Doppelbudget 2018 und 2019: Kein Paradigmenwechsel

Andreas Lampl über das erste türkis-blaue Budget: "Konservatives Erwartungsmanagement" oder nur der Versuch, Konjunkturgewinne in die Absage von Reformen zu "investieren"?

trend Chefredakteur Andreas Lampl

trend Chefredakteur Andreas Lampl

Die gute Konjunktur hat auch ihre Schattenseiten. Sie nimmt den Druck von der Regierung, unangenehme, aber überfällige Strukturreformen anzugehen - Stichworte: Förderungen, Föderalismus, Pensionen. Abzulesen am von Finanzminister Hartwig Löger vorgelegten Doppelbudget 2018/19: Nach einem Defizit von immer noch 2,16 Milliarden Euro in diesem Jahr wird für 2019 "der erste Budgetüberschuss seit 65 Jahren" gefeiert: 541 Millionen! Das Minimalziel, um die von Kanzler Kurz vorgegebene Story erzählen zu können.

Bei genauerem Hinsehen wird schnell klar: Die Verbesserung stammt zum allergrößten Teil aus steigenden Staatseinnahmen bei sinkenden Arbeitsmarktausgaben aufgrund des guten Wirtschaftswachstums und aus geringeren Zinsaufwendungen (Nullzinspolitik). Die echten Einsparungen sind bescheiden, von großen Würfen ganz zu schweigen. Die Schuldenquote sinkt nur, weil das BIP so stark steigt.

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Die Budgetrede von Bundesfinanzminister Hartwig Löger im Wortlaut. Zum Download klicken Sie bitte auf die untenstehende Abbildung.

Nachlese: Budgetrede 2018/2019

Nachlese: Budgetrede 2018/2019

Der ausgerufene Paradigmenwechsel ist das - mit Verlaub - wirklich nicht. Ein Paradigmenwechsel sähe anders aus: nämlich den Österreichern endlich einmal offen zu sagen, dass die vom Thinktank Agenda Austria als Wagner'sches Gesetz titulierte Kausalität - Je reicher die Bürger, desto höher die Ansprüche an den Staat - durchbrochen wird. Dieses, von allen Regierungen seit einem halben Jahrhundert quer durchs Land genährte Anspruchsdenken zu ändern, scheut offensichtlich auch die Kurz-Administration. Außer bei Ausländern, da wird tatsächlich gespart.


Von einer Haushaltsführung, die danach trachtet, massive Entlastungen zu schaffen, ist das Budget weit entfernt.

Von einer Haushaltsführung, die danach trachtet, dass in Zeiten der Hochkonjunktur echt Geld übrig bleibt, um Spielräume für magere Jahre oder für massive Entlastungen zu schaffen, ist dieses Budget (samt Planung für die Legislaturperiode bis 2022) weit entfernt. Von den - schon bescheidenen - 2,5 Milliarden Euro Einsparungen, die vorgelegt wurden, entfällt eine nicht näher ausgeführte Milliarde auf die Verwaltung. Eine weitere Milliarde auf die Streichung von Aktion 20.000 und Beschäftigungsbonus, der aber eigentlich ein Einnahmenentfall ist, den man auch als Teil der gewünschten Senkung der Abgabenquote und der Entlastung des Faktors Arbeit sehen könnte.

Wirkliche Einsparungen sind mickrige 190 Millionen Euro bei Förderungen und 140 Millionen bei ausgelagerten Einheiten. Ein Paradigmenwechsel? Ein türkiser Politiker erklärt die Diskrepanz zu den starken Ansagen der Regierung mit dem "konservativen Erwartungsmanagement" von Kurz. Die strukturellen Maßnahmen würden - mit dem einkalkulierten Überraschungseffekt - schon noch kommen.


Einschneidende, unpopuläre Aktionen gelingen nur zu Beginn einer Legislaturperiode.

Wenn das so ist, dann ziehen wir den Hut. Dann ist der "Start in eine neue Zukunft" mit Leben erfüllt. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass einschneidende, unpopuläre Aktionen nur zu Beginn einer Legislaturperiode gelingen. Je näher die nächste Wahl rückt, desto unwahrscheinlicher werden sie. Die Strategie scheint also eher zu sein, die Segnungen der brummenden Wirtschaft in die Absage unbeliebter Reformen (Pensionen usw.) zu "investieren". Dafür spricht auch, dass Finanzminister Löger gerne sagt, man dürfe sich "nicht zu Tode sparen" oder müsse "beim Sparen die Menschen mitnehmen".

Das klingt irgendwie nach Warnungen von SPÖ-Politikern wie Renate Brauner oder Werner Faymann. Oder, wie es ein anderer einflussreicher Türkiser ausdrückt: Man werde doch nicht ohne Not neue Gesetze mit lauter Grauslichkeiten machen. Möglicherweise dreht aber die Konjunktur und/oder das Zinsniveau, das dem Staat jetzt noch Finanzierungen zu minus zwei Prozent erlaubt. Dann braucht es auch richtige Reformen, um die Minimalziele, die Kurz ausgegeben hat, zu erreichen.


Der Artikel ist der trend-Ausgabe 12/2018 vom 23. März 2018 entnommen

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