"Abschottung bedeutet Verzicht auf wichtige Netzwerke"

Analyse von Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender Borealis: Warum lokal verankerte, multinational agierende Unternehmen für Österreich wichtig sind, um in einer globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Und was sie dafür brauchen.

"Abschottung bedeutet Verzicht auf wichtige Netzwerke"

Alfred Stern, Vorstandsvorsitzender Borealis

DIE STÄRKE DES WIRTSCHAFTSSTANDORTS Österreich liegt einerseits in der ausgeprägten KMU-Struktur, aber auch in der starken Vernetzung, was Innovation und Kooperation entlang der Wertschöpfungskette möglich macht. Das ist gut, denn Österreich ist als Volkswirtschaft zu klein für Protektionismus. Eine Strategie der Abschottung bedeutet einen Verzicht auf Wertschöpfungspotenziale und wichtige F&E-Netzwerke.

Die Globalisierung ist eine Entwicklung, die man nicht ignorieren kann, sondern positiv gestalten muss, um den Wirtschaftsstandort Österreich weiterzubringen. Internationales Engagement führt zu neuen Herausforderungen, gibt den heimischen Unternehmen gleichzeitig aber auch die Chance, ihren Unternehmenshorizont zu erweitern. Dadurch wird ein Entwicklungsprozess in Gang gesetzt, der die Konkurrenzfähigkeit auf nationaler wie internationaler Ebene nachhaltig verbessert.

Die Märkte werden immer transparenter, globaler und schnelllebiger - das zeigt sich vor allem in kürzeren Produktzyklen, sehr differenzierten Anforderungen und auch in vielen neuen Anwendungsmöglichkeiten für unsere Produkte. Das bedeutet aber auch, rasch neue Kompetenzen und Ressourcen aufbauen zu müssen. Nicht immer ist dies schnell und effektiv im eigenen Haus umsetzbar, sodass im Bedarfsfall auf die Expertise und Ressourcen externer Partner zurückgegriffen werden muss.

Fremdwort Standortpatriotismus

Noch internationaler als die Produktion ist die Forschungswelt. Standortpatriotismus ist in forschenden Branchen grundsätzlich ein Fremdwort und die Einbindung in internationale F&E-und Innovations-Netzwerke schlichtweg unverzichtbar.

Innovative österreichische Leitbetriebe setzen aus gutem Grund auf den grenzüberschreitenden Wissens- und Technologietransfer und fördern diesen aktiv. Auch wir bei Borealis wollen mit unserem Fokus auf Innovation unsere starke Marktposition festigen. Daher investieren wir laufend in den Erhalt und die Modernisierung unserer heimischen und europäischen Standorte wie unser Innovation Headquarter in Linz oder unser Werk in Schwechat als eine der modernsten und bedeutendsten Kunststoffproduktionsstätten Europas.

Österreich ist ein sicheres Land und punktet mit sehr hoher Lebensqualität. Eine hochentwickelte Infrastruktur und gute Ausbildungsmöglichkeiten, vor allem in Form der dualen Ausbildung und des einzigartigen Schultyps HTL, machen den Standort attraktiv.

International angesehene Universitäten sind hingegen dünn gesät und wären wichtig, denn die Ausstrahlung und Attraktivität solcher Institutionen für die Wirtschaft dürfen nicht unterschätzt werden. Mit der JKU in Linz wurde bereits ein guter Anfang gemacht, nichtsdestotrotz fehlt es an Elite-Unis, um internationale Spitzenforscher und Wissenschaftler nach Österreich zu bringen und hier auch halten zu können.

Internationales Engagement ermöglichen

Kennzahlen belegen, dass Europa und insbesondere Österreich derzeit ein attraktiver Innovations- und Technologiestandort ist - das trifft auch aus der Sicht unseres Industriezweigs zu. Multinationale Unternehmen reagieren jedoch sensibel auf Entscheidungen und Maßnahmen, die diese Standortqualität beeinflussen. Auch in Österreich stark verankerte Unternehmen müssen kaufmännisch denken, denn im Endeffekt zählt das Ergebnis.

In Anbetracht ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Vernetzung mit den heimischen KMU als Partner müssen den lokal verankerten multinationalen Unternehmen Engagement und Investitionen am Standort Österreich, aber auch international ermöglicht werden, um wettbewerbsfähig zu sein. Erfolgreiche multinationale Unternehmen erhalten und schaffen in Österreich Arbeitsplätze - nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Engagements im Ausland.

Zur Person

Alfred Stern ist seit Juli Vorstandsvorsitzender des österreichischen Chemie- und Kunststoffkonzerns Borealis.


Die Analyse von Alfred Stern ist der trend-Ausgabe 43-44/2018 vom 25. Oktober 2018 entnommen.

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