Verteilungswirkung und Überförderung [von Andreas Lampl]

In der Teuerungskrise gilt wie auch in der Pandemie: Überförderung ist kein probates Mittel gegen Überforderung in der Politik.

Andreas Lampl, Chefredakteur trend

Andreas Lampl, Chefredakteur trend

Auch das kommt vor: Nach einem Schnapserl erzählt ein Hüttenwirt aus dem Westen Österreichs, er habe seine Preise trotz Inflation nur moderat erhöht, weil er so hohe Corona-Hilfen erhalten hat und jetzt "etwas zurückgeben" möchte.

Gegenteiligen Beteuerungen von Lobbying-Organisationen zum Trotz gab es in der Pandemie sehr wohl zahlreiche Fälle von Überförderung - was auch gar nicht anders sein kann, wenn Umsatzersatz gezahlt wird, wo keine variablen Kosten anfallen, weil ein Betrieb gesperrt ist. Mittlerweile haben sich Zehntausende Menschen im Transparenzportal der Regierung die Förderungen an Bekannte oder Betriebe in ihrer Heimat angeschaut: Staunen oder Ärger ist seither häufiger Begleiter bei Stammtischdiskussionen.

Die Regierung kündigte nun eine Aufarbeitung der Pandemie an. Zu erwarten ist dabei allerdings auch diesmal nicht, was in Österreich sowieso kaum je gemacht wird, nämlich wenigstens eine nachträgliche Evaluierung, ob Steuergeld wirklich effizient verteilt wurde. Und ob etwa Staaten, die nicht rund 5.000 Euro pro Einwohner aufgewendet haben, nach der Pandemie jetzt schlechter dastehen.

"Dialogprozess" mit Unterhaltungswert

Bundeskanzler Karl Nehammer will vielmehr "die Hand ausstrecken" zu all jenen, die Corona-Maßnahmen ganz allgemein ablehnten und sich "nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft willkommen gefühlt haben". Dafür soll ein "Dialogprozess" sorgen, in dem analysiert und diskutiert wird. Das verspricht einigen Unterhaltungswert.

Man muss keine Geistesgröße sein, um auf den ersten Blick zu erkennen, was dahintersteckt: Politmarketing der ÖVP, um dem Zulauf zur FPÖ bei den jüngsten Wahlen und in Umfragen etwas entgegenzusetzen. Fragt sich nur, wie genau die Koalition das zu schaffen gedenkt.

Genervt von Corona-Maßnahmen waren viele Bürger, teilweise zu Recht auch verärgert über so manch sinnbefreite bzw. unlogische Bestimmung und die chaotische Umsetzung. Aber wer deswegen - über den Haufen der Schwurbler und Verschwörungstheoretiker hinaus - bei der FPÖ sein Heil sucht, muss schon auch ein bisschen empfänglich sein für den einzigen politischen Programmpunkt, den die Kickl-Protestorganisation zu bieten hat: Irgendwer ist immer schuld, dass mir was nicht passt.

Da werden Nehammer & Co. mit ihrer Aufarbeitung nicht viel ausrichten. Auch ein positiver Beitrag zur politischen Kultur ist schwer vorstellbar, wenn sie sich auf dieses Niveau einlassen. Beim Kotau vor der FPÖ kann nur ein öffentliches Theater herauskommen, gegen das ein parlamentarischer U-Ausschuss eine akademische Veranstaltung ist.

Sehr wohl Sinn hätte hingegen seriöse ökonomische Nachbetrachtung. Zumal einige Parallelen zur aktuellen Krise gezogen werden könnten.

Der Staat verteilt angesichts rapid steigender Preise wiederum Unsummen, als gäbe es kein morgen. Der Finanzminister erzielte 2022, nicht zuletzt wegen der Inflation, einen historischen Steuereinnahmenrekord von über 100 Milliarden Euro und machte zusätzlich noch mehr als 20 Milliarden Defizit. Weil Geld mit beiden Händen ausgegeben wird.


Österreich beim Einsatz von Steuergeld gegen die Teuerung im Spitzenfeld.

Die unterschiedlichen Zahlen, mit denen jongliert wird, sind verwirrend. Aber 2023 sollen es jedenfalls 12,5 Milliarden Euro sein, die für Antiteuerungspakete (Strompreisbremse inklusive) fließen - ohne langfristige Entlastungen wie Lohnsteuersenkung und Abschaffung der kalten Progression.

Diese Politik bleibt nicht ohne Folgen: Im Jänner hatte Österreich mit 11,1 Prozent die höchste Inflation im Euroraum, wo durchschnittlich 8,5 Prozent registriert wurden - und eine rascher fallende Tendenz. Mittlerweile haben auch Wirtschaftsforscher wie IHS-Chef Gabriel Felbermayr ihre Ansicht, dass die staatliche Geldschwemme die Inflation nicht zusätzlich treibt, korrigiert. Und die ist bei uns auch nicht nur deswegen höher, weil Österreicher mehr als die anderen Europäer ins Wirtshaus gehen, wo die Preise besonders gestiegen sind.


Es zählt weniger die ökonomische Wirkung als der politische Eindruck.

Laut dem Brüsseler Bruegel-Institut rangiert Österreich beim Einsatz von Steuergeld gegen die Teuerung im Spitzenfeld Europas. Zwar noch etwas hinter Deutschland, dort sind aber dafür die Lohnabschlüsse deutlich niedriger ausgefallen. Ob unser Weg erfolgreicher ist als etwa der in Schweden, wo mit 1,3 Prozent vom BIP weniger als ein Viertel ausgegeben wird, bleibt von der Regierung unhinterfragt. Es zählt ja auch weniger die ökonomische Wirkung als der politische Eindruck.

Und da darf gegen die "freiheitliche" FPÖ, die gerne staatliche Preisdeckel für alles und eine Vollkaskoversicherung für jeden (österreichischen) Staatsbürger hätte, nicht gekleckert werden.

Dass Überförderung auch inflationsdämpfend wirken kann, weil ein Hüttenwirt dafür später auf Preiserhöhungen verzichtet, dürfte leider eher ein Einzelfall bleiben.


Der Artikel ist als Leitartikel in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 24. Februar 2023 erschienen.

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