Neue Retropolitik der Regierungsparteien
Gastkommentar. Von "weniger Staat, mehr privat" wollen die Regierungsparteien nichts mehr wissen, wie das Gesetz zur Staatsholding ÖBAG zeigt.
Karl Sevelda
EINFLUSS. Was haben so unterschiedliche Materien wie das neue Verstaatlichtengesetz (zur ÖBAG), das Gesetz zur Gründung einer Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (für Asylwerber) oder das in Diskussion stehende neue ORF-Gesetz gemeinsam? Bei oberflächlicher Betrachtung nicht viel! Sie signalisieren jedoch alle eine immer stärker zu bemerkende Tendenz in unserem Lande: Die Regierung möchte sich nicht auf das Setzen von Rahmenbedingungen beschränken, sondern auf verschiedene Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft wieder mehr Einfluss nehmen.
Das mag zwar verständlich und da und dort auch sinnvoll sein. Unzählige Beispiele in der Vergangenheit haben uns aber gezeigt, dass überall dort, wo der eigentliche Unternehmens- oder Gründungszweck irgendeiner Institution politisch im wahrsten Sinn des Wortes "verfärbt" wurde und die Politik wieder verstärkt hineinregierte, die Dinge meist schlechter, jedenfalls aber immer teurer wurden - weil eben die Optimierung einer Funktion dem politischen Wollen, der Einflussnahme und dem Machterhalt häufig entgegensteht.
Beispiele dafür gibt es unzählige: Krankenhaus Nord in Wien, viele Landesbetriebe oder die alte verstaatlichte Industrie! Die öffentliche Hand war nun mal in der Geschichte unseres Landes nie der beste Unternehmer! Kann sie auch nicht sein, da sie andere Ziele und Aufgaben verfolgt als das private Unternehmertum.
Macht und Kontrolle sind für Politiker offenbar zu verführerisch.
Wenn nun in Paragraph 6 des neuen ÖBAG-Gesetzes die Staatsholding "mit der Entwicklung und Bereitstellung von Instrumenten zur Stärkung österreichischer Interessen im internationalen Standortwettbewerb" betraut und gleichzeitig ermächtigt wird, Beteiligungen "an für den Standort relevanten Unternehmen" einzugehen, so sollten bei gelernten Österreichern die Alarmglocken schrillen!
Insbesondere dann, wenn man die plump auf eine bestimmte Person zugeschnittene Ausschreibung für die Position des "allein vertretungsbefugten Vorstandsmitglieds" der neuen ÖBAG liest, weiß man, wohin die Reise gehen soll: Hier wird auch von einer bürgerlich geführten Regierung fortgesetzt, was den Österreichern und Österreicherinnen schon in großkoalitionären Zeiten unter sozialdemokratischer Führung auf die Nerven ging: die Durchdringung all unserer Lebensbereiche mit Parteipolitik!
"Weniger Staat, mehr privat" war einst das Motto der beiden aktuellen Regierungsparteien! Aber jetzt, wo man das umsetzen und die Sozialdemokratie dies nicht verhindern könnte, will man davon nichts mehr wissen. Offenbar sind Macht und Kontrolle einfach zu verführerisch! Dabei gäbe es noch viel zu privatisieren in unserem Land. Denken wir an die zahlreichen Gesellschaften im Besitz der Länder oder die Reste der verstaatlichten Industrie. Oder: Warum nicht auch die Versicherungspflicht (bei privaten Versicherungen) statt der teuren Pflichtversicherung andenken?
Die Wiener Börse würde jubeln. Und -Hand aufs Herz - auch bei der voestalpine oder der AMAG fand man Wege, die Kontrolle bei österreichischen Langfristinvestoren zu halten! Wie stehen diese ehemaligen Pleite- und heutigen Vorzeigebetriebe da? Hervorragend!
PARTEIPOLITIK. Der Wirtschaftsstandort Österreich wird nicht durch die Ausweitung des staatlichen und damit des parteipolitischen Einflusses auf alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft attraktiver. Vielmehr würden eine zukunftsorientierte Bildungspolitik, eine leistungsfördernde Steuerpolitik und eine moderne Infrastruktur dem Wirtschaftsstandort Österreich den notwendigen Auftrieb geben.
Die Parteienförderung statt der Steuerstufen jährlich an die Inflation anzupassen ist ganz sicher das falsche Signal, wenngleich auch nicht unlogisch, denn die Ausweitung des Parteieneinflusses in Wirtschaft und Gesellschaft kostet eben Geld Da mag sich die Regierung eine Abschaffung der kalten Progression nur sehr ungern leisten.
Zur Person
Karl Sevelda , 69, war bis März 2017 Vorstandschef der Raiffeisen Bank International. Seither engagiert sich der bekennende Liberale für die Neos und ist auch Vorsitzender deren Personenkomitees. Für den trend verfasst Karl Sevelda Kommentare.
Der Gastkommentar ist der trend-Ausgabe 13/2019 vom 29. März 2019 entnommen.