Die Koalition ebnet der FPÖ den Trumpelpfad
Einigt sich die Regierung weder auf eine Story für Österreich noch auf ihre Auflösung, wird das enden wie in den USA.
trend Chefredakteur Andreas Lampl
Einen der Gründe für den Trump-Sieg sehen amerikanische Politexperten in der Blockade-Konstellation zwischen dem demokratischen Präsidenten Obama und dem republikanisch dominierten Kongress während der letzten Jahre. Den heimischen Regierungsparteien, deren Hauptbeschäftigung im gegenseitigen Belauern besteht, verhilft diese Analyse hoffentlich zur Einsicht, dass die Gefahr, von populistischer Konkurrenz hinweggefegt zu werden, viel größer ist, als die meisten ihrer Politiker, Mitarbeiter und Sympathisanten bislang geglaubt haben.
Erstens
Beide Koalitionsparteien fahren eine Doppelstrategie. Sie quälen sich angestrengt zu einem gemeinsamen Arbeitsprogramm, um Handlungsfähigkeit zur Schau zu stellen, wollen aber gleichzeitig auf Kosten des Partners ihr eigenes Profil schärfen. Das wird nicht funktionieren. Halbherzig ein paar Punkte abzuarbeiten (wobei die wichtigen regelmäßig ausgespart bleiben) und parallel dazu ideologische Differenzen auszutragen, kann beim Wahlvolk nur als Stillstand oder Rückzugsgefecht der Eliten ankommen. Wer glasklare Botschaften vermissen lässt, macht angesichts tiefer Verunsicherung in Teilen der Bevölkerung Platz für die Parolen der Populisten, und seien sie noch so abstrus. Die FPÖ marschiert schon in den Fußstapfen Trumps.
Zweitens
Entweder oder. SPÖ und ÖVP müssten sich auf der Stelle entscheiden. Entweder Einigung auf ein gemeinsames Narrativ, eine Story à la "Wir machen Österreich gerecht!", die Emotionen weckt, Orientierung bietet und mit daraus abgeleiteten Maßnahmen in den nächsten 18 Monaten ohne Profilierungsneurosen durchgezogen wird. Oder Auflösung der Koalition, jede Partei entwickelt ihr eigenes Narrativ. Die SPÖ Richtung Umverteilung, Vermögenssteuern, Staatsinvestitionen. Die ÖVP Richtung Leistungsprinzip, Steuersenkungen, Deregulierung.
Drittens
Bundeskanzler Kern ist in diesem Analyseprozess wohl am weitesten fortgeschritten. Er hatte schon bei den ÖBB mit konsequent kommunizierten Botschaften Erfolg. Jetzt scheint er langsam die Geduld zu verlieren und sich nicht mehr darauf beschränken zu wollen, was innerhalb der Grenzen der Koalition möglich ist. Im Hintergrund beackert Kern schon das Feld für Rot-Grün-Neos. Aus den Zwängen innerhalb der eigenen Partei konnte aber auch er sich noch nicht befreien.
Viertens
Theoretisch wäre ein gemeinsamer Weg bis 2018, der konkrete Lösungen für ganz konkrete Sorgen der Wähler anbietet, die beste Strategie, um verlorenes Terrain gegenüber der FPÖ zurückzugewinnen. So ein Programm könnte zum Beispiel Abstriche für Zuwanderer bei der Mindestsicherung (ohne dass die SPÖ quertreibt) genauso enthalten wie Elemente einer Vermögenssteuer (ohne dass die ÖVP zündelt). Praktisch lehrt die Erfahrung: Die Angst, der jeweils andere könnte politisch punkten, sitzt zu tief; die gegenseitige Ablehnung ist in beiden Parteien ein Hauptantrieb für die Funktionäre; Gewerkschafter, Kammern oder Landeshauptleute werden nicht abzuhalten sein, ständig dazwischenzufunken. Wenn aber Weiterwursteln oder Schlussstrich die einzigen Alternativen sind, verspricht zweitere mehr Erfolg.
Fünftens
Die Meinung vieler Koalitionspolitiker, dass ihre ausreichend bewiesene Problemlösungskompetenz nur zu wenig gewürdigt wird, ist eine gewaltige Selbsttäuschung. Eine lächerliche Gewerbeordnungsreform oder etwas mehr Schulautonomie sind kein Ersatz dafür, dass für die großen Themen - Arbeitsmarkt, Sozialsysteme, Pensionen -klare politische Leitlinien fehlen. Was den Widerstand gegen das Establishment befeuert, nämlich dessen vorrangige Beschäftigung mit den eigenen Apparaten und Strukturen, ist nicht Verblendung, sondern Realität. Dazu kommt eine politische Sprache, die sich hinter Worthülsen und Floskeln versteckt, statt anzupacken.
Sechstens
Empörung darüber, dass Populisten auf Fakten, Logik und Widersprüche pfeifen, bringt nichts. Solange etablierte Parteien als reine Systemerhalter begriffen werden, fällt das wenig ins Gewicht, viele Menschen nehmen es als "kleineres Übel" in Kauf.
Siebtens
Populismus hat im Zeitalter der sozialen Medien zweifellos leichteres Spiel. Mehrheitsfähig wird er aber nur, wenn er in ein Vakuum stößt. Die abstrusbrachiale Change-Story à la Trump ist offensichtlich immer noch attraktiver als gar keine Story. Sie würde sich aber kaum gegen eine Change-Story durchsetzen, die mit einem klaren Programm auf nachvollziehbaren Überzeugungen und Werten beruht.
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