Franz Ferdinand Wolf: Anleitung zum Glücklichsein
Gastkommentar. Ein paar Anregungen und einfache Gebote für den Weg aus dem politischen Tränental.
Franz Ferdinand Wolf - Journalist und trend-Autor
GEHT'S NOCH TIEFER? Neun von zehn Wählern bekennen in Umfragen, kein Vertrauen in Politiker zu haben, 80 Prozent misstrauen der Politik an sich. Bei Nachfrage wird der Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit mit mangelnder Ehrlichkeit, dem Bruch von (Wahl-)Versprechen und fehlender Authentizität der Personen begründet. Reformstillstand, Zank und Hader zwischen den Parteien und "Messerstechereien" in der gekündigten Koalition, wie ein Beteiligter so schön bemerkt hat, besorgen den Rest. Alles, was mit Politik zu tun hat, ist igitt.
Auch die ersten Vorboten des heraufziehenden Wahlkampfes lassen wenig Hoffnung auf Änderung keimen. Dabei müssten Politiker, Parteien und deren Kampagnenmanager nur fünf, sechs einfache Gebote beherzigen - und schon lächelte ihnen politisches Glück. Uns Wählern natürlich auch.
Beginnen wir, weil derzeit die Wahllisten erstellt werden, mit der Auswahl der Kandidaten, selbstverständlich im Mann- Frau-Reißverschlussverfahren. Her mit Personen, die Kompetenz, Charisma und -jawohl, auch das -Charakter haben, die Politik für Land und Leute und nicht für die Partei machen. Üblicherweise werden Mandate ja nach regionalen und fraktionellen Kriterien vergeben, wobei die Zugehörigkeit zur richtigen Seilschaft und langjährige Parteidienste wichtigste Auswahlkriterien sind. Politik ist hochkomplex, Sach- und Problemkenntnisse, Durchsetzungskraft und Gestaltungswille sind durchaus von Vorteil.
Wichtig ist wohl auch, die Lebenswirklichkeit der Menschen zu erkennen, ihre Sorgen, Nöte und Wünsche ernst zu nehmen. Die Wähler erwarten Antworten auf Fragen, die sie bewegen, und Lösung ihrer Probleme abseits von kleinkarierten Parteispielen und taktischen Winkelzügen. Politik als Dienstleistung an den Wählern -dieses Glück wäre nicht zu fassen.
Sodann sollten Politiker endlich Blasen-Speech und den üblichen Bürokratenjargon ablegen und mit den "Menschen draußen" in ihrer Sprache sprechen. Wer kommunizieren will, muss mit den Menschen auch reden können.
Substanz statt Inszenierung ist das Zauberwort.
Nächste Regel: vor der Wahl nur das versprechen, was man nach der Wahl auch halten kann. Vollmundige Ankündigungen, ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze zu schaffen, rächen sich spätestens bei Veröffentlichung der nächsten Arbeitslosenstatistik. Auch die süße Illusion zu nähren, bei entsprechender Wählerzustimmung den Klimawandel zu stoppen, die Globalisierung zu beenden und die Folgen der Digitalisierung zu beseitigen, ist Garantie für anhaltenden Wählerfrust und Vertrauensverlust.
Das ist kein Plädoyer, zu resignieren und tatenlos die Dinge einfach treiben zu lassen, sondern der Appell, sich realistische politische Ziele zu setzen. Die Wähler sind klüger, als ihnen zugemutet wird.
AUCH DER VERZICHT auf die alltäglichen kleinen Gehässigkeiten in der politischen Auseinandersetzung, die reflexartige Ablehnung jedes Vorschlages der anderen, die Absage an die Unterstellung als politisches Prinzip brächte bei den Wählern dicke Gutpunkte. Den Parteistrategen ist zu empfehlen, auf Dirty Campaigning zu verzichten und den Wahlkampf als Wettbewerb der Ideen für die Gestaltung des Landes und die Organisation einer demokratischen, offenen, sozialen und möglichst konfliktfreien Gesellschaft anzulegen. Ein Feuerwerk bunter Ideen: Das wär's, was Wähler begeistert.
Substanz statt Inszenierung ist ein weiteres Gebot zur Rückeroberung des Vertrauens in die Politik. Ersetzt die Form auf Dauer den Inhalt, kollabiert irgendwann die Politik. Wir sehen es gerade in den USA.
Auch wenn es den politischen Alphas und Egos schwerfällt, sollten sie versuchen, in den kommenden Monaten den kommunikativen Overkill zu vermeiden. Die zu erwartende Flut an TV-Duellen, Konfrontationen, Elefantenrunden und die permanenten Netz-Auftritte in Wort, Bild und Ton langweilen irgendwann selbst politische Hardcore-Konsumenten.
So einfach wäre es, gleichermaßen Wähler wie Politiker und Parteien aus dem gegenwärtigen Tränental zu führen und glücklich zu machen. Schließlich wird man doch noch träumen dürfen.
Zum Autor
Franz Ferdinand Wolf ist Journalist und trend-Autor. Er saß von 2005 bis 2010 als unabhängiger Abgeordneter für die ÖVP im Wiener Gemeinderat.
Der Gastkommentar ist im trend. Ausgabe 22/2017 vom 2. Juni 2017 erschienen.
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