Schweizer Initiative 1:12: Tritt Lohnobergrenze für Manager in Kraft, drohen Steuerausfälle in Milliardenhöhe
Die Schweizer könnten demnächst ein Experiment wagen, auf das die gesamte westliche Welt interessiert blicken könnte. Die Schweizer Sozialisten wollen mit der Initiative 1:12 eine Lohnobergrenze für Topverdiener einführen. Die Debatte erhitzt die Schweizer Eidgenossen heftig. Am 24. November soll darüber abgestimmt werden.

Die Schweiz steht vor einer spannenden Abstimmung. Im Land der Calvinisten, wo Wertschätzung von Leistung, Fleiss und Zurückhaltung im Zurschaustellen von Reichtum und Erfolg oberstes Gebot sind, wird über eine Obergrenze für Manager abgestimmt.
Schließlich gilt, wer über das Mittelmaß hinausragt und auffällt, schnell als suspekt. Dieser Grundhaltung laufen jedoch internationale Konzerne, die in der Schweiz angesiedelt sind zuwider. Sie richten ihre Spitzengehälter nach dem globalen Wettbewerb aus. Jetzt wollen die Schweizer mit der Initiative 1:12 dieser globalen, aus ihrer Sicht unmoralischen Kultur der extrem Gehälter, entgegentreten.
Das Ziel der Initiative 1:12: Der höchste Lohn eines Managers oder Unternehmers soll künftig maximal das Zwölffache des tiefsten Lohns im Unternehmen ausmachen. Die 1:12-Initiative, die am 24. November zur Abstimmung kommt, fußt auf der Empörung über Abzocker in den Chefetagen.
In Österreich gibt es deutlich mehr Jobs am unteren Ende der Lohnskala als in der Schweiz
Die Schweizer wollen sich für mehr Lohngerechtigkeit einsetzen, obwohl sie bei weitem nicht zu jenen Ländern zählen, die Manager mit Geld überhäufen und im Gegenzug Arbeiter kaum genug zum Überleben lassen. In vielen Ländern mit extrem hohen an Spitzengehältern, ist der Anteil an Billigjobs im Unternehmen ebenso überdurchschnittlich. In diesem Punkt zählt die USA laut OECD zu den Spitzenreitern. Dort werden im Schnitt 25,3 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens mit extrem niedrigen Löhnen abgespeist. Gefolgt von Großbritannien (20,7 Prozent), Deutschland (18,8 Prozent) und auch in Österreich ist es mit der Lohngerechtigkeit nicht weit her. Hier liegt der Anteil der sogenannten Tieflöhner in einem Unternehmen im Schnitt bei 18,8 Prozent. Erst dann kommt die Schweiz mit 9,2 Prozent.
Unter den entwickelten Ländern ist die Ungleichheit der Markteinkommen nur in Südkorea geringer als in der Schweiz, weiß die OECD. Die Anteile der Top-Einkommen stiegen seit 1993 weit weniger als etwa in den USA, in Grossbritannien oder in Schweden. Sogar nur in wenigen Unternehmen überschreitet der höchste Lohn den tiefsten um mehr als das 12-fache.
Die 1:12-Initiative würde jedoch die Vertragsfreiheit aushebeln und die Attraktivität der Schweiz als Konzernsitz oder Forschungsstandort gefährden, so die Gegner. Die Umsetzung der Initiative wäre gerade für die Schweiz mit Risiken behaftet. Denn zahlreiche Multis haben in der Schweiz ihr Welt- oder Europa-Headquarter. So fürchtet die Pharmastadt Basel um große Konzerne. Aufgrund der starken Konzentration internationaler Konzerne, befürchten die Gegner deshalb, dass die Wettbewerbsfähigkeit leidet, die Beschäftigung sinkt und die Arbeitslosigkeit steigt, da weniger produziert wird und in damit Löhne und Steuereinnahmen sinken.Im schlimmsten Fall drohe der Wegzug von Firmen.
Bis zu 4,3 Milliarden Euro Steuerverluste pro Jahr möglich
Ein Lohndeckel in dieser Höhe würde zudem laut Berechnungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung die Lohnsumme um bis zu 4,3 Milliarden Euro im Jahr reduzieren. Bei einem Grenzsteuersatz von 30 Prozent müsste mit Steuerausfällen von 1,5 Milliarden Franken gerechnet werden. Bei einer Lohngrenze von 700 000 Franken resultiert etwa eine Milliarde an Steuerausfällen. Basis der Kalkulation: Zehn Prozent dieser Topverdienenden zahlen in der Schweiz 77 Prozent der gesamten Steuererträge der direkten Bundessteuer.
Befürworter der Lohnobergrenze halten dem entgegen, dass dadurch die Löhne aller wieder steigen würden, nachdem riesige Lohnsummen wieder frei würden. Das gewünschte Resultat wäre mehr Lohngerechtigkeit. Außerdem seien die wirtschaftlichen Bedingungen in der Schweiz insgesamt so gut, dass der Standort Basel auch mit 1:12 noch immer viel besser da stehe als Deutschland oder Frankreich.
Gegner in der Überzahl
Fest steht jedoch, dass diese Abstimmung die Schweizer polarisiert, wie kaum eine andere davor. Bisher haben jedoch laut einer aktuellen Umfrage die Gegner die Oberhand. 55 Prozent der Befragten wollen am 24. November Nein sagen. 34 Prozent legen ein Ja in die Urne. Vor einigen Wochen sah es noch nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen für die 1:12-Initiative aus.