufstieg begleitete, auf die Politik übertragen will. Und zwar weit intelligenter als etwa jene zwei Herren, die das in Österreich versucht haben (oder noch immer versuchen).
Es klingt ja mehr beängstigend als bewundernd, wie Pulitzer-Preisträger Michael D'Antonio in seinem neuen Buch "The real story of why there can never be enough for Donald Trump" den möglichen 58. Präsidenten der USA schildert: Als Produkt des Medienzeitalters und der in den 1970er-Jahren entstandenen Ich-Generation habe er sich zum lebenden Symbol der Extravaganz und des unbedingten Leistungswillens entwickelt: "Und für die Obsession, alles haben zu wollen, was er will." Diese Besessenheit könnte ihn aber zu Fall bringen, schreibt der wie stets brillante Thomas Friedmann in der "New York Times", unter Hinweis auf "Extremisten, die nicht wissen , wann sie sich stoppen müssen. Eines Tages kann er zu weit gehen und dann seine guten Verbindungen zu den Wählern verlieren, Trump kann sich selbst schlagen bauen Sie nicht darauf, aber schließen sie es auch nicht aus!"
Peter Pelinka war unter anderem Chefredakteur von "Format" und Moderator bei ORF 2 ("Zur Sache"). Heute ist er als freier Journalist unter anderem Kolumnist bei "News" und ab 31.3. Moderator bei ORF III ("Runde der Chefredakteure") sowie Gesellschafter der Medientrainings-und Medienberatungsfirma IntoMedia.