Franz C. Bauer: Wer spart, verliert
Kommentar von Franz C. Bauer: Wie uns der Staat in eine Anlageform drängt, die uns langsam enteignet und volkswirtschaftlich nichts bringt.
Franz C. Bauer, Trend-Redakteur
Eichhörnchen tun es, und Hasen tun es (allerdings nicht alle). Hamster tun es sowieso, und auch unter den Menschen ist es weitverbreitet: Das Anlegen von Vorräten für karge Zeiten - in der Gattung Homo "Sparen" genannt - erfreut sich üblicherweise eines guten Rufes. Das Deutsche Historische Museum widmet der Entscheidung, aktuell möglichen Konsum in die Zukunft zu verschieben, sogar eine eigene Ausstellung mit dem vielsagenden Titel "Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend". Ob es sich um eine nützliche Tugend handelt, ist allerdings nicht ganz sicher.
Schon Bernard Mandeville formulierte ja die provokante These, dass nicht Tugend, sondern Laster das Gemeinwohl fördere, dass Sparen also möglicherweise sogar schädlich sei. Der 1670 in Rotterdam geborene Arzt gilt damit als Urheber eines Gedankens, der in den Wirtschaftswissenschaften als "Sparparadoxon" bekannt ist und den Nobelpreisträger John Maynard Keynes aufgegriffen hat: Zwar erhöht Sparen das Vermögen eines Individuums, der Konsumverzicht des Einzelnen schmälert damit aber die Gesamtnachfrage. Kommen mehrere Menschen auf diese Idee, löst das einen negativen Multiplikatoreffekt aus: Das volkswirtschaftliche Einkommen sinkt in einem höheren Ausmaß, als das gesparte Vermögen steigt. Demnach sei Sparen, soweit es sich nicht um die Marotte eines Einzelgängers, sondern um eine gesellschaftlich weitverbreitete Unsitte handelt, schlicht und einfach eine Wachstumsbremse.
So weit, so theoretisch. Die Praxis macht es uns derzeit allerdings leicht, auf das offenbar gefährliche Tun, Geld zur Sparkasse oder zur Bank zu bringen, zu verzichten. Die Zinsen sind im Keller, und von dem lächerlichen Nullkommairgendwas, das ein Sparbuch bringt, zwackt der Fiskus - man will es nicht glauben - noch einmal ein Viertel ab. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an Zeiten, in denen Sparbücher sichtbare Zinsen brachten, Kindern in der Schule oder an Bankschaltern anlässlich des Weltspartages ein skurriles Gummimännchen namens "Sparefroh" ausgehändigt wurde und Sparen doch tatsächlich als Tugend gepriesen wurde.
Der Geldstrom der Zentralbanken macht Sparer weitgehend überflüssig.
Was ist seither passiert? Die Zäsur brachte die Finanz-und Wirtschaftskrise 2008. Um Bankenpleiten zu verhindern und die darniederliegende Wirtschaft wieder anzukurbeln, öffneten die Zentralbanken weltweit die Geldhähne und fluteten die Märkte mit Billionen von Dollar, Euro oder Yen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Sparer -ungeachtet der Querschüsse eines Keynes - eine wichtige Funktion: Sie lieferten brav ihr Geld bei den Finanzinstituten ab, die ihnen dafür zwar Zinsen zahlen mussten, dieses Geld aber um höhere Zinsen in Form von Krediten an Unternehmen und Haushalte verleihen konnten. Der Geldstrom, der sich seit 2008 von den Zentralbanken über die Geschäftsbanken ergießt (siehe auch trend Mai 2018 - Seite 24), macht die Sparer aber weitgehend überflüssig. Immerhin müssen die Banken ihnen ja doch noch irgendwelche Zinsen zahlen, während die Europäische Zentralbank Geld zum Nulltarif bereitstellt.
Müssen wir nicht dennoch sparen? Natürlich müssen wir das, auch wenn Herr Keynes das für doof hält. Eine gewisse Liquidität in Form kurzfristiger Anlageformen, etwa Sparbuch oder Konto, ist notwendig. Ein kleiner Trost: Derzeit beträgt der Kaufkraftverlust hier jährlich rund 1,3 Prozent, in der Schilling-Zeit waren es durchschnittlich 3,5 Prozent, bezogen jeweils auf täglich fälliges Geld. Sparen aus Vorsorgegründen führte immer schon zu anhaltendem Kaufkraftverlust.
Der Staat begünstigt das Sparen und bestraft das Investieren.
Längerfristig hilft nur, auf verschiedene Anlageformen zu setzen. Aktien spielen hier in zahlreichen Industrieländern eine wichtige Rolle - nicht aber in Österreich. Warum? Weil heimische Politiker offenbar eine unüberwindliche, oft ideologisch motivierte Abneigung gegenüber Beteiligungspapieren empfinden. Die Regierung Kern/Mitterlehner manifestierte diese Abneigung mittels einer Steuererhöhung für Aktionäre. Dividenden müssen seither mit 27,5 Prozent versteuert werden, ebenso Kursgewinne, selbst wenn diese nicht einmal die Inflation decken sollten.
Die Steuer für Sparzinsen beließ man hingegen unverändert bei 25 Prozent. Der Staat begünstigt somit das volkswirtschaftlich zumindest umstrittene und aus Konsumentensicht mit schleichender Enteignung verbundene Sparen und bestraft das volkswirtschaftlich nützliche, aber mit Risiken behaftete Investieren in Unternehmensbeteiligungen.
Immerhin hängen in Österreich laut einer Erhebung des Aktienforums 440.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Börse ab. Vielleicht ist das ein Argument, die "Strafsteuer" für Aktionäre wieder abzuschaffen.
Der Beitrag ist der trend-Ausgabe Mai 2018 entnommen.