Emmanuel Macron - Vive le President!

So umstritten Emmanuel Macron in seiner Heimat ist, Europa braucht ihn dringend als Visionär und Speerspitze gegen Facebook & Co.

Emmanuel Macron - Vive le President!

Sind die Tage Emmanuel Macrons an der französischen Staatsspitze nach nicht einmal einem Jahr schon wieder gezählt? Hat sich der Reformator doch zu viel vorgenommen? Nach dem großen französischen Bahnstreik sprechen europäische Medien jedenfalls allerorts - teils angstvoll, teils hoffnungsfroh - von einer ersten richtigen Machtprobe für den umtriebigen Staatschef. Denn Macron polarisiert, und das weit über die Grenzen Frankreichs hinaus.

Doch das aktuelle Chaos auf französischen Bahnhöfen verstellt etwas den Blick darauf, wie vielschichtig und visionär Macrons Sicht auf die Wirtschaft und die Unternehmen wirklich ist. Auch wenn man dem 40-jährigen Präsidenten jüngste Erfolge wie das seit einem Jahrzehnt erstmalige Einhalten der Maastricht-Kriterien oder das Absinken der Arbeitslosenquote auf unter neun Prozent nicht unbedingt allein zugestehen will - richtig, die gute Konjunktur tut ihr Übriges -, so setzte er dennoch in seinem ersten Jahr genügend diskussionswürdige Akzente für die Wirtschaft.

Nehmen wir nur eines von Macrons Lieblingsprojekten: ein neues, soziales Unternehmensrecht. Unternehmen sollen also nicht nur ihren Profit im Auge haben, sondern auch soziale und ökologische Ziele verfolgen. Langfristig sollte das vielleicht Dieselexzesse oder die Erzeugung schädlicher Pflanzengifte zumindest erschweren. Dafür will der Mann im Élysée-Palast sogar vor einer Neufassung des 200 Jahre alten Code Napoléon nicht zurückscheuen. Und ist diese Gesetzesreform einmal geschafft, soll diese modernisierte Art des Kapitalismus gleich auf ganz Europa übertragen werden. Das schwebt Macron zumindest vor.


Macron lässt Ankündigungen auch Taten folgen

So einfach wird das nicht gehen, aber es ist gut, wenn derlei Vorhaben europaweit zumindest ernsthaft diskutiert werden. Mag sein, dass man den Unternehmen damit zu viel aufbürdet, aber haben sie sich das durch das Ausreizen sämtlicher Grenzen nicht vielfach selbst zuzuschreiben? Erfrischender, als ein Staatsziel "Wirtschaftswachstum" in der Verfassung niederzuschreiben, wie es die " Reformregierung" in Österreich plant, ist Macrons Idee jedenfalls.

Das Thema "Artificial Intelligence" hat der französische Präsident kürzlich zur Chefsache erklärt und will dafür vorerst 1,2 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Er hat angekündigt, das Feld hier nicht allein China und den USA überlassen zu wollen, und er lässt - anders als viele andere Politiker - seinen Ankündigungen auch Taten folgen: Er hat die Bildung eines europäischen Innovationrats und einer Innovationsagentur angestoßen. Nichts Außergewöhnliches, aber ein Zeichen dafür, dass hier, dem Namen seiner Partei, "En Marche!", entsprechend, etwas weitergeht.

Überhaupt ist der französische Staatschef einer der wenigen bedeutenden Politiker, die sich trauen, Tech-Giganten wie Google oder Facebook die Stirn zu bieten. So war er nicht nur einer der Ersten innerhalb der Union, der - zu Recht - eine Digitalsteuer für die riesigen US-Konzerne in Europa forderte, sondern er nennt die Dinge auch beim Namen: Google, Facebook, Microsoft & Co. seien möglicherweise zu groß, um noch gelenkt werden zu können, meinte Macron vor wenigen Tagen.


Macron lässt Ankündigungen auch Taten folgen

Wie man an den aktuellen Facebook-Problemen sieht, braucht es hier dringend einen Mahner, und es kann nicht schaden, wenn dieser Mahner scheinbar weiß, wovon er spricht, und auch aus einer Generation stammt - sorry, Angie -, die bereits mit dem Internet aufgewachsen ist.

Wieder zurück auf den Bahnhof also. Bei allem Verständnis für französische Eisenbahner: Die Staatsbahnen (SNCF) sind hoch verschuldet und lebenslanger Kündigungsschutz wohl eines 21. Jahrhunderts auch nicht mehr würdig. Auch der Widerstand gegen die Öffnung französischer Bahnstrecken für ausländische Wettbewerber scheint angesichts einer Beteiligung der SNCF an der österreichischen Westbahn mehr als absurd. Eine Reform tut also not.

Europa sollte sich wünschen, dass Macron die Machtprobe gegen die streikenden Bahnbediensteten übersteht, denn wir brauchen ihn nicht nur dringend als Speerspitze gegen die Übermacht der US-Tech-Giganten, sondern als Ideengeber und Visionär für eine Wirtschaftspolitik, die ihren Namen auch verdient.

kramer.angelika <AT> trend.at


Der Kommentar ist der trend-Ausgabe 14/2018 vom 6. April 2018 entnommen.

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