Erwin Javor: Alltagsgeschichten - Sekkierity!
Gastbeitrag von Erwin Javor, Unternehmer, Herausgeber und Buchautor: In letzter Zeit war unser Autor viel unterwegs. Nach den Kontrollen auf den Flughäfen dieser Welt hat er einiges zu erzählen.
Unternehmer, Herausgeber und Autor Erwin Javor
Was haben alle Flughäfen dieser Welt gemeinsam? Eine Sekkierity (© der Kabarettist Alex Kristan). In letzter Zeit war ich viel unterwegs und habe dieses Phänomen im Zeitraffer und in verschiedensten Varianten absolviert.
Von Wien nach Düsseldorf hatte ich nur Handgepäck, Geschäftsunterlagen, Wäsche und Toiletteartikel im Reise-Necessaire, das mir eine Airline bei einem Nachtflug gespendet hatte, bei mir. Schon am Weg zur Sekkierity-Warteschlange hielt ich brav alle potenziellen Gefahren sichtbar in meinen Händen: meinen Laptop, mein Handy, mein Sakko, meinen Gürtel, meine Uhr, meinen Pass, meine Boarding-Karte, meinen Mantel und meine Füllfeder. Dann warf ich alles folgsam in die vorgesehenen Plastikbehälter und marschierte vorbildlich durch den Metalldetektor. Ich wurde belohnt. Er piepste nicht. Dann aber war mein frisch geröntgter Rucksack verdächtig, und eine Frau Sekkierer bat mich ihn zu öffnen. Sie stürzte sich zielstrebig auf den Airline-Kulturbeutel und studierte routiniert die Mengenangaben auf den winzigen Tuberln und Flascherln, segnete sie auch ab, bat mich aber, das nächste Mal bitte alles gleich schon vor dem Röntgen auszupacken.
Einen Tag später, am Weg zurück nach Wien, hielt ich in der Warteschlange vor der Sekkierity also nicht nur meinen Laptop, mein Handy, mein Sakko, meinen Gürtel, meine Uhr, meinen Pass, meine Boarding-Karte, meinen Mantel und meine Füllfeder in der Hand, sondern auch den bereits geöffneten Kulturbeutel. Diesmal erwartete mich ein Herr Sekkierer biodeutschen Hintergrunds, der meine Toilettesachen vor sich ausbreitete und mich belehrte, dass ich eigentlich jedes Tuberl und Tiegerl in einen durchsichtigen, wieder versiegelbaren Plastikbeutel hätte packen müssen.
Ich bedankte mich für die Information und versuchte, mein Vergehen mit Charme zu überspielen, ohne mein Unverständnis darüber zu outen, dass im aufgegebenen Gepäck - das ja auch mitfliegt - jegliche Zahnpasta-Größe und - Verpackung erlaubt ist, im Handgepäck aber nur Minigrößen in einem wieder verwendbaren Kondom.
Ich durfte weitergehen - ohne in den Abfallcontainer geworfen zu werden.
Er schickte mich trotzdem zu einem Automaten, um dort diese Transparenztüte zu erwerben. Die Aussicht, mich nochmals anstellen zu müssen, veranlasste mich aber, eine Verzichtserklärung abzugeben. Gelassen sammelte daraufhin mein germanischer Freund meine Zahnpasta-, Rasierwasser-, Deo- und Shampoo-Pröbchen zusammen und warf sie mit Schwung in einen Abfallcontainer. Ich könnte schwören, einen Schatten von einem Grinsen bemerkt zu haben. Im Bodyscanner warf ich wie vorgeschrieben die Arme gen Himmel und durfte weitergehen - ohne in den Abfallcontainer geworfen zu werden.
Dann wurde ich übermütig und reiste in die USA. In Wien wurde ich diesmal gebeten, nicht nur meinen Laptop, mein Handy, mein Sakko, meinen Gürtel, meine Uhr, meinen Pass, meine Boarding- Karte, meinen Mantel, meine Füllfeder und meinen Kulturbeutel, sondern auch meine Kamera schon vorab aus dem Rucksack zu holen. Beim Rückflug erhielten meine Frau und ich noch ein Bootcamp-Training und wurden wie bockige Rekruten angetrieben, unser Tempo hochzuschrauben.
In Vietnam und Kambodscha hingegen war man auf Leder spezialisiert. Dort waren nicht die üblichen Verdächtigen, sondern neben meinem Gürtel vorrangig meine Schuhe suspekt.
Muss ich jetzt in der Oper, im Supermarkt oder im Kino auch die Schuhe ausziehen?
Ich bin für jede Maßnahme, die meiner Sicherheit dient, dankbar. Aber fanden die meisten Terroranschläge der letzten Zeit nicht an öffentlichen Plätzen mit Lkw und Messern, in U-Bahnen, Bahnhöfen, Redaktionen, Supermärkten, bei Konzerten statt? Muss ich jetzt also in der Oper, im Supermarkt oder im Kino auch die Schuhe ausziehen? Nein. Es wäre nämlich undenkbar, überall so eine Prozedur abzuhalten. Das öffentliche Leben käme zum Stillstand, und damit hätte der Terror dann wirklich gewonnen.
Allein am Flughafen Wien gibt es über 1.000 Sicherheitsmitarbeiter. Wenn man das auf die über 17.000 kommerziellen Flughäfen weltweit hochrechnet, reden wir von Millionen an Sekkierern, ganz zu schweigen vom Aufwand für die technische Infrastruktur, die auch laufend gewartet, erneuert und modernisiert wird. Ein Milliardengeschäft. Ist das noch verhältnismäßig? Oder ein Geschäftsmodell?
Zur Person
Erwin Javor ist Unternehmer (Frankstahl, Thespis) und Herausgeber von "mena-watch. Der unabhängige Nahost-Thinktank" sowie Buchautor.
Buchtipp
Ich bin ein Zebra - eine jüdische Odyssee
Der jüdische Humor und seine Witze vermengen sich in Erwin Javors Erzählung wie ein Mosaik mit Geschichte und persönlichen Geschichten aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es ist ein Buch über ostjüdische Identität im Lauf der Generationen: subjektiv, ironisch, kritisch, lachend, weinend und liebevoll. Eine jüdische Familiengeschichte der ganz besonderen Art.
Vom Schtetl nach Budapest, von Budapest nach Wien und nach Israel führt Erwin Javors Zeitreise. Sie ist eine Liebeserklärung an seine Eltern, deren Geschichten und Erzählungen über eine heute verlorene Welt ihn geprägt haben. Das Schtetl ist, mit Sehnsucht verklärt, im kollektiven jüdischen Gedächtnis immer noch präsent. Doch diese versunkene Welt war auch hart und erbarmungslos, und gerade daraus entstand der jüdische Humor. Was ist an ihm so besonders, warum bringt er uns zum Lachen? Weil hinter jeder guten Pointe, wie bei jeder guten Komödie, immer auch ein Stück Tragödie steht.
- Ich bin ein Zebra - eine jüdische Odyssee
- 256 Seiten, 25 €
- Amalthea Verlag, 2017
- ISBN: 978-3-99050-092-7
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Der Gastbeitrag von Erwin Javor ist der trend-Ausgabe 12/2018 vom 23. März 2018 entnommen.