Wyman-Bericht: Hypo-Insolvenz wäre billigste Lösung
In der Nationalbank (OeNB) herrscht Aufregung. Seit Wochenbeginn ackert sich die Mannschaft von Gouverneur Ewald Nowotny durch ein streng vertrauliches Papier des Beraters Oliver Wyman, dessen Inhalt für Nowotny und seinen für Banken zuständigen Direktor Andreas Ittner reine Ketzerei ist.

Oliver Wyman hat im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen eine Outside-In Einschätzung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen für vier verschiedene Szenarien (Status Quo, Anstalt, Beteiligung, Insolvenz) zum Abbau der Hypo Alpe-Adria vorgenommen, heißt es im FORMAT exklusiv vorliegenden Bericht zum Projekt Galileo.
Das 37 Seiten schlanke Dossier trägt nicht zufällig den Namen des wohl berühmtesten Ketzers aller Zeiten. Vor fast 400 Jahren wurde der italienische Astronom, Mathematiker und Philosoph Galileo Galilei vom Papst gezwungen, dem heliozentrischen Weltbild von Nikolaus Kopernikus abzuschwören. Damals war die ptolemäische Anschauung vorherrschend, wonach die Erde im Zentrum des Universums steht.
Grundsatzstreit
Bei der Suche nach der idealen Hypo-Abwicklung prallen ebenfalls Weltanschauungen aufeinander. Die relevanten Institutionen forcieren die Anstalts-Lösung, wo die Republik Österreich alle Hypo-Verpflichtungen (inklusive Kärntner Landeshaftungen von rund 14 Milliarden Euro) übernimmt. Ganz anderes vermittelt jetzt jedoch das Papier der Wyman-Consulter, nämlich dass die Insolvenz-Variante für den Steuerzahler am günstigsten sei, weil in diesem Fall auch die Hypo-Gläubiger vor allem ausländische Banken, Fonds und Versicherungen zur Kasse gebeten werden.
Finanzmarkt-Sektionschef und ESM-Direktor Harald Waiglein sowie Finanzprokurator Wolfgang Peschorn beide arbeiten im Finanzministerium wollen das Insolvenz-Modell zumindest weiter geprüft haben. Laut deren Berechnungen würde sich die Republik dadurch 5,3 Milliarden Euro ersparen. Die Wyman-Berater stützen diese Position: Die Insolvenz eröffnet die Option, andere Stakeholder in die Lastenteilung miteinzubeziehen und die Gesamtbelastung der öffentlichen Hand zu reduzieren. Die Anstalts-Lösung führt zur unmittelbaren und formal gültigen Konzentration der faktischen Risiken und Haftungen bei der öffentlichen Hand. Der Bund riskiere zudem langfristig negative Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und den Finanzplatz Österreich.
Oliver Wyman ist nicht irgendein Consulter. Das Beraterhaus unterstützt die Europäische Zentralbank bei der Bankenaufsicht (Stichwort: Asset Quality Review), die slowenische Regierung bei der aktuellen Bankenrettung und zählt neben der EU-Kommission auch diverse Notenbanken und Finanzregulierer zum erlauchten Kundenkreis.
Im Projekt Galileo wurden auch Reputationsrisiken, Auswirkungen auf Rating und Refinanzierungskosten sowie Umsetzungsaspekte und Auswirkungen auf andere Stakeholder berücksichtigt.
Auch strikte Gegner einer Insolvenz wie OeNB-Gouverneur Nowotny (Ein Konkurs ist auszuschließen) und sein Vorgänger Klaus Liebscher (Eine Insolvenz steht nicht zur Debatte) können das nicht einfach ignorieren. Liebscher ist Aufsichtsratschef der Hypo Group Alpe-Adria und Leiter der vom Finanzministerium eingesetzten Hypo Task Force, wo Nowotny und FMA-Chef Helmut Ettl auch dabei sind. Als Chef der Banken-ÖIAG Fimbag warnt Liebscher gebetsmühlenartig vor unabsehbaren wirtschaftlichen Konsequenzen einer bewusst in Kauf genommenen Insolvenz für den Standort Österreich.
Eine Meinung, die Oliver Wyman so nicht teilt: Bei allen (!) Lösungen bestehen Reputationsrisiken und mögliche negative Einflüsse für das Rating bzw. die Refinanzierungskosten des Bundes, also auch bei der Anstalts-Lösung. Die Gefahr eines unkontrollierbaren Flächenbrands sehen die Wyman-Leute nicht: Mögliche Spillover-Effekte auf die Refinanzierung von anderen Banken und Bundesländern erscheinen entweder von untergeordneter Bedeutung oder können abgeschwächt werden. Der wesentliche Unterschied zum Jahr 2009, als der damalige Hypo-Mehrheitseigentümer BayernLB mit dem Gang zum Konkursrichter drohte, wird explizit angesprochen: die Hypo Group ist nicht mehr systemrelevant und das ist ein großer Vorteil!
Zudem hätten in einer Insolvenz nicht österreichische, sondern ausländische Gläubiger, allen voran die BayernLB, das meiste zu verlieren. Von rund 6,5 Milliarden Euro Kundenverbindlichkeiten entfallen weniger als ein Prozent auf österreichische Sparer. Auch die Austro-banken gemeinsam kommen gegenüber der Hypo Group auf ein Mini-Exposure von insgesamt 79 Millionen Euro. Bei den verbrieften Verbindlichkeiten (Bonds, Hybridanleihen, Pfandbriefe etc.) von rund 12,3 Milliarden Euro hängen vor allem internationale Investoren dran. Die Namen der Bondholder sowie deren Verteilung rund um den Globus kennt Hypo-Vizepräsident Rudolf Scholten als Chef der Kontrollbank.
Schuldenschnitt-Spekulation
Im Wyman-Papier wird auch das Tauschangebot an Eigentümer von Kärnten-Anleihen explizit als Möglichkeit zur Reduzierung der Risiken des Bundes hervorgehoben. Seit zwei Wochen wird an den Märkten über einen Swap spekuliert: drei vom Land Kärnten garantierte Bankbonds gegen zwei vom Bund garantierte Anleihen, so der kolportierte Deal. Die Anleihenhändler rechnen mit einem Schuldenschnitt. So purzelte etwa der Kurs eines Hypo-Schuldscheins binnen einer Woche von 80 auf unter 50 Euro. Der Markt nimmt einen Haircut bei der Hypo Alpe-Adria vorweg, sagt Börsenexperte Wolfgang Matejka. 2014 werde das entschieden, meint er.
Umso unverständlicher ist, wieso SP-Kanzler Werner Faymann und VP-Vizekanzler Michael Spindelegger beide haben sich vehement gegen eine Hypo-Insolvenz ausgesprochen eisern daran festhalten, dass der Staat (also der Steuerzahler) in jedem Fall alle Ansprüche befriedigen wird. Das Wyman-Papier würde sich gut eignen, ein Drohpotenzial gegenüber privaten Hypo-Gläubigern aufzubauen, um am Ende einen freiwilligen Haircut zu erreichen. Vor allem gegenüber der BayernLB. Denn im Insolvenzfall sei die Umwandlung bestehender Ansprüche in Konkursansprüche vorgesehen, so Wyman. Die 2,3 Milliarden Euro Kredit der Münchner an die Hypo wären dann futsch.