Helmut A. Gansterer: Die Frisur fürs neue Jahr [Essay]
Aufrüstungs-Anregung für Führungskräfte.
Nichts leichter, als allein sein zu wollen und es dann ungewollt zu bleiben.
Es gibt keinen schlechteren Essay-Einstieg als eine Entschuldigung. Doch diesmal bleibt nichts anderes übrig. Der folgende Aufsatz ist für die schönen trend-Leser da. Die klugen trend-Leserinnen darf ich nicht ermuntern, weiterzulesen. Denn ein Autor, der immer nur Freund, Bruder und Geliebter, aber niemals Freundin, Schwester und Geliebte war, darf sich nicht erfrechen, auch dem anderen Geschlecht schlaue Ratschläge für das frische Jahr 2019 zu geben.
Um es gleich zu gestehen: Auch Trotz spielt eine Rolle. Wenigstens dieses eine Mal will ich mich für die schweren Verletzungen rächen, die mir sogenannte Feministinnen und Kampfemanzen zufügten. Dies war umso enttäuschender gewesen, als ich für sie große Opfer brachte.
Es ist, wie jeder Indianer weiß, schon gefährlich, mitten im Fluss die Pferde zu wechseln. Ich aber, den "neuen Frauen" zuliebe, wechselte sogar mitten im Pferd die Flüsse. Ich mutierte vom Macho meiner frühen Jahre zum Freund der Frauenbewegung - mit entsetzlichen Folgen.
Die Freunde flohen mich, die Frauen wiesen meine Anbiederung ab. Die Fiebrigsten der Emanzen verdächtigten mich gar als trojanisches Pferd, das sie heimtückisch unterwandern und von innen zerstören wollte. Nicht ohne vorher als trügerischer Freund auch sexuellen Rahm abzuschöpfen, als Verzinsung der ruchlosen Tat.
Den tieferen Beweggrund der Feindseligkeit begriff ich erst später: Die Spitzen-Emanzen wollten gar keine verständnisvollen Männer, denn diese gefährdeten ihr "Geschäftsmodell Geschlechterkampf", das sie wohlhabend, wenn nicht reich machte. So wie jene namhafte Magazinverlegerin, die, entsetzt von ihrer Steuerlast, diese mit Hilfe der Schweiz linderte und dies so ungeschickt machte, als wäre sie ein Mann.
Manche Zusammenhänge dieser Art erschlossen sich erst an einem IV-Abend. Ausgerechnet die mit Machos nicht eben dünn besiedelte österreichische Industriellenvereinigung hatte verblüffend zu einem internationalen Journalistinnen-Kongress geladen.
Fürs große Frauen-Plenum wünschte man sich zwei männliche Journalisten als Alibi und Quote. Sie waren nicht leicht zu finden. Plötzlich hatten alle Kollegen im Ausland zu tun. Nur Peter Rabl, damals "Kurier"-Boss, und ich als trend-Botschafter betraten tapfer die Richtstätte, nachdem wir unseren Nachlass geordnet hatten.
Wir wurden dann positiv überrascht. In der Plenums-Diskussion höflich behandelt, verließen wir unkastriert das prächtige IV-Gebäude am Schwarzenbergplatz.
Der Grund lag wohl darin, dass die anwesenden Kolleginnen selber in hohen Rängen ihrer Verlage arbeiteten. Aus dieser Perspektive sahen sie vieles neu und anders. Jedenfalls schmolz der persönliche Erfolg ihre giftigsten Spitzen ab, sofern sie sich als Karrierefrauen überhaupt am großen Kampf gegen männliche Privilegien beteiligt hatten.
Beim knickrigen Mittelklasse-Wein des abschließenden IV-Buffets erhielt ich sogar handgestochene, parfümierte Visitenkarten in British-Kursiv und verlockende Angebote. Bis dahin hatte ich das offensive Prinzip "If you can't beat them, pay and buy them" nur von männlichen Verlagsmanagern und Chefredakteuren gekannt. Von einer gottgewollten, moralischen Überlegenheit der Frauen war wenig zu spüren
Mir gefiel das gut. Auch weil es zeigte, dass der schlitzohrige Kapitalismus ein umfassender Friedensstifter war und ist. Der nicht nur durch seine Effizienz für Wohlstand und damit den inneren Frieden eines Volkes sorgt -in krassem Gegensatz zum konkurrierenden Kommunismus, der die versprochene "Gleichheit für alle" immer nur als "Armut für alle" einlösen konnte, überdacht von einer Funktionärsschicht, für deren Allmacht und Privilegien es kein Gegenstück in der demokratischen Wettbewerbswirtschaft gab.
In jenem festlichen Journalistinnen-Kongress der IV schloss ich meinen Frieden mit den bewegten Frauen, die mich einst so missverstanden und geschändet hatten.
Ein enger Freund der meisten Chefredakteurinnen werde ich trotzdem nimmer. Denn viele von ihnen, als letztes Zeugnis ihrer einstigen Aufmüpfigkeit, dienen an wirkmächtiger Stelle einer weiblich orientierten Schreibreform. Diese reißt die schöne deutsche "Sprache der Dichter" in den Abgrund. Jede einzelne Reform-Idee, angefangen beim "Binnen-I", trägt zur grausamen Hässlichkeit eines neuen Schriftbildes bei. Völlig entartete ReformeiferInnen träumen schon von einer Neusetzung der Goethe-Werke. Und warum eigentlich nicht gleich "Die Leiden der jungen Wertherin" oder den Entwicklungsroman einer Wilhelmine Meister?
Viele männliche Kollegen, anfangs unbedacht kompromissbereit, kehrten schon auf leisen Sohlen um. Extra beglückend ein neues Werk von "News"- Kulturchef Heinz Sichrovsky. Zumal er neben dem Binnen-I auch die "Korrektheits-Ajatollahs" verlacht, jene unglücklichen Spießer, deren merkwürdiges Ziel darin liegt, jede sündhafte Heiterkeit des Lebens abzuschaffen. In der wertvollen, ironisch-seifigen Tonalität des Autors sind die "Betrachtungen eines Unkorrekten" (Ueberreuter, 184 Seiten, € 19,95) ein Leitbuch des Lächelns für 2019, highly recommended. Ein wenig enttäuschend vielleicht, dass Sichrovsky davon absah, sein Werk dramatisch in den Mittelpunkt seiner glänzenden Literatursendung (ORF III, "Erlesen") zu stellen. Er vergab damit die Chance einer vorbildlichen Unkorrektheit.
Ich habe meine genützt. Ich verwendete im Titel das Wort "Frisur". Wohl wissend, dass ich meine Leserinnen enttäusche, die im Essay die ultimative Haartracht suchen. Das Wort ist aber in seiner männlichen Auslegung gedacht. Also als Tuning im Sinne des Auffrisierens eines Verbrennungsmotors, um beispielsweise aus einen Faltdach-Fiat 500 C einen Abarth oder gar Porsche Boxster zu machen.
Jetzt im Text steht "Frisur" für den Versuch, die persönliche Performance so zu schärfen, dass sie nicht nur die Firmenbilanz 2019 nach oben schnalzt, sondern auch Herz und Seele erfrischt, also die Freuden früherer Jahre zurückbringt.
Es geht dabei um eine Wiederentdeckung des persönlichen Gesprächs, das die Entfremdung durch Smartphone und E-Mail überwindet - und um die versunkene Fähigkeit des Zuhörens.
Das geschäftliche Leistungsziel ist relativ leicht zu erreichen. Jeder Unternehmer und Manager und ambitionierte Teenager auf dem Weg nach oben (kurz: der trend-Leser) weiß über sich selbst Bescheid. Er weiß im Innersten, wo er noch Leistungsreserven hat, die er bisher aus Trägheit nicht ausschöpfte.
Um diese Müdigkeit zu überwinden, reicht kaufmännischer Ehrgeiz. Ungleich schwieriger ist es, mit der geplanten Frisur auch nahe Menschen zu erfreuen, also die Mitarbeiter und Freunde und die eigene Familie. Da der Mensch im Grunde gut ist, wird er erst dann mit seiner Performance glücklich sein.
Allerdings ist dies leichter gesagt als getan. Es gleicht einer mathematischen Aufgabe, in der es mehr Unbekannte als Gleichungen gibt. Ein gültiges Rezept für alle zu finden, scheint auch deshalb unmöglich, weil der Schöpfer den Menschenzoo mit Individualisten besiedelte, die unterschiedlich auf Angebote reagieren.
Doch siehe, durch einen Lucky Punch fand ich eine Frisur, die vielen gefallen wird. Es geht dabei um eine Wiederentdeckung des persönlichen Gesprächs, das die Entfremdung durch Smartphone und E-Mail überwindet. Und innerhalb des persönlichen Gesprächs um die versunkene Fähigkeit des Zuhörens. Man wird damit Aufsehen erregen und ernten.
Eine angewehte Erinnerung gab den Anstoß für diesen Tipp: Die Chefin einer Wiener Innenstadt-Bar, in der sich Geschäftsleute zwischen Arbeit und Familie entspannten, bat mich einst, einen reichen, aber besorgniserregend melancholischen Stammgast aufzurichten. Dies gelang durch bloßes Zuhören. Ich steuerte nur Bindewörter wie "Ehrlich?" und "Jessas na" bei. Nach vielen Stunden bedankte sich mein Vis-à-vis für die schönste Diskussion seines Lebens. Er war geheilt, dafür ich tödlich erschöpft. Doch hatte ich auf dem Heimweg das Gefühl, noch nie so nützlich gewesen zu sein.
Vielleicht dient diese alte Anekdote als Modell-Frisur für ein zufriedenes und ertragreiches Jahr 2019. Mag auch sein, dass es kein Zufall ist, dass einige der gefragtesten Fußballtrainer wie Klopp (Liverpool), Guardiola (Manchester City) und die Österreicher Hütter (Frankfurt) und Hasenhüttl (Southampton) jene sind, die viel Zeit für Zweiergespräche mit ihren Stars aufwenden. Und dass Ex-Startrainer Mourinho jüngst bei Manchester United unterging, weil er zuletzt nur noch mit sich sprach. Wer sich selbst genügt, genügt bald keinem mehr.
Das Essay ist der trend-Ausgabe 5/2019 vom 1. Februar 2019 entnommen.