Forschungsfinanzierung: Jammern verboten
Die Finanzierung von Forschung und Entwicklung verbessert sich. Umso mehr sind nun Universitäten, Wirtschaft und Ministerien gefordert.
Reinhart Kögerler - Christian Doppler Forschungsgesellschaft
Österreich hebt ab, jedenfalls bei der Finanzierung von Forschung und Entwicklung. Nach den Krisenjahren 2010-2015 gelangen wieder substanzielle Fortschritte: Mit unserer Forschungsquote (3,14 %) liegen wir in der EU hinter Schweden an zweiter Stelle, mit öffentlichen Ausgaben für Universitäten und Fachhochschulen (1,55 % des BIP) haben wir anteilsmäßig Deutschland überholt. Das Finanzvolumen für den Wissenschaftsfonds FWF und das Universitäten-Grundbudget werden deutlich erhöht, dazu kommen positive aktuelle Absichtserklärungen.
Natürlich gibt es noch Kritikpunkte. Wir sind trotz allem noch weit von der Situation der Schweiz entfernt. Und man wird sicherlich die gelegentlich kolportierte Behauptung, die österreichischen Hochschulen schwämmen im Geld, zu den klassischen Fake-News zählen können. Dennoch: Die Finanzsituation von Wissenschaft und Forschung in Österreich (obwohl gewiss noch verbesserbar) rechtfertigt kein ständiges, undifferenziertes Gejammere mehr.
Das heißt aber: Die operativ Tätigen selbst, die Forscher, die Universitäten, die innovationswilligen Firmen, sind nun herausgefordert.
Werden wirklich immer die Besten ausgewählt - oder nur die Passendsten?
Die Universitäten etwa müssen sich fragen lassen, wie es dazu kommt, dass sie in praktisch allen internationalen Rankings unter "ferner liefen" rangieren, meist jenseits des 150. Platzes. Natürlich kann auf die Fragwürdigkeit solcher Pauschal-Rankings verwiesen werden, aber wenn unter praktisch allen verwendeten Perspektiven so große Qualitätsdefizite der österreichischen Hochschulen zu Tage treten und wenn vor allem über die Jahre kaum Verbesserungen erkennbar waren, so werden die Universitäten (und die Universitätspolitik) untersuchen müssen, welche ihrer Performances zu verbessern sind.
Dazu zählt sicherlich zuerst die Berufungspolitik, das Rückgrat jeder guten Hochschulpolitik: Werden wirklich immer die Besten ausgewählt, oder begnügt man sich mit den Passendsten, zu denen dann leider oft die Naheliegendsten (Hausberufenen) zählen?
Dazu gehört aber auch die Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs: Die Zeit nach dem Doktorat sollte die Zeit des Erkundens und des Eintauchens in die (internationale) Forschungsszene sein. Und trotz aller damit verbundenen sozialen und persönlichen Schwierigkeiten kann und darf man jenen, die die Wissenschaft zu ihrem Beruf gewählt haben, diese Phase, die mit hoher Mobilität verknüpft ist, nicht ersparen -auch durch das oft vorgeschlagene Tenure-Track-Verfahren nicht. Es wäre fatal, würde dieses in einer Form realisiert werden, die in einem schrittweisen beruflichen Weiterrücken am selben Ort bloß auf der Basis von internen (also nicht kompetitiven) Einzelüberprüfungen besteht.
Ein weiteres immer drängenderes Problem für die Universitäten bildet die Auswahl der Studienanfänger: Das Maturazeugnis als einziger Befähigungsnachweis für den Hochschulzugang wird angesichts der zunehmenden Fortentwicklung und Ausdifferenzierung der Wissenschaften auf Dauer nicht mehr reichen. Es wird wohl das Abitur (das im Idealfall eine breite Bildungsbasis bezeugt und daher immer wertvoll bleibt) immer mehr durch ein fächerspezifisches "Aditur" ergänzt werden müssen.
Wirtschaft und Politik sind gefordert
Die Wirtschaft ist gefragt, warum sich immer noch so wenige einschlägige Unternehmen - trotz des Angebots von starker öffentlicher Mitfinanzierung - für grundlagennahe Forschung öffnen, obwohl bekanntermaßen gerade diese die Innovationsfähigkeit nachhaltig stärken kann (einige Hundert sind es derzeit nur). Langfristige Wettbewerbsvorteile erwachsen heute in der Regel weniger aus kleinen Entwicklungsschritten als aus langfristigem Planen, Denken und Forschen. Daher sollte in einer hochentwickelten Volkswirtschaft die für die grundlegende Forschung kennzeichnende Langfristigkeit (trotz des hierfür notwendigen langen finanziellen Atems) auch für die Unternehmen Orientierungspunkt werden.
Die politischen Akteure (insbesondere die Ministerien) wiederum sind gefordert, ihre Art der Governance der F&E-Förderung zu überprüfen bzw. weiterzuentwickeln. Es geht hier darum, die Erfahrungen und das Sachwissen von Unternehmen und Wissenschaftlern zur Basis aller (Förder-)Maßnahmen zu machen und diese so zu akkordieren, dass ein kohärentes Innovationssystem entstehen kann.
Noch einmal: Alles dieses gilt es, mit Selbstbestimmtheit aber auch mit Selbstkritik und mit dem starken Willen zur ständigen Selbstverbesserung zu tun. Und vor allem unter dem Motto, das angeblich Papst Franziskus auf einem Schild zum Eingang seiner Wohnung im Vatikan formuliert hat: Vietato lamentarsi - Jammern verboten.
Zur Person
Reinhart Kögerler ist Präsident der Christian Doppler Forschungsgesellschaft