Aufstehen gegen die Populisten

Wo ist die Wirtschaft, wenn man sie braucht? Die Eliten dürfen sich nicht wegducken, wenn es gegen Populisten geht.

Christoph Kotanko, Korrespondent der Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) in Wien

Christoph Kotanko, Korrespondent der Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) in Wien

Franz Fischler hatte eine Idee. Als im Vorjahr viele Flüchtlinge ohne Dach über dem Kopf dastanden, organisierte der ehemalige EU-Kommissar eine bundesweite Bürgermeister-Initiative. Längst ist klar, dass es ohne die lokalen Eliten keine Lösung gegeben hätte. Während die hohe Politik hilflos war, feierte die Provinz ihr Comeback.

In Präsidentschaftswahlkampf gab es ein Dacapo. Wieder versammelte Fischler die Bürgermeister, diesmal für Alexander Van der Bellen. Die Initiative war strikt überparteilich, Rote machten ebenso mit wie Schwarze oder Unabhängige. Fischlers Überlegung war: "Zu wem haben die Leute heute noch Vertrauen? Am ehesten zu den Bürgermeistern."

Unterstützung aus der Wirtschaft bekam der Tiroler vor allem durch Hans Peter Haselsteiner. Der Bauindustrielle investierte viel in den Kampf gegen "das Gespenst des Nationalismus". Seine Kampagne richtete sich gegen Norbert Hofer, aber auch gegen dessen Gesinnungsfreunde wie den Briten Nigel Farage oder Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National.


Ein Bundespräsident Hofer wäre ein Standortnachteil gewesen, Österreich zum Vorzeigeland antieuropäischer Rechtspopulisten geworden.

Als Beistand hatte Haselsteiner angesehene Ruheständler wie Brigitte Ederer und Christian Konrad. Aktive Unternehmenseigentümer oder Manager mischten sich kaum ein. Dabei ging es für die Wirtschaft um viel: Ein Bundespräsident Hofer wäre ein Standortnachteil gewesen, Österreich zum Vorzeigeland antieuropäischer Rechtspopulisten geworden. Umgekehrt hätten die Parteien der Mitte in den großen Wahlkämpfen 2017 (Niederlande, Frankreich, Deutschland) den Blauen in der Hofburg als Schreckgestalt verwendet.

Diesen Schauder abzuwenden, wäre jeden Einsatz wert gewesen. Doch die Eliten duckten sich weg. Dabei hätte allein Hofers Andeutung vom Öxit nach dem Brexit zur massiven Mobilisierung führen müssen. Ein eindeutiges Bekenntnis zum europafreundlichen Van der Bellen wäre keine heldenhafte Haltung gewesen, sondern eine Selbstverständlichkeit.

War sie nicht. Die Unternehmer unterließen eine Mobilisierung - anders als beim EU-Beitritt vor 20 Jahren. Die Entzauberung des FP-Kandidaten war seinem (ex-)grünen Gegner und dessen deklarierten Unterstützern vorbehalten.

Dabei hat die Wirtschaft viel zu verlieren. Die politischen und ökonomischen Eliten sind - auch unter Etiketten wie "Schickeria" oder "Hautevolee" - das Hauptziel der Populisten. Sie konstruieren einen moralischen Gegensatz zwischen dem tugendhaften Volk und der korrupten Oberschicht, wobei die Populisten natürlich das wahre Volk vertreten. "Der hat die Hautevolee, bei mir sind die Menschen", sagte Hofer in einer Wahlkampfveranstaltung verächtlich über Van der Bellen.


Vorurteile, Neidgefühle, Klischees bestimmen die Agenda. Die Eliten stehen unter dem Generalverdacht, die Demokratie auszuhebeln.

Vorurteile, Neidgefühle, Klischees bestimmen die Agenda. Die Eliten stehen unter dem Generalverdacht, die Demokratie auszuhebeln, ihren Egoismus auszuleben und vor ihrer Verantwortung zu flüchten.

Hofer und Konsorten nutzen eine nebulose Unzufriedenheit, um gegen die Politik, die Parteien, gegen "das System" zu wettern. Dieses Bashing ist ein bewährtes Muster nicht nur rechter, sondern auch linker Populisten.

Mit Zaudern und Harmoniesucht wird man dem Phänomen nicht beikommen. Das deutsche "Manager Magazin" veröffentlichte unlängst einen flammenden Aufruf an die Wirtschaft, Flagge zu zeigen: "Populisten kann man bekämpfen. Man muss sich nur trauen." Diese Aufgabe sei nicht für die Politik reserviert. Auch die Wirtschaftslenker müssten ihren Beitrag leisten: "Eines der wesentlichen Ziele der vergangenen Jahre war es für Vorstandsvorsitzende, Teil der Financial Community zu werden. Das ist auch wichtig, aber das kann auch der Finanzvorstand übernehmen." Der Vorstandschef sollte sich verstärkt bemühen, Teil der Community zu werden, also "sein Unternehmen zu erklären, offen die Konflikte mit den Populisten und ihrer postfaktischen Argumentation zu benennen, vielleicht auch mal Fehler einzuräumen". All das können die Eliten nicht an ihre Interessenvertreter, an Industriellenvereinigung oder Kammern delegieren.

Sie müssen selbst sichtbar werden. Der Kampf gegen den Populismus ist zu gewinnen. Die nächste Herausforderung sind die Nationalratswahlen, spätestens 2018. Darauf muss man sich vorbereiten. Abkapseln wäre ein fortgesetzter Fehler. In den Worten des Ökonomen John Maynard Keynes: "Fehler sind nützlich - aber nur wenn man sie schnell findet."

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