Andreas Lampl: Chancengleichheit und Alterserscheinungen
Die Last der Pandemie wäre ein Anlass, ein Programm gegen den Mangel an Zukunftsperspektiven der jungen Generation zu entwerfen, meint trend-Chefredakteur Andreas Lampl.
trend-Chefredakteur Andreas Lampl
Die Überlegung, nur Geimpften und Genesenen den Zugang zur Nachtgastronomie zu gewähren, nicht aber negativ Getesteten, quittierte der Sohn einer Freundin ziemlich sauer: Wer sich immer brav an alles gehalten und sich nicht infiziert habe, soll jetzt dafür bestraft werden. Er stünde besser da, hätte er sich mit dem Virus angesteckt. Das Gesundheitsrisiko wäre für einen 20-Jährigen ja tatsächlich minimal gewesen.
Man kann jetzt einwenden, dass es eh nur noch ein, zwei Monate dauert, bis auch die unter 30-Jährigen halbwegs durchgeimpft sind. Und was sind schon ein paar Nächte weniger in einem Club? Das wäre aber jene Ignoranz, mit der den Jungen schon während der gesamten Pandemie begegnet wird. Die Politik hat dem Gesundheitspersonal und Angestellten des Lebensmittelhandels Dank ausgesprochen. Aber niemand hat sich bei der jungen Generation bedankt, die sich überwiegend strikt an die Einschränkungen gehalten hat. Kaum um ihrer selbst willen, wohlgemerkt -sie hatte ja wenig zu befürchten -, sondern um zum Schutz der Menschen ab 40 beizutragen. Und nein, das ist nicht selbstverständlich!
Der Staat hat sich auch wenig um die Sicherung der Ausbildungsqualität an Schulen und Universitäten gekümmert. Manche hatten Glück mit engagiertem Lehrpersonal, andere nicht. Aber es waren Hundertschaften der Polizei zur Stelle, wenn sich - wie erst in letzter Zeit des Öfteren - der Frust bei Feiern im öffentlichen Raum entlud.
Ungleiche Rahmenbedingungen
Viele Jugendliche und vor allem junge Erwachsene hatten schon vor Corona das Gefühl, schlechtere Rahmenbedingungen vorzufinden als ihre Eltern. Die Pandemie hat diese Stimmung verfestigt. Dass sie am Jobmarkt am stärksten von der Covid-Krise betroffen sind, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut unmissverständlich festgestellt. Wer nicht IT-Spezialist ist, musste sich schon davor häufig von einem Praktikum zum anderen oder von einer Teilzeitstelle zur nächsten hangeln. Nun ist es noch schwieriger geworden. Der holprige Start ins Berufsleben könnte sich bei manchen über die gesamte Arbeitslaufbahn hinweg negativ auswirken.
Die Jungen werden auch die größte Last durch die enorm gestiegene Staatsverschuldung zu tragen haben. Jene, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, sind davon wenig betroffen. Politik und Sozialpartner hätten auch unabhängig von Covid genug Anlässe gehabt, ein Zukunftsprogramm zu entwerfen, in dem nicht Absicherung erworbener Rechte im Vordergrund steht, sondern Chancengleichheit für die Einsteiger, die naturgemäß nicht die stärksten Lobbys haben. Jetzt gilt das umso mehr. Gesundheitskrise, digitale und ökologische Transformation rütteln an der Stabilität des Wirtschaftssystems. Für die, die sich noch nicht etablieren konnten, werden die Karrierewege verschlungener.
Ungleiche Rahmenbedingungen
Ins diesjährige Ranking der reichsten Österreicher fanden eine paar Start-up-Multimillionäre Eingang, die mit innovativen Ideen hoch bewertete Unternehmen gegründet haben. Schön, weil sie als Identifikationsfiguren taugen. Aber solche Erfolgsstorys ändern nichts daran, dass die Generation unter 30 ihren Platz im Wirtschaftsgefüge noch nicht gefunden hat. Sie wird zwar im Durchschnitt mehr erben als ihre Vorgänger, weil die Gesellschaft in einer langen Phase der Prosperität Vermögen kumulieren konnte. Das mag für manche ein Trost sein, aber noch keine Erfüllung.
Es ist bezeichnend, dass zum Beispiel in Pensionsdebatten bei uns fast nie über die Zukunftsvorsorge der Jüngeren gesprochen wird, obwohl auf der Hand liegt, dass im derzeitigen System für sie nicht mehr viel zu erwarten ist. In Deutschland gibt es zumindest den Vorschlag, dass der Staat für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr 100 Euro monatlich am Kapitalmarkt investieren soll, um einen Anstoß zu geben, diese Praxis danach privat weiterzuführen. Norwegen hat seit Langem einen höchst erfolgreichen staatlichen Pensionsfonds. In Österreich gibt es nach dem dämlichen Modell der einst von Karl-Heinz Grasser eingeführten geförderten Zukunftsvorsorge keinerlei Anreize mehr in diese Richtung, obwohl damit der Wirtschaft Investitionskapital zur Verfügung stünde und gleichzeitig jungen Menschen beim Vermögensaufbau geholfen werden könnte.
Die so gerne cool auftretende Kanzlerpartei ÖVP, die ihre mit Abstand höchsten Wählerquoten allerdings bei den über 60-Jährigen erreicht, hat erstaunlich wenige Ideen, um den Jungen die Startphase zu erleichtern. Ihre antiquierten bildungspolitischen Vorstellungen sind eher das Gegenteil. Österreich ist definitiv noch kein ausreichend attraktiver Ort, um hier zu studieren, zu forschen oder Unternehmen zu gründen. Anderenfalls würden wir ja mehr gute Köpfe aus dem Ausland anziehen.